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Herzlichen Glückwunsch, Zsuzsanna Gahse, zum Grand Prix Literatur 2019. Hatten Sie erwartet, diesen Preis zu erhalten?

Den höchsten Schweizer Literaturpreis zu erwarten, wäre leicht verwegen. Ich freue mich, seitdem ich die Nachricht kenne und freue mich auf die Preisverleihung in Bern.

Überzeugt hat die Jury Ihr Interesse „für Sprache und Wörter und die Beobachtung gesellschaftlicher Phänomene, aber auch der Sprachklang und die Tempowechsel sowie der nicht nur spielerische Witz und die Ironie“. Sind Sie einverstanden mit der Begründung?

Das ist eine schön umfangreiche Begründung, die auch meine Ziele bündelt. Und diese Begründung zeichnet gleich auch die Jury aus, die auf Tempowechsel hört und für meine Gegenwartsbeobachtungen ein Augenmerk hat. Das Jetzt, die Gesellschaft jetzt, die Umgebung jetzt sind mir ein wichtiges Anliegen.

Sie schreiben überwiegend Prosa und Lyrik. In beiden Textsorten gelten Sie als experimentierfreudig. Ihr erster wichtiger Mentor war, wie Sie selbst sagen, die „Stuttgarter Zeitung“, der Sprach-skeptiker Helmut Heißenbüttel hat Sie zum Übersetzen verführt. Sie hatten nie Lust auf ein „populäres“ und kommerziell erfolgreiches Buch?

Zwischen Prosa und Lyrik ist richtig, ebenso aber zwischen essayistischen und szenischen Texten. Das ist ein großes Spielfeld, auf dem ich viele Möglichkeiten ausloten kann, sodass es bei jedem neuen Buchprojekt quasi um etwas Neues geht. Ich bin überzeugt, dass ich so weitermachen werde. Würde ich auf den kommerziellen Erfolg setzen, wäre ich wohl gegen den eigenen Geschmack. Zur „Stuttgarter Zeitung“ sollte ich anmerken, dass sie in meiner Jugend ein Glücksfall war. Viele meiner ersten Texte sind dort im Feuilleton erschienen, daher hatte ich einen unmittelbaren Kontakt zu den Zeitungslesern. Solche Chancen gibt es heute praktisch nicht mehr.

Sie haben in Deutschland renommierte Preise erhalten, darunter auch den Bodenseeliteraturpreis der Stadt Überlingen. Bereits 2010 haben Sie den Kulturpreis des Kantons Thurgau erhalten. Nicht nur die deutschen Leser, auch die Schweizer lieben offensichtlich die Qualität Ihrer Texte?

Vielen Dank für diese freundliche Frage. „Dazu wäre noch viel zu sagen“, um mit dem berühmten Satz Helmut Heißenbüttels zu antworten. Und ja, Heißenbüttel hat mich mit einem Rundfunkauftrag trickreich zum Übersetzen gebracht. Später sagte er mir, dass er mich zur „Muttersprache zurückführen“ wollte.

Ein Teil Ihrer Arbeit gilt in der Tat Übersetzungen aus dem Ungarischen. Das war und bleibt wichtig für Sie?

Ich denke Deutsch, aber das Übersetzen, diese Wanderung zwischen den Sprachen, hat meinem Kopf gutgetan. Vor allem hatte ich das Glück, nur Autoren zu übersetzen, deren Arbeit ich wirklich schätze. Péter Esterházy oder auch Péter Nádas. Eine Herausforderung waren die Gedichte von dem hierzulande eher unbekannten Otto Tolnai. Ich glaube, dass jeder Schreibende zumindest eine Weile übersetzen sollte, schon für den eigenen Wortschatz. Inzwischen konzentriere ich mich allerdings auf das eigene Schreiben.

Sie pflegen Kontakte zu ungarischen Autoren, nehmen Sie auch die Politik der Regierung von Viktor Orbán in Ihrem Geburtsland wahr?

Natürlich verfolge ich die ungarischen Nachrichten. Betrüblich fand ich bisher den mangelnden Widerstand. Schon in meinem „Südsudelbuch“ war davon die Rede. Allmählich sehe ich aber eine bewegte Aufmerksamkeit im Schriftstellerverband des Landes, dessen Informationen ich regelmäßig erhalte.

Ihr Partner Christoph Rütimann ist Künstler, ein Mann, der auch Kakteen Töne entlocken kann. Gibt es einen künstlerischen Dialog zwischen Ihnen? So stellt man sich Künstler-Paare ja gerne vor…

So darf man sich uns vorstellen, mit Dialog. Mit dem Privileg, die gegenseitigen Arbeiten im Entstehen verfolgen zu können.

Es gibt Schriftsteller, die im Alter verstummen. Sie gehören Gott sei Dank nicht dazu. Woran arbeiten Sie momentan?

In groben Zügen ist mein nächstes Buch fertig und wird wohl im Herbst erscheinen. Außerdem habe ich eine Einladung zu Poetik-Vorlesungen in Salzburg, die ich gerade vorbereite. Auch diese Texte werden in Buchform erscheinen. Übrigens bin ich Anhängerin von Nathalie Sarraute, der großen Französin, die mit sechsundneunzig Jahren das umwerfende Buch „Aufmachen“ geschrieben hat. Mit einem solchen Vorbild muss ich noch lang durchhalten.

Fragen: Siegmund Kopitzki

Die Verleihung des Granz Prix Literatur 2019 an Zsuzsanna Gahse findet am Donnerstag, 14. Februar, um 18 Uhr in der Nationalbibliothek in Bern statt. Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter anderem Adolf Muschg und Alberto Nessi.

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