Martin Ebner

Bäcker und Metzger müssen die Herkunft ihrer Ware lückenlos nachweisen können. Der Kunsthandel dagegen ist traditionell diskret: Da wird ein Bild schon mal „auf dem Dachboden gefunden“ und unter der Hand verkauft, eine Statue vage mit dem Zusatz „aus Afrika, ca. 19. Jahrhundert“ angeboten.

Die hemdsärmeligen Zeiten gehen allerdings auch in vornehmen Verkaufsräumen zu Ende: Skandale um NS-Raubkunst sensibilisieren Kunden für Provenienzfragen, Steuerfahnder werden lästig, und Tech-Firmen versprechen neue Lösungen für Vertrauens-, Überwachungs- und überhaupt alle Probleme.

Verschärfte Vorschriften gegen Geldwäsche

Bis zum 10. Januar 2020 müssen in der EU verschärfte Vorschriften gegen Geldwäsche in nationale Gesetze umgesetzt werden, die auch den Handel mit Kulturgütern betreffen. Gestohlene Gemälde ein paar Jahre verstecken und dann legal verkaufen – dergleichen soll in Zukunft nicht mehr so leicht möglich sein. Entsprechend nimmt aber auch der Dokumentations-Aufwand zu.

Gleichzeitig wenden sich junge Sammler-Generationen von alten Bräuchen ab. Die Kunst-Versicherung Hiscox schätzt, dass von den mehr als 65 Milliarden US-Dollar, die 2018 weltweit mit Kunst umgesetzt wurden, bereits über 4,6 Milliarden auf den Online-Handel entfielen. Angst vor Fälschungen behindere jedoch eine Ausweitung der Geschäfte im Internet.

Eine Provenienz-Forscherin des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf untersucht die Herkunft eines Gemäldes von Karl ...
Eine Provenienz-Forscherin des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf untersucht die Herkunft eines Gemäldes von Karl Hofer (1878-1955). | Bild: Carsten Rehder / dpa

Käufer wollen für Kunst-Investitionen genaue Daten haben – zu Vorbesitzern, Echtheit oder Preisen ähnlicher Werke. Um Kunst als Finanzanlage oder Sicherheit für Kredite nutzen zu können, braucht es vertrauenswürdige Kunstmärkte.

Hasso Plattner zum Beispiel, einer der Gründer des Software-Konzerns SAP, fand es befremdlich, dass es Kataster für Grundstücke gibt, nicht aber für teure Werke von Picasso oder Giacometti. Zusammen mit Nanne Dekking, dem Chef der Kunstmesse Tefaf in Maastricht und New York, hat er deshalb ein öffentliches Register gegründet.

Alles kann gespeichert werden

Artory erfasst nun bereits Informationen zu mehr als 22 Millionen Kunstwerken, die von Händlern, Sammlern oder Museen gemeldet und überprüft wurden. Die Daten zu Herkunft und Besitzerwechsel werden auf Blockchain gespeichert, die Eigentümer werden ihren Objekten zugeordnet, bleiben dabei aber anonym.

Blockchain ist die Technologie, mit der weltweit rund zwei Dutzend Start-Up-Firmen den Kunsthandel revolutionieren wollen: Digitale Register, dezentral und praktisch fälschungssicher, können nicht nur Krypto-Währungen aufbewahren, sondern beliebige Daten. Also auch Urkunden, Gutachten, Versicherungsscheine, und Auktionslisten.

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Initiativen mit Namen wie ArtByte, ArtChain oder Arteia verheißen eine neue Ära der Transparenz. Digitale Kunst werde dank Blockchain überhaupt erst marktfähig, findet Leonardo Lüpertz, ein Sohn des Künstlers Markus Lüpertz und Mitbegründer des Berliner Start-Ups Yair. Kein Mensch würde Geld ausgeben für Dinge, die beliebig kopiert und verbreitet werden können.

Bei traditioneller Kunst wie Grafiken werde Knappheit künstlich durch begrenzte Auflagen hergestellt. Jetzt könne Blockchain digitale Werke sichern – und weltweit zugänglich machen.

Kunst handeln wie Aktien?

Vor Kurzem präsentierte Yair eine App, die Anteile an Kunst in Form von digitalen Münzen handelbar machen soll: ein Asset-Token für einen Euro, aufzubewahren in einem Konto für Krypto-Währungen. Damit könnte die Beteiligung an Kunstwerken so einfach werden wie Aktienhandel. Bleibt eine Schwierigkeit: Wie lassen sich Objekte eindeutig mit Blockchain-Daten verknüpfen?

Beispielsweise kann ein Zertifikat durchaus echt, das Kunstwerk aber während des Transports durch eine Fälschung ersetzt worden sein. An Lösungen dafür arbeitet 4ARTechnologies in Zug. Die „Katalogisierungs- und Transaktionsplattform“ wurde gegründet von Niko Kipouros, Investmentbanker und Kunstsammler aus Düsseldorf, und Rolf Maier aus Tuttlingen, einem der größten deutschen Versicherungsmakler.

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Die Firma Atlantic Zeiser aus Emmingen, die Sicherheitsmerkmale für Banknoten entwickelt, steuert dazu eine App bei, die derzeit getestet wird: Merkmale eines Kunstwerks, etwa Struktur, Material, Oberfläche und Farbspektrum, werden erfasst und als digitaler Fingerabdruck auf Blockchain gespeichert. Dabei fallen kleinste Beschädigungen auf, aber auch Fälschungen.

Schnelles Foto statt teures Gutachten

Bislang müssen zum Beispiel bei Leihgaben das abgebende Museum, das empfangende Museum und vielleicht auch noch die Spedition jeweils von Gutachtern teure Berichte verfassen lassen – in Zukunft soll es reichen, mit einem Smartphone ein Foto zu machen. Ehrwürdige Galerien und Auktionshäuser sind verschreckt. Auf Konferenzen bangen Kunsthändler, ob ihre Branche genauso bedroht wird wie Banken und Notare.

Umstritten ist, wie gut die neuen Technologien sind. Digitalisierung allein macht Menschen nicht besser – auch mit Blockchain lässt sich betrügen. Laien können digitale Register kaum selbst überprüfen – sie können nur wählen, ob sie lieber herkömmlichen Kunsthändlern oder hippen Software-Entwicklern vertrauen wollen.

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