Das Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz ist längst gescheitert. Nach sieben Jahren Verhandlungen galt es als unterschriftsreif – doch Bern zog im letzten Moment zurück und verlangt seither neue Gespräche mit Brüssel. Doch ohne das Rahmenabkommen will die Europäische Union bestehende Verträge nicht mehr erneuern. Mit der Konsequenz, dass immer neue Schwierigkeiten im Handel mit der Schweiz entstehen.
Dagegen will nun der Europaabgeordnete und Vorsitzende der CDU Südbaden, Andreas Schwab, etwas tun. Er hat einen Vorschlag erarbeitet, wie es doch noch gelingen könnte, eine Einigung zwischen beiden Ländern zu erzielen. Für den gebürtigen Rottweiler, der den Wahlbezirk Freiburg vertritt, ist das Interesse an einer funktionierenden Partnerschaft mit der Schweiz naturgemäß groß.
Viel steht auf dem Spiel
Tatsächlich steht für Baden-Württemberg steht durch das gescheiterte Rahmenabkommen viel auf dem Spiel. Die Schweiz zählt zu den wichtigsten Handelspartnern des Südwestens, nur in die USA und China exportiert Baden-Württemberg mehr. Die Hochschulen der Schweiz und Baden-Württembergs sind mit 131 Kooperationen stark vernetzt. Fast 60.000 Grenzpendler fahren täglich ins Nachbarland zur Arbeit.
„Wir sprechen seit zehn Jahren über dieselben Probleme“, sagt Andreas Schwab dem SÜDKURIER auf Anfrage. Seiner Einschätzung nach fehle es „am politischen Willen in der Schweizer Regierung, der Bevölkerung genau zu erklären, welche Ziele mit der EU erreicht werden können und welche kleinen Änderungen sich überhaupt für die Schweiz ergeben würden“, sagt er.

Was eigentlich geplant war
Das Rahmenabkommen sollte 120 Einzelverträge, die bereits zwischen der EU und der Schweiz bestehen, zu bündeln. Zudem wäre die Schweiz zur sogenannten dynamischen Rechtsanpassung verpflichtet, also Verordnungen der EU mit Blick auf den Binnenmarkt zu übernehmen. Über Streitfälle sollte der Europäische Gerichtshof entscheiden – schließlich geht es um europäisches Recht, so die Sichtweise der EU. In der Schweiz löste diese Aussicht Schreckensszenarien wie „Fremdbestimmung“ aus.
Der Schweizer Bundesrat hielt das für nicht vertretbar – das Rahmenabkommen würde in einer zwangsläufig folgenden Volksabstimmung scheitern, hieß es. Die Schweiz will den bilateralen Weg weiterführen, aber kein Rahmenabkommen. Passiert ist seither wenig.
Denkansätze für Brüssel

Nun will also Schwab Bewegung in die festgefahrene Situation bringen. Er hat einen Vorschlag entworfen, der dem SÜDKURIER vorliegt. Dabei beruft Schwab sich auf Übereinkünfte, die er als Vorsitzender der Delegation für Beziehungen zur Schweiz im Europäischen Parlament mit dem Schweizer Pendant für Beziehungen zur EU getroffen hat.
Bereits im Oktober seien beide Seiten überein gekommen, dass das ursprüngliche Rahmenabkommen gangbare Lösungen liefere, betonte Schwab. Bei den Streitpunkten wie der Rolle des Europäischen Gerichtshof (EuGH) könne ein zusätzliches Schiedsgericht dessen Entscheidungen kontrollieren, erklärt Schwab.
Bei der dynamischen Rechtsanpassung müsse die Schweiz klarstellen, welche Ausnahmen für sie nötig seien. Die EU sei sich der starken Demokratie der Schweiz durch Volksentscheide bewusst und respektiere diese, ergänzt Schwab. Aber: „Auch die EU hat einige Grundsätze, die sie nicht abtreten kann, zum Beispiel die Einheitlichkeit des Binnenmarktes.“
Kontrollierte Zuwanderung
Auch an der sogenannten Personenfreizügigkeit der EU störte sich die Schweiz bislang. Sie betrifft das Recht von Menschen in der EU, Arbeitsplatz und Aufenthaltsort innerhalb der Gemeinschaft frei wählen zu dürfen. Die Schweiz fürchtet sogenannten Sozialtourismus, dass also EU-Bürger in die Schweiz ziehen, dort dann aber keiner Arbeit nachgehen und das Sozialsystem belasten.
Schwab sagt: „Die Schweizer Sorge vor der Einwanderung in die Sozialsysteme ist unbegründet, denn auch da hat die EU klare Regeln.“ So haben diese keinen Anspruch auf Sozialleistungen in einem Land, wenn sich nicht zuvor dort eingezahlt haben. Für eine Aufenthaltsgenehmigung braucht es ein geregeltes Einkommen oder einen Nachweis über ausreichend persönliches Vermögen.

Schwieriger wird es bei dem starken Schutz der Schweizer Löhne, auf den Bern bislang pocht. So gibt es nach wie vor komplizierte Regeln für Dienstleister aus anderen EU-Ländern, die sich unter anderem mit einer Frist vorher anmelden müssen. Diese ist derzeit noch acht Tage lang. Dabei hat selbst der Schweizer Rechnungshof unlängst erklärt, dass die aktuelle Regelung diskriminierend sei.
In Europa gelte aber ohnehin das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“, so Schwab: „Dadurch würden auch Schweizer Löhne geschützt.“ Er fordert, die Anmeldefrist dürfte vier Tage nicht überschreiten. Zudem sollte die Anmeldung digitalisiert und unbürokratisch möglich sein.
Die staatlichen Beihilfen, an denen die Schweiz festhalten will, könnten auf Bereiche begrenzt werden, die den EU-Vorgaben entsprechen, wie etwa Förderungen zur Entwicklung von ländlichen Gebieten oder Wirtschaftszweigen.
Brüssel und Bern müssen reden
Am Ende müssen aber EU-Kommission und Schweizer Bundesrat neu verhandeln. Schwab hofft, dass er mit seinem Papier „einen Beitrag als ernsten Denkanstoß“ liefern konnte.