Herr Reim, Sie sagten einmal: „Routine ist der Tod eines Künstlers“. Gibt es deshalb auf Ihrem neuen Album „Meteor“ überraschend viele Balladen, statt typische Reim-Songs zum Mitsingen?

Jedes Alter und jeder Lebensabschnitt ist etwas Besonderes und inspiriert mich zu meinen Songs. Mit zwei Songs reiche ich den Schlagerfans die Hand, die die typische Reim-Musik, Partypop zum Mitsingen, bekommen. Inspirieren lassen habe ich mich außerdem von den Rock-Bands der 70er Jahre. Und es stimmt, die anderen Songs sind eher leise, nachdenklich. Textlich mache ich das, was ich am besten kann, nämlich Geschichten erzählen.

Sind die Geschichten autobiografisch?

Nicht autobiografisch, aber es sind Geschichten, die so passiert sind und tausendfach passieren. Ich selbst bin manchmal ziemlich verpeilt und je mehr ich mir Mühe gebe alles richtig zu machen, desto chaotischer wird es. Da hat mich die Muse geküsst, und ich habe für das neue Album über die Unvernunft und Unlogik der Emotionalität geschrieben.

Sind Sie emotional?

Total! Und meine Gefühle verarbeite ich in meiner Musik. Als Musiker musst du emotional sein, um langfristig Erfolg zu haben.

Was ist Ihnen bei Ihrer Musik wichtig?

Ich will Stillstand und Wiederholungen vermeiden und neue Songs entwickeln. Und das ist beim 18. Album echt schwierig – ist mir aber ganz gut gelungen. (lacht)

Welche deutschen Musiker-Kollegen finden Sie richtig gut?

Leute, die glaubwürdig und authentisch sind. Sarah Conner hat großartige Texte, Udo Lindenberg ist sich seit Jahren treu geblieben und darum echt gut. Wenn du authentisch bist, kannst du als Künstler machen was du willst und wirst gut sein.

Sie sind im letzten Jahr 60 geworden. Im Gegensatz zu manchen Kollegen lehnen Sie Botox und Co für ein jüngeres Aussehen ab.

Ja, das machen viele. Aber ich finde es okay, gemeinsam mit den Fans zu altern. Bis auf das Rauchen lebe ich gesund, mache mittlerweile regelmäßig Sport und man darf mir mein Alter ruhig ansehen. Leute wie Leonard Cohen oder Udo Jürgens halfen ihrem Aussehen nicht nach und haben optisch verkörpert, wovon Sie mit viel Lebenserfahrung und Seele singen. Die sind authentisch und bis ins Alter erfolgreich. Und mal ganz ehrlich, ich schaue lieber in ein gelebtes Gesicht, wie in das von Keith Richard, als in eine starre Maske.

Ihre Kinder Marie und Julian wollen in ihre Fußstapfen treten und steuern eine Musikkarriere an. Wie finden Sie das?

Ich berate Sie liebevoll, öffne ihnen aber keine Türen. Sie sollen den harten Weg von Anfang an selbständig gehen. Ich möchte vermeiden, dass sie als „Kind von“ berühmt werden oder als „One-Hit-Wonder“. Damit können sie in der Musikbranche nicht dauerhaft bestehen.

Wann gehen Sie mit Ihrem neuen Album auf Tour?

Von Ende Juni an gehe ich deutschlandweit auf Konzertreise, ab Herbst folgen dann die Hallenkonzerte. Das einzige Konzert in Süddeutschland wird am 22. November in Stuttgart sein und da freue ich mich schon mächtig drauf.

Und was machen Sie bis zum Start der Tournee?

In den nächsten Wochen kommen noch viele Auftritte und Interviews im Fernsehen, Promotion-Touren und so weiter. Und dazwischen freue ich mich immer am Bodensee zu sein und mit meine Freundin Christin Zeit zu verbringen, die ja auch musikalisch ganz schön eingespannt ist. Ihr neues Album kommt im Juni raus und da habe auch ich echt mein ganzes Herzblut rein gesteckt.

Wie können Sie sich am besten entspannen?

Wenn ich zu Hause am Bodensee bin, beim Motorradfahren und wenn es endlich warm wird, auf unserem Boot.

Fragen: Nicola M. Westphal

Matthias Reim: „Meteor“, RCA, 17,99 Euro.

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Zur Person

Matthias Reim wurde 1957 in Korbach/Nordhessen geboren. Nach dem Abitur studiert er eine Zeitlang Germanistik, widmet sich dann aber ausschließlich der Musik. Er komponierte für Künstler wie Roy Black, Jürgen Drews und Bernhard Brink. Seine Single „Verdammt ich lieb Dich“ wird zur erfolgreichsten Veröffentlichung der 90er Jahre. Reim war drei Mal verheiratet ist und hat sechs Kinder von fünf Frauen. Seit dem Jahr 2012 lebet er am Bodensee, erst in Radolfzell, jetzt mit Freundin Christin Stark in Stockach. (nic)