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Was/wer ist ein Grenzgänger?
Grenzgänger oder Grenzpendler – das sind zwei Begriffe, die das deutsche Steuerrecht für Menschen vorsieht, die in einem Land wohnen und in einem anderen arbeiten. Durch das sogenannte Personenverkehrsabkommen dürfen sich laut dem Serviceportal Baden-Württemberg Angehörige von Staaten der Europäischen Union und der Schweiz frei bewegen und auch wirtschaftlich betätigen.
Was ist der Unterschied zwischen einem Grenzgänger und einem Grenzpendler?
Wie viele Deutsche arbeiten in der Schweiz?
Während laut einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit nur rund 700 Menschen mit Wohnsitz in der Schweiz zum Job nach Deutschland pendeln, sind es umgekehrt mehr als 50.000 Grenzgänger, die von höheren Löhnen profitieren und ihrer täglichen Arbeit in der Schweiz nachgehen. Insbesondere in den deutschen Landkreisen Waldshut und Lörrach, die am Hochrhein direkt an Schweizer Kantone grenzen, ist die Anzahl der Grenzgänger hoch. Von Deutschland in die Schweiz pendelten 2020 laut Statistik der Wirtschaftsregion Südwest im Landkreis Lörrach 21.841 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sowie 14.668 aus dem Landkreis Waldshut.
Hier arbeitet jeder Dritte in der Schweiz (Stand: 2021)
Mancherorts, zum Beispiel in Hohentengen (38,2 Prozent), Dettighofen (36,7 Prozent), Inzlingen (37,5 Prozent), Lauchringen (35,9 Prozent) oder Grenzach-Wyhlen (35 Prozent) ist sogar mehr als jeder Dritte ein Berufspendler zwischen Deutschland und der Schweiz.
Konstanz hat die meisten Grenzgänger
Auch aus der Bodenseeregion fahren laut Statistikplattform Bodensee täglich 13.586 Grenzgänger von ihrem Wohnort in Deutschland zu ihrer Arbeitsstelle in der grenznahen Schweiz. Die meisten Grenzgänger vom Bodensee wohnen im Landkreis Konstanz. Während Lörracher und Waldshuter hauptsächlich Städte und Gemeinden in den Kantonen Basel Stadt, Aargau und Basel-Land als Arbeitsorte anfahren, arbeiten Grenzgänger vom Bodensee am häufigsten im Kanton Zürich, Kanton Thurgau oder Kanton Schaffhausen.
Wie wird man Grenzgänger?
Anmeldung beim Kanton und Grenzgängerbewilligung
Sobald man einen Job in der Schweiz gefunden und den Arbeitsvertrag unterschrieben hat, meldet der neue Schweizer Arbeitgeber den Grenzgänger beim jeweiligen Kanton an. Dieser erhält dann eine sogenannte „Grenzgängerbewilligung“ in Form des „Ausländerausweis G“. Der G-Ausweis ist bei Erstausstellung in der Regel für ein bis fünf Jahre gültig, innerhalb des jeweiligen Kantons.
Ansässigkeitsbescheinigung beantragen
Als frisch gebackener Grenzgänger muss man dann außerdem eine Ansässigkeitsbescheinigung beim deutschen Finanzamt beantragen, denn mit Wohnort in Deutschland bleiben Grenzgänger in Deutschland steuerpflichtig. Lediglich eine Quellensteuer in Höhe von 4,5 Prozent wird vom Bruttolohn abgezogen, an das Schweizer Finanzamt entrichtet und später bei der deutschen Einkommenssteuererklärung gegengerechnet.
Doppelbesteuerungsabkommen
Durch das sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen müssen offizielle Grenzgänger nicht mehr Steuern bezahlen als andere steuerpflichtige Deutsche. Zu diesem Zweck erhalten Grenzgänger zwischen Deutschland und der Schweiz die Ansässigkeitsbescheinigung vom Finanzamt in dreifacher Ausfertigung: Eine für den Schweizer Arbeitgeber, eine für das Finanzamt des Schweizer Kantons, in welchem die Beschäftigung stattfindet, und eine für die eigenen Unterlagen.
Welche Steuern Grenzgänger in der Schweiz zahlen
Die Vorteile des Grenzgänger-Status
Grenzgänger zwischen Deutschland und der Schweiz zu sein, bietet einige Vorteile: Während die süddeutsche Region eher ländlich geprägt ist, bietet die grenznahe deutschsprachige Schweiz auf engstem Raum gleich mehrere Ballungsräume mit Industrie, Handel, Bildungsangebot und Innovationskraft – und damit ein vielfältiges Jobangebot. Und das Beste: Die Wege nach Basel, Zürich oder St. Gallen sind in der insgesamt eher kleinen Schweiz nicht allzu weit.
