Vor dem Museum zu Allerheiligen ragt ein Bock empor. Das Wappentier Schaffhausens steht auf den Hinterfüßen; den Kopf und das Geweih wie zum Angriff aufgerichtet. Die Position gibt den Blick auf pralle, goldgefärbte Hoden frei. Auch Hörner und Hufen glänzen gülden. Das Museum zeigt, das war nicht immer so. Anfangs erhob sich der Bock lediglich in tristem Schwarz. Was ist also die Geschichte hinter dem goldverzierten Hammel?
Söldner kämpfen für goldene Hoden
Schweizer Söldner erwarben das Privileg diese Trias der „goldenen Männlichkeit“ aus Hufen, Hörnern und Hoden derart hervorzuheben in den Mailänder Kriegen zu Beginn des 16. Jahrhundert, skizziert Daniel Grütter die Ausgangssituation für die Prunkhoden.

Der Archäologe und Kunsthistoriker ist Kurator am Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen. Von diesem ehemaligen Benediktinerkloster aus nahm die Geschichte Schaffhausens und des Bocks mit den vergoldeten Kronjuwelen seinen Anfang.
Münzen machen den Bock zum Wappentier
Der älteste Beleg der Siedlung reiche ins Jahr 1045, fährt Grütter fort. König Heinrich III. verlieh der Siedlung Scafhusun der Herren von Nellenburg das Münzrecht. Husun bedeute bei den Häusern, erklärt der Historiker, wofür Scaf stehe, könne man nicht mit letzter Gewissheit sagen. Doch die Geschichte traf eine Entscheidung: Die Münzprägung des 11. und 12. Jahrhundert prägte einen Schafsbock auf die Rückseite der städtischen Währung – „damit begann der Bock seinen Siegeszug als Wappentier“.
So zierte er auch die Banner der Schaffhauser Söldner, als sie noch mit dunklem Wappenbock mit weiteren Truppen der Eidgenossenschaft in der Lombardei gegen die Franzosen zu Felde zogen. 1501 war Schaffhausen dem Bündnis beigetreten. 1505 unterschrieben zwölf Städte des Schweizer Bundes, ein Soldvertrag mit Papst Julius II.
Es war die Geburtsstunde der Schweizergarde, die bis heute den Papst beschützt.
Der Dank des Papstes
Die gekauften Kompanien entsandte Papst Julius alsbald gegen die Franzosen. Die hatten das für die katholische Kirche so wichtige Herzogtum Mailand mit seiner kolossalen Kathedrale erobert. 1512 schlugen die päpstlichen Krieger in der Schlacht von Pavia die französischen Truppe schließlich zurück. Zum Dank verlieh der Pontifex den Schweizer Söldnern den Titel „Beschützer der Freiheit der Kirche“.
Die Schaffhauser erhielten zudem das Recht, die Zeichen männlicher Potenz ihres Wappens in der Farbe des Himmlischen und Göttlichen einzufärben – in Gold. Nicht nur malten viele Renaissancekünstler ihre Heiligenszenen auf Goldgrund, auch wurden männlichen Geschlechtsmerkmale mit sogenannten Schamkapseln zusätzlich hervorgehoben, beschreibt Kurator Grütter die historische Bedeutung des göttlich goldenen Gemächts.

Trotz dessen sich Schaffhausen 1529 zur Reformation bekannte, war man stolz auf das päpstliche Privileg, erläutert Grütter. Bis heute wollen die Fans des FC Schaffhausen das Potenzial ihres Klubs in den goldenen Hoden symbolisiert sehen, wenn sie ihren Schachtruf singen: „Mir hend de Bock mit de goldige Höde!“
Dieser Artikel wurde erstmals am 16. September 2023 veröffentlicht.