Riccardo, wer durfte Ihr Buch vor der Veröffentlichung eigentlich zuerst lesen?

Ich habe es niemanden zum Lesen gegeben, nur mein Manager hat es gelesen, weil er auch mit dem Verlag in Kontakt stand und natürlich in alle Schritte involviert war. Sonst hat es tatsächlich niemand, wirklich niemand aus meinem Umfeld gelesen.

Nicht mal Ihre Mutter?

Nein, nicht mal meine Mama. Das ist wie beim Kuchenbacken: Viele Köche verderben den Brei. In dem Buch stehen meine Geschichte und meine Erlebnisse, und ich erzähle, wie sie passiert sind. Wenn meine Mama gesagt hätte, dass ihr was nicht gefällt und ich das anders aufschreiben soll – ich weiß nicht, ob ich das Buch voller Selbstbewusstsein hätte fertig schreiben können. Deswegen haben es vor der Veröffentlichung eben nur mein Manager und der Verlag bekommen. Als von denen ein positives Feedback kam, wusste ich, dass es der richtige Weg war. Nur ein Kapitel hat meine Mama vorher gelesen, weil es darin um sie geht. Und es war mir wichtig, dass sie weiß, was auf sie zukommt.

Also haben Sie dieses Projekt wirklich komplett allein gestemmt?

Wenn man das Buch mal in der Hand hält, merkt man schnell, dass es wirklich voller Details ist. Allein dass das Cover glitzert! Und dass die Innenseiten zum Teil blassrosa sind! Das sind Dinge, kleine Details, die mir wichtig sind – genauso wie die Geschichten, die ich aufgeschrieben habe. Natürlich hatte ich einen Lektor, der Korrektur gelesen hat, aber ich habe alles selbst geschrieben. Der Verlag war sehr offen und hat mich auch beim Layout mitreden lassen, weil alle genau wussten, dass ich eine bestimmte Vorstellung habe, wie mein Buch aussehen soll. Ich habe Tag und Nacht daran gearbeitet, damit es perfekt wird. Und jetzt kann ich mit Stolz sagen: Das habe ich selbst gemacht. Und dafür bin ich sehr dankbar.

Riccardo Simonettis Buch "Mein Recht zu funkeln" (192 Seiten, 18 Euro) ist gerade bei Community Editions erschienen.
Riccardo Simonettis Buch "Mein Recht zu funkeln" (192 Seiten, 18 Euro) ist gerade bei Community Editions erschienen. | Bild: Community Editions

In dem Buch stehen nicht nur schöne Dinge, sondern Sie schreiben auch über Beleidigungen und sogar körperliche Angriffe. Was haben diese Erlebnisse mit Ihnen gemacht?

Was mir damals passiert ist, hat bis heute Einfluss auf mein Leben. Erst vor Kurzem habe ich Morddrohungen bekommen und wurde von einem Stalker bedroht, deswegen gehe ich jetzt nur noch mit Personenschutz auf Veranstaltungen. Daran sieht man, dass die Probleme, die ich als Jugendlicher hatte, gar nicht so anders waren als die, die ich heute habe. Und das macht schon etwas in einem kaputt. Jeder Mensch, der anders ist, weiß, wie sich das anfühlt, wenn die Gesellschaft einem zeigt, dass man nicht dazugehört, dass man nicht reinpasst. Das bricht einerseits ein bisschen die Persönlichkeit, aber auf der anderen Seite kann einen das auch unglaublich stark machen. Für mich war immer klar: Wenn ich mal die Chance habe, meine Stimme einzusetzen, will ich sie nicht nur für mich einsetzen, sondern für alle Menschen, die ähnliche Geschichten erleben und die nicht die Möglichkeit haben, öffentlich darüber zu sprechen. Ich könnte den ganzen Erfolg gar nicht genießen, wenn ich nicht wüsste, dass ein Junge, wie ich vor ein paar Jahren einer war, es heute ein bisschen leichter hat durch das, was ich tue.

In Sachen Akzeptanz hat sich in der Gesellschaft also nicht wirklich etwas verbessert?

Doch, mein Leben hat sich sehr verändert, weil ich in der Öffentlichkeit stehe und die Leute einen deswegen eher akzeptieren. Aber das macht das Ganze ja nicht besser, wenn ich mein individuelles Leben zwar besser gestalten kann, aber doch weiß, dass es andere immer noch schwer haben, nur weil sie anders aussehen. Deshalb ist es mir so wichtig, einen Beitrag zu leisten, indem ich meine Erlebnisse öffentlich mache – damit die Menschen, denen so etwas auch passiert, sich vielleicht weniger allein fühlen. Was sie leisten, einfach um sie selbst zu sein, das ist so viel wert.

