Manch einer in Konstanz hat sich schon darüber geärgert, dass Peter Lenks Konzils-Kurtisane „Imperia“ inzwischen häufiger auf Postkarten zu sehen ist als das eigentliche Konstanzer Wahrzeichen, das Münster. Aber so ist das eben, nackte oder halbnackte Figuren erregen einfach die größere Aufmerksamkeit. Und sorgen in Peter Lenks Plastiken auch immer wieder für kleinere und mittelgroße Skandale.
 

Das ist auch so gewollt. Die dreidimensionalen Karikaturen erzählen mit drastischen Mitteln Geschichte und Geschichten und entblößen ganz buchstäblich Politik und Establishment. Zum Vorwurf, das sei obszön, sagte Peter Lenk einmal: „Ein nackter Mensch ist nicht obszön, obszön ist die Politik“.

Peter Lenks Skulpturen bilden einen unübersehbaren Bestandteil der Bodenseeregion. Daher haben wir Kulturschaffende, Initiatoren, Politiker, Wegbegleiter und Betroffene um Stellungnahmen zum Lenk-Werk in ihrer Stadt gebeten.

 

Zur Person

Peter Lenk wurde am 6. Juni 1947 in Nürnberg geboren. Er studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und arbeitet zunächst als Kunstlehrer und Töpfer. Da er sich weigerte Noten zu geben, konnte er den Beruf nicht weiter ausüben. Er zog an den Bodensee, wo er seit Jahrzehnten in Bodman-Ludwigshafen lebt. Seine satirischen Plastiken, die häufig bekannte Politiker, aber auch historische Figuren oder lokale Größen zeigen, erregen überall in Deutschland Aufsehen. (esd)

  • Die Städtische Galerie Fauler Pelz Überlingen zeigt bis zum 15. Oktober eine große Ausstellung mit Peter Lenks Arbeiten von den 1980er-Jahren bis heute. Zu sehen sind rund 60 Skulpturen und Entwürfe aus allen Schaffensphasen, darunter zahlreiche Einzelfiguren und Details.

Vis-a-Vis mit der Imperia

Da bleibt Raum für Interpretationen

Die diebische Freude des Satirikers

Peter Lenk erinnert uns an uns selbst

Ein Manifest der Zuneigung

Der Superstarder Medizin

Die paradiesische Größe Singens

Ich erinnere mich noch ganz genau als ich zum ersten Mal in Konstanz meinen heliumgefüllten Kameraballon hautnah an der Skulptur der Imperia emporgleiten ließ. Dabei blickte ich durch meine Videobrille und konnte live sehen, was meine unter dem Ballon hängende Kamera in diesem Moment aufzeichnete. Quasi auf Tuchfühlung mit dem Gesicht und dem Dekolleté der Dame eröffnete sich mir die ganze Pracht der Formensprache, die der Bildhauer hier grandios zum Ausdruck brachte – ein Meisterwerk! Ich war einfach nur überwältigt!

Achim Mende, Fotograf

Der Jungbrunnen im Seepark Pfullendorf von Peter Lenk zeigt unseren Vater Lennart Graf Bernadotte als bestäubenden Schmetterling und lässt schmunzelnd Raum zur Interpretation. Wir sehen darin vor allem seine Schaffenskraft in Bezug auf die Blumeninsel Mainau, denn seine Leistung als Parkgestalter einer der wichtigsten touristischen Attraktionen am internationalen Bodensee ist sein Lebenswerk.

Bettina Gräfin und Björn Graf Bernadotte, Geschäftsführer Mainau GmbH

Als ich davon erfuhr, dass Peter Lenk für seine Gemeinde Bodman-Ludwigshafen ein Relief fertigen sollte, dachte ich mir „Na, das wird ja auch Zeit“. Besonders geehrt fühlte ich mich, dass ich an der Arbeit an "Ludwigs Erben" teilhaben durfte. Denn Lenks Kraft, gegen den Sumpf eines zufriedenen Bürgertums aufzubegehren, und die diebische Freude des Satirikers sind für mich einzigartig. Dass dieses Relief (übrigens am Toilettenhäuschen vom Zollhaus angebracht) heute ein Anziehungspunkt für Touristen ist, haben Lenks Kritiker wohl nicht geahnt.

Ingo Lenßen, Rechtsanwalt

Die größte Angst, die uns Peter Lenk macht: Er erinnert uns an unser Selbst. Seine Figuren blicken selbstgefällig und träge in die Welt.

Ausgeliefert sind wir der Nacktheit: die Schenkel weit auseinander gebreitet liegt es da, das Geschlecht, vergangen ist die Lust und stattdessen hat uns die Völlerei eines besseren belehrt: was nutzen alle Ideale, wenn man keine hat? Lenks Triumphbogen wird von lenkradumfassenden Säuglingen und anderen Autofahrern umrahmt. Sie spucken uns an, sie kotzen uns an.Christoph Nix, Intendant des Theater Konstanz

Kaum sonstwo wird einem lebenden Literaten von Rang vergleichbar imposant die Ehre eines Reiterstandbildes gewährt! Der Protagonist ruht alemannisch gelassen in sich selbst, hält die Zügel in der Hand und ist gewitzt genug, sich schon Schlittschuhe umzuschnallen. Wenn die Mähre in den eisigen Fluten versinkt, wird er noch immer seine Pirouetten mit feinem Schliff drehen. Für mich, lieber Martin Walser, stand Lenks Bodenseereiter stets als ein Manifest von Zuneigung dem Schriftsteller gegenüber.

Michael F. Walz, Kunsthistoriker und Publizist

Erhaben, majestätisch und mit einem Blick, der selbst leicht hypnotisiert wirkt, hält der Franz-Anton Mesmer, der Erfinder des animalischen Magnetismus einen einfachen Hufeisenmagneten über den See. Wie immer bei Peter Lenks Figuren sehe ich eine geradezu geniale Einfachheit, die spitzfindiger dennoch nicht sein könnte. Denn die Magische Säule zeigt den Superstar der Medizin des 18. Jahrhunderts in seiner ganzen Bedeutung ebenso wie seinem tragischen Irrtum einer pseudo-wissenschaftlichen Theorie.

Christine Johner, Leiterin Kultur & Museen Meersburg

Jahrelang habe ich mit einem kleinen Freundeskreis versucht, Peter Lenk für Singen zu gewinnen. Unsere Hartnäckigkeit hat dann doch noch zum Erfolg geführt. Warum Lenk einen Paradiesbaum in Singen installiert hat, ist bis heute nicht exakt geklärt. Ich denke, dass Lenk uns als junge Stadt, ohne Papst, ohne Herzog, ohne Bundeskanzlerin, Mut machen wollte, weiterhin strebsam und erfolgreich zu sein, um uns als ehemaligen, einseitigem Industrie-Standort zu „paradiesischer Größe“ zu entwickeln.

Helmut F. Wessendorf, Handelsverband Singen