Seit 1901 gewannen erst vierzehn Frauen den Literaturnobelpreis. Gleichberechtigung in der Literatur? Das Forschungsprojekt #frauenzählen der AG Diversität, das sich mit der „Sichtbarkeit von Frauen im Literaturbetrieb“ beschäftigt, hat alarmierende Ergebnisse zutage gefördert: Zwei Drittel der in Medien besprochenen Bücher haben Männer verfasst. Frauen, so legt es die in Kooperation mit der Universität Rostock erarbeitete Pilotstudie nahe, werden regelrecht ignoriert, denn Kritiker schreiben überwiegend über ihre Geschlechtsgenossen. Und zwar drei Mal so oft wie über Frauen. Kritikerinnen hingegen berichten ausgewogener. In den als intellektuell oder maskulin empfundenen Genres „Sachbuch“ und „Krimi“ finden sich die größten Ungleichgewichte in den Kritiken: Auf fünf Autoren kommt nur eine Autorin.
Zoë Beck, Schriftstellerin und eine der Initiatorinnen von #frauenzählen, erklärt: „Wir lesen nach wie vor im Deutschunterricht und an der Uni hauptsächlich Literatur von Männern.“ So komme es, sagt sie, dass auch Verlage entsprechend auswählen: Männer landen eher im Hardcover und gelten somit als „große Literatur“. Frauen hingegen erscheinen häufiger in der Genreliteratur und damit meist im Taschenbuch. Aber damit nicht genug: „Die Literaturkritik bespricht vorzugsweise Hardcover und auch bei Literaturpreisen werden Hardcovertitel eingereicht. So kommt es zu dem Überhang an Männern und der damit verbundenen Auffassung, dass Männer, ihr Blick, ihre Themen wichtiger wären,“ sagt Beck
Die Autorinnen bleiben im Literaturbetrieb auf der Strecke. Frauen kaufen zwar mehr Bücher, die Entscheidungen aber treffen die Männer. In Chefetagen und in Jurys sitzen zu 80 Prozent Männer, so eine Studie der Bücherfrauen von 2010. Gleiches gilt für die Kritiker. Auf vier von Männern verfasste Kritiken kommen drei von Frauen.
Diese Konstellation ist zurzeit am Wackeln, eine Studie soll bald die neuen Zahlen offenbaren. Den Umschwung merkt man allmählich auch in der Literatur: Die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2018 listete vier Frauen und zwei Männer. Der Preis selbst ging an eine Autorin: Inger-Maria Mahlke. Liegt es an der Jury, in der ausnahmsweise Mal die Frauen mit vier zu drei in der Überzahl waren? Eine Auswirkung der #MeToo Bewegung? „Die Anzahl an feministischer Literatur ist im letzten Jahr gestiegen, sowohl im Sachbuch als auch in der Belletristik, aber es bleibt abzuwarten, ob das nicht nur eine Modewelle ist“, sagt Zoë Beck. Vielleicht steigt dann auch das Gehalt. Frauen verdienen im Schnitt 28 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
Medien prägen die Bilder der Gesellschaft. Dazu gehören auch die Vorstellungen von Geschlechtern. Das Bild, das hier entsteht, so Nina George, Schriftstellerin und Verantwortliche für #frauenzählen: „Frauen schreiben fürs Herz, Männer fürs Hirn.“