Bekommen Sie viel Feedback?

Extrem viel. Mein ganzer Blog ist ja darauf aufgebaut, solche Geschichten zu erzählen. Egal, wie oft man denkt, dass man nun schon hundert Mal über dieses Thema gesprochen hat – jeden Tag kommen wieder Nachrichten von Menschen, die mir sagen, dass sie selbstbewusster geworden sind durch das, was ich erzähle, und dass es ihnen dabei geholfen hat, sich nicht so allein zu fühlen. Homophobie und generell die Angst vor allem, was anders ist, sind so wichtige Themen, die aber immer wieder totgeschwiegen werden. Viele Leute denken, nur weil gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland heiraten dürfen, gibt es solche Probleme nicht mehr – aber das stimmt einfach nicht. Und das ist ja nur eins der Themen, die ich behandle. Bei mir geht es um Anderssein in vielen Situationen.

In Ihrem Buch schreiben Sie viel über Ihre Kindheit und Jugend in Bad Reichenhall. Wenn Sie heute dort unterwegs sind, reagieren die Leute anders als früher?

Ich muss sagen, die Leute sind sehr stolz, dafür bin ich auch extrem dankbar. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich in meiner Heimatstadt zu Besuch bin. Die lokale Presse berichtet immer darüber, und alle sind wirklich nett. Aber ich denke oft: Als ich noch dort gelebt habe, war es oft schwierig, da waren manche Leute so böse zu mir. Wenn ich in Bad Reichenhall geblieben wäre, dort zum Beispiel Englischlehrer geworden wäre und dann in Pailletten-Outfits junge Menschen unterrichtet hätte – ich weiß nicht, ob mir dann alle auf die Schulter geklopft hätten. Ich bin sehr dankbar, dass meine Heimatstadt mich unterstützt, aber ich weiß auch, dass das viele Menschen blendet. Deshalb hoffe ich, dass die Leute auch wirklich zuhören und zu komischen Kauzen wie mir einfach ein bisschen netter sind.

Ist es für Sie ein Kompliment, wenn man Sie Paradiesvogel nennt?

Kommt drauf an. Ich empfinde es nicht grundsätzlich als abwertend, wenn ich als Paradiesvogel betitelt werde, weil ich natürlich ein anderes Erscheinungsbild habe als die meisten Menschen. Und alle, die anders sind, werden nun mal gern in eine Schublade gesteckt. Und alle, die anders sind, sind für den Durchschnitt eben Paradiesvögel. Ich selbst würde mich aber nie so nennen. Ich finde es schön, wenn man mir die Chance gibt, mich zu erklären, und mich nicht immer sofort in eine Schublade steckt.

Kommen wir mal zu einem schöneren Thema: Mode. Für Sie war Ihre Kleidung ja schon immer ein Weg, sich auszudrücken und zu zeigen, wer Sie sind. Hat man dieses Talent oder kann man das lernen?

Ich glaube, dass Mode ganz viel mit Selbstbewusstsein zu hat. Und ich glaube, man kann alles tragen, was man möchte – es wird einem stehen, wenn man die richtige Einstellung hat. Geschmäcker sind verschieden, deswegen sollte man nie versuchen, es anderen recht zu machen. Aber: Es wird nie so sein, dass alle zufrieden sind. Also sollte man was riskieren, Dinge kombinieren, die vielleicht nicht zusammenpassen, aber sich richtig anfühlen. Man darf keine Angst vor den Reaktionen der anderen haben, sondern sollte einfach auf sein Inneres hören – nur darauf kommt es an! Alle Mode-Ikonen haben eins gemeinsam: Man erinnert sich an sie, weil sie Regeln gebrochen haben. Deshalb ist es wichtig, einen eigenen Stil zu entwickeln und sein Ding durchzuziehen.

Wenn es um sein Aussehen geht, ist Riccardo Simonetti alles andere als 08/15.
Wenn es um sein Aussehen geht, ist Riccardo Simonetti alles andere als 08/15. | Bild: Sören Stache /dpa

Was haben Sie sich denn zuletzt gekauft?

Also, ich habe es noch nicht bezahlt … Aber ich habe gerade einen E-Mail-Newsletter bekommen, darin habe ich eine Tasche gesehen, die ich auf jeden Fall haben muss. Es ist eine mit bunten Strass-Steinen besetzte Bauchtasche von Yves Saint Laurent und sie sieht aus, als wäre sie aus dem Jahr 1979. Das ist mein textilgewordenes Ich! Diese Tasche muss in meine Sammlung.

Können Sie sich eigentlich vorstellen, selbst unter die Designer zu gehen?