Höheres Lohnniveau
Ein weiterer Vorteil für deutsche Grenzgänger in der Schweiz ist das höhere Lohnniveau bei gleichzeitig niedrigeren Lebenshaltungskosten in Deutschland: Eine Studie des schweizerischen Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zeigt, dass Grenzgänger in der Ostschweiz ein monatliches Durchschnittseinkommen von rund 7500 Franken (circa 6850 Euro) verdienen, während es in der Nord- und Nordwestschweiz, also in den Basler Kantonen und dem Aargau sogar rund 8000 Franken (circa 7300 Euro) Bruttoeinkommen sind. Zum Vergleich: In Deutschland betrug das Durchschnittseinkommen eines Vollzeitbeschäftigten 2020 laut Online-Statistik-Portal Statista rund 3975 Euro.
Die Schweiz profitiert von Fachkräften
Aber Grenzgänger haben nicht nur selbst Vorteile, sie bieten auch der Schweiz Vorteile: Speziell durch Fachkräftemangel hat sich der Anteil der Grenzgänger laut dem Schweizer Bundesamt für Statistik von 1996 bis 2020 deshalb fast verdoppelt: Waren es Mitte der 1990er-Jahre noch rund 140.000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger mit Wohnsitz im Ausland und Beschäftigung in der Schweiz, waren es 2020 bereits 343.000 – und damit 6,7 Prozent der gesamten Erwerbstätigen. Die meisten kamen aus Frankreich (55 Prozent), gefolgt von Italien (23 Prozent). Nur 18 Prozent aller Grenzgänger in der Schweiz wohnen im grenznahen Deutschland.
Welche Nachteile gibt es?
Ob bei den Steuern oder Sozialversicherungen – für Grenzgänger-Neulinge ändert sich jede Menge. Und besonders am Anfang ist es gar nicht so einfach, sich einen Überblick zu verschaffen: Was macht das Arbeiten in der Schweiz aus? Was gilt in Deutschland, was in der Schweiz? Und was muss ich als Grenzgänger beachten?
Mehr Arbeit, weniger Urlaub?
Auch wenn höhere Gehälter und vielseitige Jobchancen winken, lauern im Grenzgänger-Alltag versteckte Nachteile. Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz arbeiten Vollzeitbeschäftigte im Durchschnitt rund 41 Wochenstunden, in der Schweiz mit 41,7 Stunden tendenziell etwas mehr. Doch weniger Urlaubstage sind für Arbeitnehmer in der Schweiz die Regel: Während das deutsche Bundesurlaubsgesetz für Vollzeitkräfte mindestens 24 Urlaubstage pro Jahr vorschreibt, sind es in der Schweiz nur 20 Tage Mindestferienanspruch. Je nach Schweizer Arbeitgeber sind aber mehr Tage im Arbeitsvertrag festgehalten – genau hinschauen lohnt sich!
Pendeln kostet Zeit
Auch das tägliche Pendeln von Deutschland in die Schweiz sollte man nicht unterschätzen. Je nach deutschem Wohnort und Verkehrssituation kann ein Job in Basel, Zürich oder St. Gallen täglich 60 bis 90 Minuten Fahrt pro Strecke bedeuten. Wohnt man beispielsweise in Waldshut und pendelt nach Basel, ist der Zug entlang der Hochrheinstrecke die beste Wahl – mit dem Inter-Regio-Express (IRE) dauert die Fahrt bis zum Badischen Bahnhof ohne Umsteigen 34 Minuten. Arbeitet man als Waldshuter etwa in der Innenstadt von Zürich, braucht man mit dem Zug bis zum Hauptbahnhof rund eine Stunde, mit dem flexibleren Auto, je nach Verkehrssituation, pro Weg auch mal bis zu 90 Minuten.
Was ändert sich als Grenzgänger?
Steuern
Einkommenssteuer zahlt der Deutschland-Schweiz-Grenzgänger zwar weiterhin in Deutschland, allerdings wird diese nicht mehr automatisch jeden Monat vom Bruttolohn abgezogen. Grenzgänger werden vor dem Steuerrecht wie Selbstständige behandelt und sind verpflichtet, alle drei Monate, also quartalsweise, Einkommenssteuer-Vorauszahlungen zu leisten. Die Vorauszahlungssummen müssen von Grenzgängern aktiv mit einem Formular beim Finanzamt veranlasst werden. Die Summen werden vom deutschen Finanzamt auf Basis des voraussichtlichen Lohnes und des Familienstandes berechnet und sind jeweils am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember fällig.
Aber Achtung: Auf einen Großteil der Grenzgänger kommen Jahr für Jahr durch Wechselkursschwankungen fette Steuer-Nachzahlungen zu. Deshalb empfiehlt es sich jeden Monat rund 30 Prozent des Bruttogehalts auf ein Tagesgeldkonto zu zahlen, um auf die Vorauszahlungen und die eventuelle Nachzahlung vorbereitet zu sein.
