Die literarische Stimme der Region vernehmbar machen – unter diesem Motto wurde die gemeinnützige literarische Gesellschaft Forum Allmende (FA) am 31. Mai 1998 im Konstanzer Café Wessenberg von einem halben Dutzend Literaturinteressierter gegründet. Aber auch Schriftsteller wie Hermann Kinder und Peter Salomon waren darunter, der Verleger Klaus Isele sowie der Publizist Manfred Bosch. Bosch gehörte seinerzeit zum Team der Zeitschrift „Allmende“, die sich um das literarische Leben im alemannischen Sprachraum kümmerte und seit 2003 vom Karlsruher Literaturwissenschaftler Hansgeorg Schmidt-Bergmann herausgegeben wird. FA kann als Fortsetzungsgeschichte der „Allmende“ gesehen werden.
Und: Es ist eine Erfolgsgeschichte. Das halbe Dutzend Mitglieder hat sich inzwischen deutlich vermehrt – auch wenn sich der Verein schwertut, junge Leute zu gewinnen. Das ist ein Problem, dass er mit vergleichbaren Einrichtungen wie dem Internationalen Bodensee Club (IBC) teilt. Das Forum Allmende zählt mehr als 160 Mitglieder. Sie leben größtenteils verstreut in Südwestdeutschland, aber auch in Österreich, der Schweiz und im Elsass. Die Mehrzahl von ihnen ist im Bodenseeraum angesiedelt. Entsprechend der literarischen Tradition und Funktion spielt dabei das kulturelle Oberzentrum am See, Konstanz und seine Umgebung, eine wichtige Rolle, sowohl mit Blick auf Thematik wie auf die Stadt als Veranstaltungsort.
Aber nicht nur die Zahl der Mitglieder steigt stetig an. Ein Plus gibt es auch bei den Aktivitäten des Vereins, der von der Stadt Konstanz, vom Landkreis Konstanz, von der Berliner Arbeitsgemeinschaft literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten und neuerdings von der Radolfzeller Messmer-Stiftung finanziell unterstützt wird.
Vergessene Autoren vom Bodensee
Die von FA bisher publizierten Bücher gelten vergessenen und wiederentdeckten Autoren der Bodenseeregion, neben Jacob Picard etwa Eduard Reinacher oder Tami Oelfken. Die jüngsten Bände sind der Fotografin Lotte Eckener und dem Schriftsteller Martin Walser gewidmet. Auch unabhängig vom FA veröffentlichte Bücher werden gefördert, zuletzt „Eisblumen. Eine Kindheit im Hegau“ der gebürtigen Gottmadinger Autorin Getty Magdelaine, übersetzt von Ulrike Blattert.

Die Marathonlesung „Literatur am See“, die sich 2010 aus einer Hommage an Hermann Kinder ergab, wurde 2014 in neuer Konzeption von den Konstanzer Literaturgesprächen abgelöst. Diese Reihe präsentiert in Kooperation mit dem Theater Konstanz bis zu viermal im Jahr Autorinnen und Autoren aus dem deutschen Südwesten, Österreich und der Schweiz in der Spiegelhalle Konstanz (Hafenstr. 10). Im Jubiläumsjahr sind das Verena Roßbacher (fand am 2. Juni statt), Annette Pehnt (29. September) und Zsuzsanna Gahse (2. Dezember). In Singen kooperiert FA mit dem Theater „Die Färbe“ und dem dortigen Förderverein sowie der Stadt Singen bei den Stipendiaten-Lesungen des Landes Baden-Württemberg.
Die jährlichen Ausstellungen im Hesse Museum Gaienhofen gehören seit 2005 zu den wichtigsten Aktivitäten von FA. Die bisherigen Präsentationen hatten überwiegend einen Bodensee-Bezug, der Blick über die Grenze wird dabei nicht vergessen. Im Jubiläumsjahr lässt sich ausnahmsweise der Verein selbst feiern. Die Konstanzer Autorin Chris Inken Soppa, beim IBC für die Literatursparte zuständig, kuratiert die Ausstellung, zu der ein Begleitband mit dem Titel „weiter im text“ erscheint. Das sorgfältig von Reinhard Albers gestaltete Buch, das einen bebilderten Rückblick auf die Vereinsgeschichte mit ihren unterschiedlichen Aktivitäten bietet, geht als Jahresgabe an die Mitglieder des Vereins.
Freundeskreis für Jacob Picard
Die langjährigen monatlichen Wohnzimmerlesungen auf der Höri und neuerdings auch in Überlingen und Umgebung gehören ebenso zum Profil von FA. Deren Themen orientieren sich an den jeweiligen Referenten und stehen immer in literarischem oder biografischem Bezug zur Bodenseeregion.
Damit nicht genug: Vor rund zwanzig Jahren gründete sich auf der Höri der „Freundeskreis Jacob Picard“. Mit dabei der Malerdichter Bruno Epple, die Journalistin Anne Overlack und Manfred Bosch als Wiederentdecker des jüdischen Erzählers Jacob Picard (1883-1967). Der Kreis hat sich dem Ziel verschrieben, die Erinnerung an die von Picard geschilderten jahrhundertealten Traditionen des Landjudentums in der Region aufrecht zu erhalten und die Geschichte seiner Entrechtung und vollständigen Vernichtung zu dokumentieren. Zu diesem Ehrenamt gehört die Betreuung der Picard-Gedenkstätte im alten Rathaus von Wangen. Was das ist? Erinnerungsarbeit im besten Sinne. Das ist ein Grundgedanke, der die literarische Gesellschaft FA leitet. Daher war es naheliegend, dass sich der Freundeskreis als autonome Arbeitsgruppe unter das Dach des Vereins begab.
Exkursionen gehören zum Programm
Manfred Bosch, den Martin Walser zu Recht als „literarischen Sekretär der Region“ nannte, war einer der ersten, der sich thematisch mit dem alemannischen Landjudentum und mit Picards Werk beschäftigte. 1991 erschien im Libelle Verlag eine Werkausgabe, die der „Freundeskreis“ heute vertreibt, einige Jahre später der Band „Alemannisches Judentum. Spuren einer verlorenen Kultur“.
Wie jeder gemeinnützige Verein führt auch FA Jahreshauptversammlungen durch, in diesem Jahr am 14. Oktober im Bürgerhaus Gaienhofen mit Kuratorenführungen im Hesse Museum Gaienhofen für die Mitglieder. Um 20 Uhr findet eine öffentliche Lesung der Konstanzer Sprecherin Heinke Hartmann aus FA-Publikationen vergessener Autorinnen und Autoren statt. Auch literarische Exkursionen gehören übrigens zum Programm von FA. In diesem Jahr führte die Reise nach Vorarlberg in die Heimat des Bauerndichters und Sozialreformers Franz Michael Felder. Die Rückmeldungen der Teilnehmer klangen begeistert. Das alles heißt für den 25 Jahre alten bzw. jungen Verein: Weitermachen, „weiter im text“.
Siegmund Kopitzki, ehemaliger Redakteur dieser Zeitung, ist seit 2017 Vorsitzender von Forum Allmende. Im Herbst gibt er das Ehrenamt ab.