„Penumbra“, lateinisch Halbschatten, so nennt die Malerin Anna Krammig, 1981 in Heidelberg geboren und heute in Zürich lebend, ihre aktuelle Ausstellung im Städtischen Museum Engen. In der Tat eröffnen die Gemälde von menschenleeren Innenräumen, Schattenbildungen an Hauswänden oder Blicken in dunkle Aquarien dem Betrachter faszinierende Halbwelten zwischen exakter Beobachtung der Wirklichkeit und deren Transformation in etwas Traumartiges. Hinter spiegelnden Fensterscheiben entfalten sich vieldeutige Räumlichkeiten, auf sonnenbeschienenen Fassaden scheinen riesenhafte Palmen- und Baumschatten oder Reflexe von Balkonbrüstungen ein seltsames Eigenleben zu entwickeln. Nur ganz selten agieren Figuren in den stillebenhaft anmutenden Szenerien, von denen eine gleichsam irreale Suggestivkraft ausstrahlt.
Mit präziser, fotorealistisch wirkender Malweise ist das Gezeigte auf sehr unterschiedlichen Bildformaten effekt- und stimmungsvoll in Szene gesetzt. Miniaturhafte Darstellungen werden flankiert von monumentalen Bildern und friesartigen Kompositionen. Stets handelt es sich um Ausschnitte aus größeren räumlichen Kontexten. Gerade diese Konzentration auf das Fragmentartige steigert den besonderen, geheimnisvollen Ausdruck der Werke. Krammig treibt ein raffiniertes Spiel mit Realitäts- und Wahrnehmungsebenen, mit Sehgewohnheiten. Diffuse Unschärfen von Details, Licht und Schatten wechseln mit klaren architektonischen Strukturen, feste Umrisse mit weichen malerischen Texturen.
„Welches Gewicht haben diese zwischen Erdenschwere und Himmelsleichte angesiedelten Bilder, die Gegenstände markieren, ohne sie zu begrenzen?“, fragt Museumsleiter und Kurator Velten Wagner im Katalog. Vor allem in stillen und beinahe mysteriös wirkenden Interieurs aus Bildserien wie „Alpenhof“ läuft unser Blick durch schimmernde Scheiben und perspektivische Brechungen gleichsam ins Leere, verschleifen sich die Grenzen zwischen Außen und Innen, Nähe und Ferne, Vordergrund und Bildtiefe.
„Penumbra“ – dieser Begriff entstammt ebenso der Wahrnehmungspsychologie und bezeichnet dort die weichen unscharfen Umrisse eines Schattens. Durch Schattenlinien und Lichtschemen werden die Räume und Oberflächen in Anna Krammigs Bildern selbst zu visuell-bildgestaltenden Akteuren. Uns begegnen subtil inszenierte Situationen, in denen die Zeit stehen geblieben scheint, und die mit einem unwillkürlichen Sog eine Magie der Stille und Leere beschwören.
Anna Krammig: "Penumbra" im Städtischen Museum Engen. Bis 19. November. Öffnungszeiten: Di.-Fr. 14-17, Sa.-So. 10-17 Uhr. Katalog: 14,80 Euro.Weitere Infos:www.engen.de