Weitere Informationen:
Welche Steuern Grenzgänger in der Schweiz zahlen
Versicherung
Auch die Versicherungs-Situation ist für Grenzgänger zwischen Deutschland und der Schweiz eine andere. Wer seine Tätigkeit in der Schweiz ausübt, ist in der Schweiz sozialversicherungspflichtig. Die Beiträge zur Sozialversicherung werden direkt vom Bruttoeinkommen abgezogen und vom Arbeitgeber bezuschusst. Anders ist es bei der Krankenversicherung: Hier haben Grenzgänger ein Optionsrecht zwischen deutschen, schweizerischen und Kombinationsangeboten. Sie müssen sich selbst um eine entsprechende Versicherung kümmern und diese selbst zahlen. Es gilt darauf zu achten, dass Arztbesuche in beiden Ländern ohne zu hohe Mehrkosten möglich sind – schließlich verbringen deutsche Grenzgänger einen Großteil ihrer Zeit in der Schweiz.
Grenzgänger-Experten empfehlen, alle bestehenden Versicherungen durch einen Experten prüfen zu lassen.
Folgenden Fragen sollte man sich widmen:
- Deckt meine Haftpflichtversicherung auch von mir verursachte Schäden in der Schweiz ab?
- Zahlt meine Rechtsschutzversicherung auch Streitigkeiten in der Schweiz?
- Alle Versicherungen sollten an den neuen Lebensalltag als Grenzgänger angepasst werden.
Im Zweifelsfall bieten zahlreiche Beratungsstellen, Versicherungsexperten und Juristen am Hochrhein und in der Bodenseeregion Beratungen für Grenzgänger zwischen Deutschland und der Schweiz an.
Was ist in der Corona-Pandemie zu beachten?
Hohe Inzidenzwerte, volle Krankenhausbetten und sogar Grenzschließungen – die Corona-Pandemie wirbelt das Leben weltweit ganz schön durcheinander. Insbesondere in der Grenzregion zwischen Deutschland und der Schweiz sorgte Covid-19 für viele Unsicherheiten.
Die große Frage:
Was gilt während Corona für Grenzgänger?
Ausnahmeregelung
Während der vorübergehenden Grenzschließungen zwischen der Schweiz und Deutschland galt bisher stets eine Ausnahmeregelung für Grenzgänger und Grenzpendler gleichermaßen. Das heißt: Wer in Deutschland wohnt, aber in der Schweiz arbeitet oder in der Schweiz wohnt und in Deutschland arbeitet durfte zum Zweck der Ausübung der beruflichen Tätigkeit weiterhin ohne Auflagen die Grenze passieren.
Kurzarbeit
Und auch wenn Arbeitgeber ihre Angestellten zeitweise in Kurzarbeit schicken mussten, waren sowohl Grenzgänger als auch Grenzpendler sozial abgesichert. Für beide galt und gilt: Der Beschäftigungsstaat ist zuständig. Grenzpendler mit Beschäftigung in Deutschland erhalten also die in Deutschland üblichen 60 Prozent des Verdienstausfalls als Kurzarbeitergeld. Grenzgänger mit Beschäftigung in der Schweiz, die in der Schweiz üblichen 80 Prozent des Verdienstausfalls als sogenannte Kurzarbeiterentschädigung.
Homeoffice
Werden Deutsche Grenzgänger in Folge der Corona-Lage ins Homeoffice geschickt und pendeln dadurch nicht mehr regelmäßig an ihren Arbeitsplatz in der Schweiz, wird es kompliziert. Im Normalfall muss ein Deutschland-Schweiz-Grenzgänger regelmäßig pendeln, um den Grenzgängerstatus zu behalten, und seine Tätigkeit zu mehr als 75 Prozent in der Schweiz ausüben, um dort sozialversicherungspflichtig zu bleiben.
Diese Regelungen wurde für die Dauer der Pandemie ausgesetzt. Durch eine temporäre Konsultationsvereinbarung haben Deutschland und die Schweiz gemeinsam festgehalten, dass Homeoffice-Maßnahmen aufgrund der Corona-Lage keine Auswirkungen auf Grenzgängerstatus, Besteuerung und die Versicherungspflicht haben. Die Vereinbarung ist mindestens noch bis 31. Dezember 2021 gültig und kann verlängert werden. Das gleiche gilt für Grenzpendler.
Fazit: Viele Vorteile, aber auch einiges zu beachten
Berufsvielfalt ohne Sprachbarriere und ein höheres Lohnniveau sind lukrative Gründe dafür, Grenzgänger zwischen Deutschland und der Schweiz zu werden. Nicht ohne Grund pendeln täglich mehr als 50.000 Menschen aus Südbaden und der Bodenseeregion in die Schweiz. Doch es gibt auch einiges zu beachten.