Herr Klemann, Sie haben mit „Rosenegg – Der Weiße Berg“ einen Roman über die erste blutige Phase des Dreißigjährigen Krieges geschrieben. Können Sie sich noch erinnern, welche Rolle der längste aller Kriege in Ihrem Schulunterricht gespielt hat?
Leider nein. Ich erinnere mich, dass der erste Weltkrieg behandelt wurde und ausführlich der zweite. Von mittelalterlichen Kriegen überhaupt ist mir nur wenig Unterrichtsstoff hängen geblieben.
Der Roman wird aus der Perspektive von Kaspar Geißler erzählt, einer erfundenen Gestalt, die Sie 1601 als Sohn eines calvinistischen Pfarrers im Hegau zur Welt kommen lassen. Einen der Vulkanberge – Rosenegg – nehmen sie im Titel Ihres Buchs auf. Gibt es dafür einen Grund?
Als Kind spielte ich öfters auf der Ruine des Rosenegg, und schon damals war ich fasziniert von der Vorstellung, was früher wohl auf solchen Burgen vor sich ging. Für das Buch suchte ich dann eine adlige Familie, die ziemlich genau zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges ausgestorben ist, um einen fiktiven Nachkommen zu erdichten. Dazu recherchierte ich die Geschichte der verschiedenen Hegauer Burgen, und stieß dabei auf den Rosenegg, der ohnehin, des schönen Namens wegen, mein Favorit gewesen wäre. Es passte alles, dass es beinahe unheimlich war, und so kreierte ich den Charakter des Grafen Paul von Rosenegg, in dessen Dienste sich später mein Protagonist begibt.
Kaspar Geißler schließt sich als Söldner der katholischen Liga unter dem Befehl der Grafen Bucquoy und Tilly an, die die Schlacht nahe Prag gewinnt. Das Gerüst dieses Romans hat etwas von einem – filmisch ausgedrückt – Roadmovie. Bin ich da auf dem richtigen Weg?
Ja! Ich las während meiner Recherche das erst im 20. Jahrhundert aufgetauchte Tagebuch eines Söldners des Krieges, Peter Hagendorf. Wenn auch ein wenig mühsam zu lesen, zeigt es wunderbar die ungeheuren Wege und Strapazen, die ein Soldat damals zurücklegen und überstehen musste. Ich wollte dasselbe für meinen Helden, und auch, dass der Leser diese genau verfolgen kann.
Sie schildern viele historische Persönlichkeiten. Wieviel gelebtes Leben und wieviel Fiktion steckt in den Figuren?
Ich recherchierte alle historischen Gestalten, die vorkommen, akribisch und hoffe, dass dies im Buch deutlich wird. Notwendig bleibt es beim Autor, ihnen Persönlichkeit einzuhauchen, die über die historischen Fakten hinausgeht. Ich versuchte anhand der Informationen, die ich fand, ein Bild von ihnen zu entwerfen und sie mit passenden Charaktereigenschaften zu versehen. Ob das fertige Bild gelungen ist, darf der Leser entscheiden.

Es gibt ja nicht nur Fachbücher zum Dreißigjährigen Krieg. Als Schüler habe ich Schillers Drama „Wallenstein“ gelesen – mit wenig Genuss. Zuletzt hat Daniel Kehlmann mit „Tyll“ einen Roman über die Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs veröffentlicht. Worin liegt der Reiz, immer wieder über die Zeit zwischen 1618 und 1648 zu schreiben?
Ich bin ein Fan von Friedrich Schiller, stimme aber voll und ganz zu, dass „Wallenstein“ eines seiner schwächeren Stücke ist. Warum die Zeit so großen Reiz ausübt, liegt sicher daran, dass sie so bewegt und auch grausam war. Die Schäden, die der Krieg anrichtete, sind kaum vorstellbar, und die dreißig Jahre, die er wütete, sind eine enorme Zeitspanne. Dazu die Vielzahl an Konfliktherden, das Dynastische, das Konfessionelle, dann die Seuchen und Hungersnöte.
Und nicht zuletzt die Charaktere; ein „gefrorener“ Wallenstein, den man mit dem Teufel im Bunde witterte, und mit einer in Weihwasser getränkten Pike tötete, heilige Mönche, die Schlachten entscheiden, Kaiser, die sich von Gott selbst berufen fühlen, die Ketzer zu besiegen.

Der Krieg ist von Brutalität und Grausamkeit geprägt. Vor allem Frauen litten unter den vergewaltigenden und mordenden Soldaten. Sie haben bewusst die weibliche Sichtweise bedacht?
Ja. Dieses Zeitalter war für alle schwierig, aber für Frauen zweifellos schwieriger. Insbesondere im Heer, wo Frauen und Kinder im Tross mit den Soldaten mitzogen, herrschten ungeheuerliche Verhältnisse. Ich wollte diese so schonungslos darstellen, wie die Zeit eben war. Bemerkenswert ist dabei, dass, da Frauen der gesamte militärische Apparat verboten war, sie sich notgedrungen andere Orte suchten, erfolgreich zu sein. So kam es, dass im Laufe des Krieges die Händler- und Wirtsberufe zunehmen von Frauen dominiert wurden, und heute die weibliche Version des Wortes „Marketenderin“ gebräuchlicher ist, als deren männliches Gegenstück. Es war mir wichtig, mit dem Charakter der „Witwe“ eine starke Frauenrolle im Buch zu haben.