Wer diesen Hut besitzt, kann auf den Sonnenschirm verzichten. Die ausgefallene Kreation des libanesischen Haute Couturiers Georges Hobeika war vor Kurzem bei der Pariser Fashion Week zu sehen. Sie würde sich gut auch in der Ausstellung „Hut ab!“ im Haus der Geschichte in Stuttgart machen, einer kleinen Kulturgeschichte der Kopfbedeckung.

Unter den 170 Hüten und Mützen, Kappen und Helmen finden sich so exotische Stücke wie eine Schlafmütze. Bauer Michael Hahn trug sie im 18. Jahrhundert gewiss nicht zum Spaß. Die Mütze erfüllte eine Funktion. Im unbeheizten Schlafzimmer des Bauernhofs dürfte der Landwirt in kalten Winternächten für die wärmende Nachthaube durchaus dankbar gewesen sein.

Auch eine Pickelhaube ist in der Ausstellung zu sehen.
Auch eine Pickelhaube ist in der Ausstellung zu sehen. | Bild: Haus der Geschichte BadenWürttemberg / Bernd Eidenmüller

Auch sonst dienten Hüte und Kappen keineswegs nur dem Schutz vor Sonne, Wind und Regen, wie wir erfahren. Sie waren ein wichtiges Element der Selbstdarstellung und der symbolischen Verortung ihrer Träger in der Gesellschaft. Kopfbedeckungen dienten als Erkennungszeichen für den sozialen Stand, den Beruf oder die Zugehörigkeit des jeweiligen Trägers zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe.

Kleider machen Leute, wie das Sprichwort weiß. Zur Kleiderordnung gehörten früher standardmäßig auch Hüte, Kappen und Mützen dazu. Erst die Hippies der 1960er- und 1970er-Jahre legten reihenweise die Kopfbedeckung ab. Sie machten Barhäuptigkeit in der Öffentlichkeit salonfähig. Ihre Kopfbedeckung war gewissermaßen naturgegeben: die jugendlich sprießende Haar- und Lockenpracht.

Damals in Woodstock: Hippies verzichteten gern auf Kopfbedeckungen.
Damals in Woodstock: Hippies verzichteten gern auf Kopfbedeckungen. | Bild: AP / dpa

Kopfbedeckungen konnten auch Herrschafts- und Hoheitszeichen sein. Darin unterschied sich das Kopftuch der ägyptischen Pharaonen nicht vom Federschmuck des Indianerhäuptlings, der Tschako des Polizisten nicht vom Barett des Staatsanwalts oder der in Großbritannien noch heute von Richtern getragenen Perücke.

Mit einer Kopfbedeckung konnte man seine religiöse oder weltanschauliche Identität und seine politische Einstellung bezeugen: zum Beispiel mit der Jakobinermütze oder dem Heckerhut der badischen Revolutionäre von 1848. Das galt sogar noch zur Zeit der Hippies: Wer von ihnen trotz allem auf eine Kopfbedeckung nicht verzichten wollte, der trug eine Che-Guevara-Mütze.

Polizeihelme im Wandel der Zeit.
Polizeihelme im Wandel der Zeit. | Bild: Tom Weller / dpa

„Kopfbedeckungen erzählen Geschichte und Geschichten“, sagt Paula Lutum-Lenger, die Direktorin des Stuttgarter Museums. Im Haus der Geschichte tun sie es in einer Inszenierung, die den Ausstellungsbesuch zum Schaufensterbummel macht. 44 farbig gestaltete, an Ladenauslagen erinnernde Vitrinen reihen sich zu einer Art Flaniermeile aneinander.

In den Vitrinen finden sich Kopfbedeckungen aus allen Lebensbereichen: religiöse wie eine Mitra, militärische gleich einer preußischen Pickelhaube, auch akademische Hüte wie das Barett des Philosophie-Professors Hegel. Selbst Geistesheroen sind nicht oben ohne unterwegs, wie Schillers Reisehut bezeugt.

Auf dem Kopf entsteht Identität

Identität stiftende Funktion haben Kopfbedeckungen bis heute zumal in bestimmten Berufen oder als Folklore in verschiedenen Regionen. Der Schlapphut der Zimmerleute ist das charakteristische Utensil auch einer ganz anderen Berufsgruppe: des Geheimdienstlers. Darüber, dass der Schwarzwälder Bollenhut schwäbische Wurzeln haben soll, wie das Museum vielsagend andeutet, dürfte der wahre badische Patriot freilich nur lachen.

Auch der Bollenhut kommt in Stuttgart zu Ehren.
Auch der Bollenhut kommt in Stuttgart zu Ehren. | Bild: Tom Weller / dpa

Natürlich kann eine Ausstellung nicht annähernd die Vielfalt an Typen und Gattungen ausbreiten. Schmerzlich etwa vermissen wir so markante Kopfbedeckungen wie den Helm der Schweizergarde – oder den Hoody, eine Art über den Rücken erweiterte Haube.

Für den Modeschöpfer Christian Dior war die Kopfbedeckung die „beste Art und Weise, seiner Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen“. Nicht von ungefähr ist unser Bild berühmter Personen unauslöschlich mit ihrer Kopfbedeckung verknüpft. Charlie Chaplin ohne Bowler? Undenkbar. Konrad Adenauer trug Homburger, Winston Churchill Zylinder oder Melone.

Der sogenannte Pussyhat hat eine politische Botschaft – Frauen tragen die Mütze als Symbol gegen Sexismus.
Der sogenannte Pussyhat hat eine politische Botschaft – Frauen tragen die Mütze als Symbol gegen Sexismus. | Bild: Haus der Geschichte BadenWürttemberg / Bernd Eidenmüller

Michail Gorbatschow verbarg das Spiegelei auf seinem Haupt unter einem eleganten Fedora. Helmut Schmidt wiederum wurde privat häufig mit Elbsegler gesichtet. Auch die Unterhaltungsindustrie setzt auf das markante Erkennungszeichen von Hut und Mütze: von DJ Ötzi bis Udo Lindenberg.

Die am weitesten verbreitete Kopfbedeckung der Gegenwart, weiß die Schau, ist die Baseballkappe. Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, ist sie insbesondere bei Jugendlichen beliebt. Als Schlusspunkt bietet die Stuttgarter Präsentation eine kleine Modenschau mit Hutkreationen der vergangenen Jahre – von elegant bis extravagant.

Die Ausstellung „Hut ab!“ läuft noch bis zum 2. August 2020 im Haus der Geschichte Baden-Würt­tem­berg in Stutt­gart. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr. Weitere Informationen finden Sie hier.