1. Theater ist live. Als Mitte der 90er-Jahre der Hollywood-Regisseur Steven Spielberg scheinbar echte Dinosaurier über die Leinwand stapfen ließ, staunten wir noch Bauklötze. Heute sind künstlich erschaffene Monster und Wirbelstürme längst Teil unseres digitalen Alltags geworden. Die Faszination liegt deshalb längst schon wieder in der Besonderheit des Analogen: einen Menschen dabei zu beobachten, wie er auf den Punkt eine große Leistung vollbringt. Zu wissen, dass dabei jederzeit etwas völlig Unerwartetes geschehen kann. Und ich als Zuschauer vielleicht sogar plötzlich zum Teil der Handlung werde.

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2. Theater ist authentisch. Schalten Sie bei einer gewöhnlichen Fernsehserie doch einfach mal den Ton ab: Sie werden sich wundern, wie übertrieben Ihnen die Mimik und Gestik vorkommt. Dieses Augenrollen, dieses Händefuchteln! Schuld daran ist die Fernbedienung: Seit es sie gibt, haben sich die Produzenten von Fernsehfilmen angewöhnt, nur noch Höhepunkte aneinander zu reihen. Damit niemand wegzappt. Das Leben besteht aber nicht nur aus Höhepunkten. Im Theater kann man nicht wegzappen, nur weglaufen. Das ist schwieriger. Deshalb trauen sich Regisseure noch, ihrem Publikum das wirkliche Leben zu zeigen.

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3. Theater erklärt Ihnen Ihr eigenes Leben. Jedenfalls sollten Sie mit keinem geringeren Anspruch hineingehen. Ein Stück wie Shakespeares „Macbeth“ zum Beispiel wird ja nicht deshalb immer wieder gespielt, damit sich alle so schön über den Tyrannen empören. Nein, vielmehr wird ein guter Regisseur anstreben, Sie mit der Erkenntnis zu konfrontieren: Macbeth, das bin ja ich! Haben Sie erst einmal erkannt, wie viel vom bösen Tyrannen in Ihnen selbst steckt, werden Sie im wirklichen Leben vorsichtiger über andere Menschen urteilen.

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4. Theater ist immer neu. Sie haben „Macbeth“ schon einmal gesehen? Macht nichts! Damals schien es Ihnen, als sei Macbeth mehr Opfer als Täter, weil er nur ausführt, was andere von ihm erwarten. In einer anderen Inszenierung kann es plötzlich geschehen, dass sich Ihnen dieser Opfermythos bloß als bequeme Ausrede entpuppt. Ein gutes Theaterstück zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass es auf ganz unterschiedliche Weise gleichermaßen wahr sein kann.

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5. Im Theater gibt es noch Kontroversen. Bei Konzerten, ganz gleich ob Klassik oder Pop, ist es ja so: War die Darbietung gut, gibt es stürmischen Beifall. War sie schlecht, fällt der Beifall freundlich aus. Und war sie unterirdisch, ist er höflich. Ganz anders im Theater. Da wird gebuht, was das Zeug hält, wenn eine Vorstellung nicht gefällt. Das liegt daran, dass es hier noch um was geht. Sich in Macbeth selbst zu erkennen, kann ganz schön verstören. Das gilt erst recht, wenn er nackt über die Bühne rennt und sich dabei mit Farbe einsaut. Haben Sie keine Hemmungen, Ihre Meinung kundzutun: Im Theater gehört das noch dazu.

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