Eigentlich nicht. Ich habe einen sehr ungewöhnlichen Geschmack. Vielleicht ein T-Shirt für einen guten Zweck? Ich muss nicht meine eigene Kollektion haben, das überlasse ich lieber anderen. Ich versuche, mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich kann.

Sind Sie eigentlich jemand, der sich selbst gern im Spiegel anschaut?

Ich glaube, ja. Ich bin jemand, der sehr viel Zeit mit sich verbringt – nicht nur, weil ich Single bin. Wenn man in der Öffentlichkeit steht und viel aus seinem Privatleben berichtet, ist es total wichtig, dass man permanent mit sich selbst in Kontakt steht. Dass man sich fragt: Bin ich zufrieden? Mag ich den Menschen, den ich im Spiegel sehe, so, wie er ist – ohne Filter und Bildbearbeitung? Ich bin immer mein größter Fan gewesen, und ich weiß, dass es vor allem auf eins ankommt: dass man an sicht selbst glaubt.

Wo ist bei Ihnen eigentlich die Grenze? Gibt es etwas, das Sie auf Instagram nie zeigen würden?

Mein Kanal ist da, um die Leute zu unterhalten und zu motivieren. Es gibt Inhalte, die gehören da hin, und es gibt Inhalte, die gehören da nicht hin. Ich versuche, alles auszublenden, was problematisch ist oder jemanden verletzen könnte. Die Leute folgen mir doch auf Instagram, um sich von ihren Problemen abzulenken, und nicht um dabei zu sein, wenn ich über meine Steuererklärung heule.

Sie schreiben in Ihrem Buch aber auch, dass Social Media für Sie eine Verpflichtung ist. Machen Sie trotzdem auch manchmal eine Instagram-Pause?

Nein, das gibt es bei mir nicht. Wenn man seiner Verantwortung als Influencer gerecht werden will, dann gibt es keine Pausen, da wird alles dokumentiert. Es gibt natürlich Phasen, in denen man mehr postet, und Phasen, in denen man weniger kommuniziert, weil man weiß, dass die Menschen gerade mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind – zum Beispiel zur Weihnachtszeit. Aber im Alltag versuche ich, die Leute mit in meine Welt zu nehmen. Zu meinem täglichen Social-Media-Programm kommen ja aber auch noch TV-Drehs und andere Projekte hinzu.

Haben Sie eigentlich mal darüber nachgedacht, wie Ihr Leben wäre, wenn Sie 20 Jahre früher geboren wären und ohne Internet hätten berühmt werden müssen?

Was ich im Internet mache, ist klassische Unterhaltung – nur eben auf einem sehr modernen Medium. Wenn ich 20 Jahre früher geboren wäre, dann hätte ich genau die Dinge getan, die ich auch heute mache – nur auf einem anderen Medium. Vielleicht wäre ich als Moderator zum Fernsehen gegangen oder wäre Schauspieler geworden. Aber mein Sprungbrett war eben das Internet, weil es das Medium Nummer eins für meine Generation ist. Und früher war es eben das Fernsehen.

Ihr Leben, so wie es jetzt ist, ist das das, was Sie sich gewünscht haben?

Total. Ich darf der Mensch sein, der ich bin, und ich werde für die Eigenschaften geschätzt, für die ich früher oft fertiggemacht wurde. Das ist ein unglaubliches Privileg und das weiß ich auch zu schätzen. Ich will zeigen, dass man, wenn man an seine Träume glaubt, am Ende auch als Gewinner dastehen kann.

Erlauben Sie mir noch eine Frage: Wie viel Zeit widmen Sie Ihren Haaren?

Jeder, der mir auf Instagram folgt, weiß, dass ich einen ganz tollen Stylisten habe. Ich sage immer: Wenn die Haare einmal richtig gut gestylt sind – egal, ob man das selber macht oder zum Friseur geht -, dann hält eine Frisur fünf Tage. Man muss einfach wissen, wie man damit umgeht und wie man zum Beispiel damit schläft. Ich gehe zum Sport und ich schwitze auch dabei, aber das macht der Frisur nichts aus, weil ich meine Haare pflege. Ich nehme nicht jeden Tag den Lockenstab, das würde sie nur kaputt machen. Ich mache die Frisur einmal richtig und frische sie dann mit Trockenshampoo und Haarbalsam immer wieder ein bisschen auf.

Sind Ihre Haare eigentlich das, was Sie an sich selbst am meisten mögen?

Ich glaube, jeder Mann mit langen Haaren wird das auch so sehen: Meine Haare sind mir superwichtig. Manchmal fühle ich mich wie der biblische König Samson. (lacht) Er war unbesiegbar, und erst als ihm die Haare abgeschnitten wurden, hat er seine Macht verloren.