Frau De Paepe, wenn ich richtig gezählt habe, ist das jetzt die 13. Restaurierungskampagne des Isenheimer Altars. Die letzte liegt gerade mal sieben Jahre zurück. Was genau ist der Anlass?

Seit 1794 gab es in der Tat 13 Kampagnen, die sich entweder auf die Skulpturen oder die Gemälde bezogen. Die letzte im Jahre 2011 war der Beginn einer vollständigen Restaurierung des Altars, die mit der Ausdünnung der Lacke bei der „Versuchung des Heiligen Antonius“ begonnen hatte. Die aktuelle Restaurierung ist die erste, die die gesamten Gemälde, die Rahmen und die Skulpturen berücksichtigt. Die Restauratoren beider Gruppen – Malerei und Skulptur – arbeiten zusammen, was möglicherweise zu schönen Entdeckungen führt, zum Beispiel dem Beweis, dass die Maler der Bildtafeln auch die Rahmen und die Skulpturen farbig gefasst haben.

Bei der letzten Kampagne gab es Kritik. Die Arbeiten seien nicht wissenschaftlich begleitet worden. Ist das Problem gelöst?

Beim letzten Mal wurde alles nach den Regeln gemacht: Vorgelagerte Studien und Analysen, ein wissenschaftliches Komitee und eine Vereinbarung mit dem regionalen Restaurierungskomittee. Die kritischen Stimmen bezogen sich auf die Schnelligkeit der Operation – die durch die Art der verwendeten Lösungsmittel erklärt werden kann. Außerdem auf die Tatsache, dass die zuständige Schongauergesellschaft, ein Verein, keine öffentliche Ausschreibung durchgeführt habe. Hierzu ist sie aber auch nicht verpflichtet. Heute stehen wir vor einem ganz anderen Projekt: Es handelt sich um die Restaurierung des gesamten Altars und nicht nur der Bildtafeln und das Team ist deshalb viel größer. Das wissenschaftliche Komitee ist um die Experten für Bildhauerei gewachsen.

Als die Sixtinische Kapelle in Rom aufgefrischt wurde, gab es einen Aufschrei. Zu frisch und zu hell erschienen die Farben. Was dürfen wir vom Isenheimer Altar erwarten?

Die Skulpturen werden ihre Brillanz wiedererlangen, die Fassungen werden ihre ursprüngliche Farbigkeit kontrastierender als heute zeigen und die Farben der Bildtafeln werden der ursprünglichen Palette von Grünewald näher kommen, ohne ihren historischen Charakter zu verleugnen, da es alter Lack bleiben wird.

Wir wissen bisher wenig über Grünewald. Verraten eventuell die Restaurierungsarbeiten etwas mehr über den Künstler?

Die Ausstellungen von 2007 und 2008 in Colmar, Karlsruhe und Berlin haben uns bereits viel Neues über den Maler erfahren lassen. Durch unsere Restaurierungskampagne erfahren wir vielleicht nicht viel über den Maler, aber sicherlich über die Art und Weise, wie er mit dem Bildhauer zusammengearbeitet hat.

Der Altar wird dem Publikum vermutlich nur als Fragment zugänglich sein?

Von den drei verschiedenen Ansichten, die heute das Altarbild bilden, werden immer zwei während der Restaurierungskampagne sichtbar sein. Welche das sind, zeigt ein Kalender auf der Museums-Website. Einige Tafeln werden im Februar 2019 restauriert sein und die Kampagne wird im Mai fortgesetzt. Die Restaurationen werden öffentlich – hinter Glaswänden – stattfinden. Die Besucher haben die Chance, einige Tafeln und Skulpturen anders zu sehen als gewohnt sind – die Figuren zum Beispiel werden ebenerdig präsentiert. Während der Kampagnen werden zudem Informationsveranstaltungen und Begegnungen zwischen der Öffentlichkeit und den Restauratoren stattfinden.

Welcher Gedanken steckt dahinter, die Restaurierungsarbeiten öffentlich durchführen zu lassen?

Dahinter steckt der Wunsch nach Transparenz der Maßnahmen, vor allem aber der Wunsch, der Öffentlichkeit die Herausforderungen einer Restaurierung zu erklären und ihre Emotionen bei der ewigen Wiederentdeckung eines Meisterwerks zu teilen.

Sie nehmen viel Geld in die Hand. Gab es auch von deutscher Seite pekuniäre und/oder wissenschaftliche Unterstützung?

Die Gesamtkosten für diese beträchtliche Arbeit sind in der Tat sehr hoch – voraussichtlich 1,2 Millionen Euro. Es gibt wertvolle wissenschaftliche Unterstützung von deutschen Konservatoren und Restauratoren. Finanzielle Unterstützung erwarten wir durch die Crowdfunding-Kampagne. Sie wird die Verbundenheit der Deutschen mit dem Isenheimer Altar zeigen.

Die Kampagne soll in vier Jahren beendet sein – wird das auch gebührend gewürdigt?

Die Restaurierungsarbeiten werden in einer Ausstellung mit Fotos, Graphiken, Dokumenten gezeigt. Außerdem gibt es einen repräsentativen Katalog.

Fragen: Siegmund Kopitzki

 

Zur Person

Pantxika De Paepe wurde 1958 im französischen Bayonne geboren. Nach dem Studium der Kunstgeschichte in Bordeaux und Paris und Tätigkeiten als Kuratorin, wurde sie 1988 in das Musée Unterlinden nach Colmar berufen, wo sie für die mittelalterliche Sammlung verantwortlich war. Es folgte ein Interregnum als Konservatorin am Museum Bocher-de-Partes in Abbeville, seit 2004 bekleidet sie das Direktorenamt am Musée Unterlinden, zugleich ist De Paepe Chefkonservatorin des Hauses. (opi)

Musée Unterlinden (Frankreich). Place Unterlinden, 68000 Colmar. Öffnungszeiten: Mi bis Mo 9-18 Uhr, erster Do des Monats 9-20 Uhr. Im Netz: www.musee-unterlinden.com

 
 
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