Cyanacrylat, Cyanoacrylat, Alkylcyanacrylat – das sind keine Dinosaurier-Namen, sondern ein Albtraum aus dem Chemieunterricht. Der Experte versteht darunter polymerisierbare Verbindungen oder auch Monomeren. Und hätte die Wissenschaft nicht auch eine primitivere, billigere, verständlichere Bezeichnung im Angebot, wären wir zurzeit um einige Schlagzeilen ärmer: Sekundenkleber.
Seit einiger Zeit machen sich nämlich junge Menschen dessen Wirkung zu Nutze, um sich im Dienste des Weltklimas an allen möglichen Orten festzukleben. Erst waren es Straßen, dann Gemälde, inzwischen trifft es auch Dirigentenpulte und Flughafen-Rollfelder.

Wo man sich in Sekundenschnelle festklebt, braucht es Stunden, um wieder freizukommen: In Gesellschaften, denen das menschliche Leben etwas gilt, ist so etwas eine ideale Voraussetzung für Protestaktionen aller Art. Und nicht die Tatsache, dass Aktivisten auf diese Idee kommen, muss überraschen, sondern dass es dafür so lange gedauert hat.
Zwei Fragen tun sich jetzt auf. Erstens: Was denkt sich wohl der Sekundenkleber bei alldem? Zweitens: Welchen raffinierten Verwendungszweck hat er uns noch verschwiegen?
16 Jahre lang geflucht
Frage Nummer eins ist leicht zu beantworten. Sollte das Cyanacryblabla ein eigenes Bewusstsein besitzen, rauft es sich angesichts der menschlichen Begriffsstutzigkeit – sofern vorhanden – die Haare. Denn es ist ja nicht das erste Mal, dass unsere Spezies seinen offen zutage liegenden Nutzen für Jahre ignoriert.
Der US-amerikanische Chemiker Harry Coover fluchte ganze 16 Jahre lang über diesen Stoff, weil dessen erhoffte reinigende Wirkung auf feine Linsen in hochempfindlichen optischen Geräten einfach nicht eintreten wollte. Immer wurde alles klebrig statt klar, jedes Mal geriet die Arbeit an den filigranen Bauteilen zur elenden Fummelei. Auch der versuchsweise Einsatz in hitzebeständigen Cockpit-Hauben geriet zum Ärgernis. Völlig unbrauchbar, das Zeug klebt ja alles binnen Sekunden fest!
Als ihm nach 16 Jahren ein Mitarbeiter beichtete, er habe wegen dieser elenden Substanz, die alles im Handumdrehen niet- und nagelfest klebt, leider ein superteures Refraktometer zerdeppert: Da vergaß Coover wegen seiner spontanen Eingebung glatt zu fragen, was zum Teufel ein Refraktometer ist. Vielleicht, so kam es ihm, liegt bei Cyranobergeralala in der nervtötenden Kleberei ja gerade der Sinn der Sache?
So ging 1958 der erste Sekundenkleber über den Ladentisch, und Harry Coover ließ sich als sein Erfinder feiern. Dabei gehört zur ganzen Wahrheit, dass er 16 Jahre benötigte, um zu begreifen, dass er den ersehnten Verkaufsschlager längst an seinen Händen kleben hatte. Und ein weiteres halbes Jahrhundert brauchten Generationen von Demonstranten, bis ihnen ein Licht aufging. Im Widerstand gegen Ordnungshüter klammerten sie sich verbissen an Leitpfosten und Laternenpfähle – nur an Sekundenkleber dachte kein Mensch.
Heute ist Alkylcyadingsbums aus dem Werkzeugkoffer eines professionellen Aktivisten nicht mehr wegzudenken. Bleibt nur Frage Nummer zwei offen: was wir an diesem Stoff noch übersehen. Ob der Kleber auch gute Laune befestigen kann oder flüchtiges Glück? In 50 Jahren wissen wir mehr.