Der Rock‚n‘Roll ist nicht tot, er riecht nur stark nach scharfem Gewürz. Mit einem einzigen Song wurde die texanische Rockband Tito & Tarantula einst weltweit berühmt: mit ihrem Kurzauftritt in Robert Rodriguez‘ schräger Horror-Komödie „From Dusk Till Dawn“. In einer versoffenen Bar mitten in der mexikanischen Wüste gab sie da ihren Zombie-Blues „After Dark“ zum Besten, in einer Kaschemme, die – wie sich im weiteren Verlauf des Films herausstellte – vorzugsweise von Vampiren bevölkert ist.
In der Bodenseeregion sind die Musiker um den Sänger und Gitarristen Tito Larriva alte Bekannte: Mehrmals gastierten sie schon im Kulturladen, und auch beim Rock am See-Festival in Konstanz präsentierten sie einst (1998) ihren eigenwilligen Mix aus Blues, Rock, Psychedelic und Tex Mex-Sounds. Larriva ist gebürtiger Mexikaner, aber die angloamerikanische Rockmusik-Tradition hat er offenbar mit der Muttermilch eingesogen. Zu Deutschland hat er eine besondere Beziehung (er lebte auch einmal ein paar Jahre in Berlin), und hierzulande ist seine Band auch ganz besonders populär. Auf satte 36 Auftrittstermine bringt es seine Band 2019 in Deutschland, Österreich und der Schweiz – dies dürfte von keiner anderen amerikanischen oder britischen Band in diesem Jahr getoppt werden.
Das Publikum reist von weit her
Kein Wunder deshalb, dass der Kulturladen an diesem Abend schier aus den Nähten platzte. Über 400 Zuhörer drängten sich in den kleinen Konstanzer Club mit der großen Veranstaltungstradition, und pure Begeisterung herrschte von der ersten Minute an. Teilweise waren sie von weit hergereist, wie die Kennzeichen der Fahrzeuge, die in der Bücklestraße parkten, verrieten. Rustikaler, erdiger Wüstenrock („Bed Of Lies“, „Slippin‘ & Slidin‘“) dominiert seit jeher im Repertoire von Tito & Tarantula, und immer wieder mal gab Tito Larriva vor seinen entzückten Fans den Hendrix, entlockte seiner Gitarre psychedelische Lärmorgien und allerlei atonale Soundsplitter. Unterstützt wurde er dabei kongenial von seiner insgesamt vierköpfigen Band, in der auch seit Längerem seine Tochter Lolita Carroll Larriva (am Bass) mitspielt.
Wurzeln im Blues
„Strange Face“ eröffnete den Gig, ein perfekter, stark blueslastiger Opener, der auf das Schönste demonstrierte, wie gut Larrivas Truppe auf der aktuellen Tour eingespielt ist. Ständige personelle Wechsel kennzeichneten schon immer die Besetzung von Tito & Tarantula, derzeit scheint der Gründer und Frontmann tatsächlich einmal eine vergleichsweise stabile Formation gefunden zu haben. Ursprünglich kommt Larriva vom Punkrock her, seine erste Band, 1978 in Los Angeles gegründet, hieß The Plugz. Die Musik, die er heute macht, atmet hingegen die Weite seiner mexikanischen Heimat, der Provinz Chihuahua, wurzelt tief im Blues, im Boogie und im sogenannten Tejeno, einer Mischung aus traditioneller mexikanischer Volksmusik und US-amerikanischem Country und Rock‚n‘Roll.
Er holt Publikum auf die Bühne
„Angry Cockroaches“ beispielsweise, ein Song, der ebenfalls im Film „From Dust Till Dawn“ auftaucht und natürlich auch in Konstanz an diesem Abend im Repertoire war, ist ein wüster Midtempo-Rocker, äußerst schräg und äußerst tanzbar. Ausgelassen gingen da im Kulturladen die vorderen Reihen mit, überhaupt wurde die Band gefeiert wie selten. Sichtlich angetan holte Tito Larriva dann auch prompt ein gutes Dutzend Girls und Boys aus dem Publikum auf die Bühne, als er endlich „After Dark“ intonierte, zweifellos Höhepunkt des gesamten Sets. Die düster-bedrohliche Atmosphäre, die dieses Stück ausstrahlt, hat auch heute, über zwanzig Jahre nach seiner Entstehung, absolut nichts von seiner morbiden Faszination verloren.
Vor Lachen kein Halten mehr
Logisch, dass es dann, im Zugabenteil, ein wenig krachledern wurde: Den unverwüstlichen Tex Mex-Klassiker „La Bamba“ gaben Larriva & Kollegen unter anderem zum Besten, in einer atemberaubend kurzen Version, und unübersehbar hatten auch die Musiker da eine Menge Spaß. Frontmann Tito konnte manchmal vor Lachen gar nicht mehr weitersingen und nahm schließlich sogar seine Sonnenbrille ab, an und für sich eines seiner unverwechselbaren Markenzeichen.
Spaß ist auch das passende Stichwort, um das gesamte Konzert zu charakterisieren. Schön zu sehen, dass es immer noch Bands gibt, die live unbekümmert drauflosspielen. In einer Zeit, in der in der Rock- und Popszene Musik vorherrscht, der man das Durchkalkulierte, das streng auf den kommerziellen Erfolg hin Schielende von der ersten Sekunde an anhört, ist das etwas ungeheuer Erfrischendes.
Die Band
Tito & Tarantula gründeten sich 1992 in Los Angeles. Sänger und Gitarrist Tito Larriva hatte vorher in den Bands The Plugz, Fatima Records und The Cruzados gespielt. 1997 erschien das Debütalbum „Tarantism“, es enthielt auch den Song „After Dark“ aus dem 1996er-Film „From Dusk Till Dawn“, zu diesem Zeitpunkt bereits ein Kulthit. Auf sieben Studioalben und eine Live-CD brachte es die Band seitdem, das neueste („8 Arms To Hold You“) erschien im September 2019. (nf)