Was um Himmels willen hat Barnett Newmans aus monochromen Farbflächen bestehendes Gemälde „Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau?“ zu tun mit dem Liedschaffen von Hugo Wolf? Wir meinen: so gut wie nichts. Der 65-jährige Regisseur Herbert Fritsch, Spezialist in der Sparte eines sinnbefreit-quietschbunt-körperbetonten Theaters im postideologischen Zeitalter, hat sich von beidem zusammen immerhin doch inspirieren lassen zu einem Liederabend mit dem Titel „Wer hat Angst vor Hugo Wolf?“ Wobei man nach dem anderthalbstündigen Abend versucht ist, diese Frage zu beantworten mit: „Herbert Fritsch.“ Jedenfalls scheint er sich für die harmonisch und melodisch raffinierte und feinskalierte Liedkunst des Spätromantikers Wolf, der auch ein Wegbereiter der Moderne war, kaum interessiert zu haben.
Sieben Damen singen und rezitieren bei flink wechselnder Kostümierung (Bettina Helmi) – vom schwarzen Smoking über den farbsatten Zweiteiler bis zum schrillen „Geisha-Kostüm“ – einen Liederverschnitt auf Gedichttexte vor allem von Mörike und Heyse. Auf das 1966 geschaffene und danach mehrfach variierte Werk von Newman verweisen in Fritschs lichtregielich effektstark aufgebrezeltem eigenem Bühnenbild auf der Drehbühne ihrerseits nochmals drehbare Wände in Rot, Gelb und Blau.
Das Bemühen, nur ja keinen braven Wolf-Lieder-Abend zu präsentieren, resultiert in musikalischer Hinsicht in einer recht willkürlich anmutenden Auslegeordnung von der Ersatznummer über die rabiate Verfremdung bis zum Versuch einer eigenwilligen Annäherung an den Komponisten. Carsten Meyer lässt an dem gleichfalls auf der Drehbühne postierten Steinway-Flügel zum Beispiel lockeren Barpiano-Sound oder Tanzidiome hören, legt ein schlichtes Ostinato unter den Gesang, wühlt in den Saiten-Gedärmen wie in Neuer Musik mit dem großen „N“ oder traktiert die Frauen und dann das Instrument mit zwei Jazzbesen oder vollführt Geräuschmusik mit Deckel und Tastaturklappe. Und ja, streckenweise klingt es auch noch etwas nach Klavierlied-Hochkultur. Summa summarum variantenreich und professionell gemacht – aber halt beliebig.
Die Singdarstellerinnen geben sich betont Fritsch-frisch und Fritsch-frech; posieren, tanzen und staksen auf dem schwarzen Drehteller und um die (fleißig gedrehten) Wände herum als Show-Girls und sündige Vamps, Dummerchen und Gesangsdiven. Es gibt brillant gespielte Blödeleien. Aber die von Fritsch demonstrierte Liebe zum Humor bleibt manchmal unerwidert. Und es gähnt in dieser Nummernrevue überhaupt ein Sinndefizit, das alle synkopierte U-Musik und Unterleibsgymnastik, alle sich drehenden Bühnenelemente und Augenrollereien nicht wegzaubern können.
Schauspielhaus Zürich. Nächste Vorstellungen: 28.4., 30.4., 1.5., 4.5., 6.5., 8.4. und 10.5. Karten und weitere Informationen unter:
www.schauspielhaus.ch