Auch solch verschlagene Figuren wie Schmitz und Eisenring machen Fehler: Da gehen die los, um die Welt anzuzünden, und vergessen die Streichhölzer! Die Frage ist jetzt die: Ist die Tatsache, dass Gottlieb Biedermann ihnen die Streichhölzer aushändigt, handlungsentscheidend?
Fehler nicht entscheidend
So, wie es aussieht auf der Seebühne des See-Burgtheaters in Kreuzlingen, kommt es auf den Fehler der beiden hundertprozentig amoralischen Gestalten nicht an. Sie wissen, dass sie die Zündhölzchen von ihren Opfern selbst bekommen. Das erhöht noch ihre Lust am Verderben. Adrian Furrer gibt den Biedermann von Anfang an als Nervenbündel zum Mitleiden. Alle sind nervös. Eine brennende Zigarre kann einen Großeinsatz der Feuerwehr auslösen, die bei Max Frisch die Rolle des Chors übernimmt. In der diesjährigen Inszenierung des See-Burgtheaters wird dieser Einsatz geadelt durch den roten Oldtimer der Feuerwehr Amriswil, der durchaus aus den 50er Jahren stammen könnte, als dem Schweizer Autor „Biedermann und die Brandstifter“ in den Sinn kam. So knattert es wieder mal vor den Publikumsreihen und zur Erheiterung der dort Platzgenommenen.
Wie "Jack in the Box"
Wie zwei „Jack in the Box“ erschrecken Hans-Caspar Gattiker als der Ringer Schmitz und Andrej Reimann als der Kellner Eisenring die Insassen des rosaroten Eigenheims. Peter Affentranger hat gemeinsam mit Regisseur Leopold Huber eine rosa-grün-blaue Idylle mit Tiefe hingestellt, der Joachim Steiner mit seinen Kostümen den letzten schrillen Schrei verpasst hat. Astrid Kellers Outfit als Biedermanns Gattin Babette erinnert einerseits an jene Zeit des vergangenen Jahrhunderts und andererseits an den Ehrgeiz der Trägerin, auf der Höhe der Zeit zu sein.
Verunsicherte Menschen
Es sind nicht wirklich schwache Menschen, die sich Leopold Huber für seine Biederleute ausgesucht hat. Nur ungemein verunsicherte, die auf diese zwei Kerle starren, wie das Kaninchen auf die Schlange. Wenn Biedermann auf seinem Speicher, der sich dem Publikum als zweite Bühnenebenen öffnet, den beiden gegenübersteht, dann ist er nicht verdruckst. Auch wenn er sich anbiedert, ist das keine Schleimoffensive. Er ist nur wie von Sinnen vor Schreck über die Benzinfässer, später krümmt er sich mal vor innerer Qual.
Manches klingt phrasenhaft
Leopold Huber wollte wohl – in Frischs Sinne – die Offenheit der Parabel nicht wieder mit aktuellem Inhalt verengen. Das ist sicher gut so. So wird aber auch offensichtlich, dass sich manches aus dem „Lehrstück ohne Lehre“ heute phrasenhaft anhört. Man könnte sich stellenweise mehr von Hubers bewährtem Gestaltungswillen vorstellen. Gleich in der ersten Szene kriegt man etwas Staub in die Nase. Auch Maria Lisa Hubers Rolle als Dienstmädchen Anna bleibt unterdimensioniert. Wenn sie ums Haus schleicht, weiß man nicht so recht, was sie eigentlich vorhat.
Dienstbare Hände
Sie ist die Erste, die in der Inszenierung zu sehen ist, besser, die dienstbaren Hände ihrer Anna, die von innen Lamelle für Lamelle der Biedermannschen Jalousien von äußerem Dreck reinigt. Das ist so feinsinnig komisch wie richtungsweisend. Der behelmte Chor, durch die „Chorleiter“ Erich Hufschmid und Bastian Stoltzenburg, der wegen Zuspätkommens seinen ersten Auftritt von Noah Joel Huber lesen lassen musste, im See-Burgtheater zusätzlich aufgewertet, sagt’s ja auch: Wer die Verwandlung mehr scheut als das Unheil, dem ist nicht zu helfen. Ansonsten erhöht die Feuerwehr im Seeburgpark den Spaßfaktor, der zum Sommertheater gehört.
Es knallt und zischt
Unter diese Rubrik fällt auch der pyrotechnische Einsatz am Ende, wo es schön laut knallt und zischt. Das letzte Vernehmliche ist im Hintergrund ein teuflisches Lachen. Man kann sich denken, von wem. Die Verbrecher Schmitz und Eisenring haben ihre helle Freude.
Das Publikum immerhin auch, wie es dem See-Burgtheater applaudierte. Und das ohne die musikalischen Akzente in diesem Jahr.
Nächste Vorstellungen am 14. und 17. bis 21. Juli. Karten sinder hältlich unter Tel. +41 71 6701400. Weiter Informationen:
http://www.see-burgtheater.ch
Das Stück
Biedermann und die Brandstifter ist ein Drama von Max Frisch. Der Schweizer Autor hatte es 1948 geschrieben, als in der Tschechoslowakei die Kommunisten zur Macht griffen. Das Drama handelt vom rechtschaffenen Bürger Gottlieb Biedermann, der aus Menschenfreundlichkeit zwei Obdachlose bei sich aufnimmt. Zwar weiß er, dass gerade zwei Brandstifter unterwegs sind, die sich als Hausierer getarnt bei fremden Leuten einnisten. Doch schöpft er selbst dann noch keinen Verdacht, als seine Gäste Benzinfässer anschleppen. Am Ende geht sein Haus in Flammen auf. (brg)