Längst hat sich die Ausstellungsreihe „SingenKunst“ einen festen Platz im regionalen Geschehen der zeitgenössischen Kunst erobert und darf als erfolgreicher Klassiker im deutschen Südwesten gelten. Veranstaltet vom Kunstverein Singen und kuratiert von einer wechselnden Fachjury aus Museumsleuten und Galeristen präsentiert die „SingenKunst 2015“ in den Räumen des Kunstmuseums Singen nun bereits zum siebten Mal ein spannungsvolles Spektrum zeitaktueller Positionen künstlerischen Wirkens im westlichen Bodenseeraum.

Insgesamt 19 Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland, der angrenzenden Schweiz und Österreich, die aus dem Bodenseegebiet stammen oder heute hier tätig sind, laden mit ihren Arbeiten zu einem äußerst facettenreichen Rundgang ein, der zugleich die bemerkenswerte Bandbreite heutigen Kunstschaffens spiegelt.

Im weiten Aktionsfeld zwischen Malerei, Zeichnung, Skulptur, Fotografie, Video, Objektkunst und Installation entfaltet die Ausstellung ihre ganz eigene Dynamik, wobei die Schwerpunkte auf plastischen und installativen Arbeiten liegen. Generell prägen extreme Kontraste und anregende Wechselwirkungen das besondere Profil der Ausstellung: freie Geste trifft auf strenge Form, explosive Farbenergien auf minimalistische Ansätze, spielerische Strukturverdichtungen auf konkret Konstruktives, Figuratives auf Geometrisches, Experiment auf Konzept.

Schon vor dem Museum in der Ekkehardstraße erwartet den Besucher ein verdunkelter Container, in dessen Inneren der Objektkünstler Herbert Kopainig aus Diessenhofen unter dem Titel „Bankgeheimnis“ die Irrungen und Wirrungen der globalen Finanzwelt wie in einem Gruselkabinett aus Marionetten ebenso kritisch wie provokant inszeniert. Das Foyer des Museums wird vom Künstlerduo Bildstein/Glatz aus Hohenems bespielt, die dort eine schrill-schräge Verkaufsbude eingerichtet haben, gleichsam das allzu bunte Angebot mancher Museumsshops selbstironisch konterkarierend.

Beim Gang ins Obergeschoss fällt sogleich die monochrome Wandarbeit von Thomas Bechinger aus München/Stuttgart ins Auge, der mit einer eigens für die Ausstellung entwickelten, gestisch-expressiven Malerei temporär in den Raum interveniert und die Möglichkeiten der Wandbildkunst neu auslotet. Sehenswert ist dann das aufwendige Arrangement von 500 auf einer großen Tischplatte gestapelten, doppelseitigen Fotoblöcken, mit denen das Künstlerpaar Karl Steffen und Heidi Schön aus dem schweizerischen Schmidshof ihre Reise durch Japan in einer eigenwilligen Mixtur aus Dokumentation, Recherche und Erinnerungsobjekt in Szene setzt.

Eine wuchtige, ebenso archaische wie irritierende Apparatur von Jáchym Fleig aus dem Hunsrück schickt während des weiteren Parcours als „Doppelaggregat“ aus Beton und Gips seine fiktiven Energieströme zu monumentalen Zeichnungen von Davor Ljubicic aus Konstanz, brüchigen Himmelsleitern aus Abfallholz von Reinhard Sigle aus Deisslingen, einer berührenden Fotoserie zum Leben im Nahen Osten von Meinrad Schade aus Zürich und einer starkfarbigen Wandkonstruktion von Harald F. Müller aus Singen.

Zu den eindrucksvollsten Exponaten zählt zweifellos die wandbeherrschende „Serie Jardin 1“ von Angelika Frommherz aus Berlin. Gestickt mit schwarzem Garn auf Papier entfalten rund 100 dicht miteinander kombinierte Bildfelder die Wirkung eines zeichenhaft wuchernden Kaleidoskops von Blüten und Pflanzen. Jener Ausdruck des Filigranen und Schwerelosen wird aufgenommen vom mehrteiligen, frei im Raum hängenden Papierobjekt „PS 47/97“ mit den typisch verwitterten Oberflächen von Josef Bücheler aus Rottweil. Die flankierenden, neusachlich anmutenden Birnbaum-Fotografien von Simone Kappeler aus Frauenfeld, die dem gesteuerten Zufall verpflichteten, gestisch informellen Zeichnungen von Albert Richard Pfrieger aus Singen und die in großen Kühlschränken aufbewahrten, konservierten Fallobste und Blütenknospen von Daniel Bräg aus München runden diese Ausstellungsschnittstelle zwischen Natur und Kunst ab.

Und schließlich: Als ein Highlight der Schau darf gewiss die im zentralen Dunkelraum wirkungsvoll präsentierte Videoarbeit „Urban Layer“ von Ernst Thoma aus Stein am Rhein gelten. Collageartige Überblendungen und fließend ineinander verwobene Projektionen von Architekturkulissen und Gebäudefragmenten einer modernen Großstadt bannen, untermalt von coolen Sounds und Klängen, die Aufmerksamkeit des Betrachters. Fazit: Die Vielfalt und Qualität des Gezeigten macht deutlich, dass die Kunstschaffenden der Region „entgegen dem Klischee von der idyllischen Glasglocke Bodenseeraum“ (Katalog) ganz im Hier und Jetzt der Herausforderungen unserer Zeit agieren.

SingenKunst 2015. Kunstverein Singen im Kunstmuseum Singen. Bis 27. März. Di bis Fr 14-18, Sa/So 11-17 Uhr. Katalog: 15 Euro

Rückmeldung an den Autor geben