Die Einkaufstüten in den Kofferraum, den Ausfuhrschein abstempeln lassen und ab nach Hause. So einfach ist es nicht für Schweizer Einkaufstouristen. Thomas Wehrli, Redaktionsleiter der Aargauer Zeitung im Fricktal, beantwortet seinen Landsleuten elf Fragen zu den Zollvorschriften im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet.

Essen Sie gerade ein Gipfeli? Dann hoffentlich zu Hause oder zumindest nicht vor der Stempelstelle am Zoll. Denn wenn Sie soeben in einem deutschen Laden ein Gipfeli gekauft haben, es genüsslich vertilgt haben und es nun zusammen mit den anderen Lebensmitteln auf der Rechnung abstempeln lassen wollen, dann könnte es durchaus passieren, dass Ihnen besagtes Gipfeli im Hals stecken bleibt. Denn der Zollbeamte könnte Ihnen doch glatt eine Busse von 20 bis 55 Euro aufbrummen. So passierte es jüngst einem Einkaufstouristen in Konstanz, wie das Schweizer Nachrichtenportal „20 Minuten“ berichtete.

Elf Fragen und Antworten zur Zollabfertigung

1. Das ist doch der Gipfel! Bekomme ich wirklich eine Buße, wenn ich das Gipfeli vor der Zollabfertigung esse?

Das kann durchaus passieren. Sämtliche Waren, die Sie am Zoll abstempeln lassen, um später die Mehrwertsteuer zurückzubekommen, müssen ungetragen, unbenutzt und originalverpackt sein.

Auf Verlangen des Zollbeamten muss man alle Waren, die auf dem Kassenbon stehen, vorweisen können. Das ist mit dem Gipfeli im Magen schwerlich möglich.

Der Grund: Die Waren, die man am Zoll abstempeln lässt, sind für den Verzehr respektive den Gebrauch außerhalb von Deutschland gedacht. Es reicht im Übrigen auch nicht, dem Grenzbeamten eine halb leere PET-Flasche als Beweis dafür entgegenzustrecken, dass man das Ding ja noch habe, halt einfach nur mehr halb voll, weil man beim gefühlt stundenlangen Anstehen an der Stempelstelle fast verdurstet wäre.

Macht 20 Euro, musste eine Bernerin jüngst erfahren. Zugegeben: Die Wahrscheinlichkeit, dass es am Zoll zum Gipfeli- oder Fläschli-Gate kommt, ist klein; die Zollbeamten haben kaum Zeit, die Vollständigkeit der Waren zu kontrollieren.

2. Ich muss also vor Durst fast vergehen, obwohl ich Getränke in der Einkaufstasche habe?

Nicht unbedingt. Wenn Sie die PET-Flasche separat bezahlen, sie also nicht auf der Rechnung auftaucht, die Sie abstempeln lassen wollen, können Sie Ihren Durst getrost löschen.

3. Ich komme aus dem Laden und es gießt aus Kübeln. Darf ich den gekauften Schirm benutzen?

Wenn er auf dem Kassenbon steht, den sie abstempeln lassen wollen, empfiehlt sich das weniger. Oder Ihnen fällt eine wirklich gute Erklärung für den Zollbeamten ein, weshalb der triefende Schirm noch unbenutzt ist...

4. In Laufenburg steht bei Edeka ein Container, in dem ich den Ausfuhrschein abstempeln lassen kann. Darf ich nach dem Abstempeln noch rasch in die Apotheke im Altstädtchen hüpfen, um ein Mittelchen gegen Hüpfbeschwerden zu kaufen?

Nein, denn mit dem Stempeln kommt die Pflicht, die Ware auf direktem Weg aus Deutschland auszuführen. Das ist bei den Stempelstellen direkt an der Grenze selbstverständlich, gilt aber auch für Stempelstellen im Landesinneren. Wer die Ware nicht auf direktem Weg ausführt, riskiert ein Bußgeldverfahren.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat im letzten Jahr einen Schweizer zu fünf Tagessätzen à 160 Euro verurteilt, weil er nach dem Abstempeln noch einen Abstecher in einen Supermarkt machte. Dies berichtete der SÜDKURIER im letzten November.

Der Zeitung sagte Jürgen Wamser von der Pressestelle der Generalzolldirektion damals: „Ist die Ware zur Ausfuhr abgefertigt worden, ist sie auf kürzestem Weg ins Drittland zu bringen.“

Überlege es sich der Käufer auf dem Weg vom Container bis zur Grenze anders, habe er dies der Ausgangszollstelle zu melden. Falls Sie in mehreren Läden einkaufen wollen, gilt deshalb: Zuerst alles einkaufen, dann abstempeln.

5. Ich habe meine Einkäufe abgestempelt und nach der Grenze fällt mir ein, dass ich etwas Wichtiges vergessen habe. Darf ich zurück?

Eine schlechte Idee. Denn Sie würden die ausgeführten Waren so ja wieder einführen.

6. Mein Kollege sagt: Die dürfen dich gar nicht büßen. Was stimmt nun?

Sie dürfen büßen. Aber ganz unrecht hat Ihr Kollege nicht: Zwischen 2012 und Juni 2017 wurden aufgrund einer Rechtsunsicherheit keine Bußen ausgesprochen. Seit dem 16. Juni 2017 ist das anders; es werden wieder Bußen verhängt, wenn man schummelt.

Wer an der Grenze mit Ausfuhrschein, aber ohne Waren oder nur mit einem Teil davon auftaucht, kann mit 20 bis 55 Euro gebüßt werden. Übersteigt der Warenwert 275 Euro, droht sogar ein Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft.

7. Ich würde nieeee schummeln. Tut das überhaupt jemand?

Mehr als man denkt. Eine Zeit lang, gerade als keine Bußen verteilt wurden, machten sich einige Zeitgenossen einen Volkssport daraus, Kassenzettel aus Abfallkörben zu klauben und als die ihren auszugeben.

In einem Fall, den der SÜDKURIER publik machte, sprach ein Schweizer einen Deutschen nach dessen Einkauf in einem Baumarkt sogar an und fragte nach seinem Kassenzettel. Er werde den Beleg abstempeln und den Gewinn mit ihm teilen.

Es geht aber auch umgekehrt: Bekannt sind auch Fälle, in denen Schweizer für Deutsche einkaufen, die Waren abstempeln – und ohne sie ausreisen, weil sie längst in einem deutschen Kühlschrank gelandet sind.

8. Ich war eben in Deutschland tanken. Muss ich das am Zoll anmelden?

Nein, Treibstoff im Tank ihres Autos ist sowohl mehrwertsteuer- als auch zollfrei. Anders sieht es aus, wenn Sie den Koffer- statt den Tankraum mit Benzin füllen. Dann sind nur 25 Liter abgabenfrei – und hoffentlich in Kanistern.

9. Ich habe Waren für 300,50 Franken dabei? Muss ich nun auf 50 Rappen Mehrwertsteuer bezahlen?

Nein – aber Grund zum Aufschnaufen haben Sie trotzdem nicht. Denn die Mehrwertsteuer wird auf den ganzen Betrag fällig, wenn er 300 Franken übersteigt. Sie zahlen also Mehrwertsteuer für die gesamten 300,50 Franken.

10. Was ist, wenn wir zu zweit unterwegs sind und eine Jacke für 400 Euro dabei haben? Gilt dann der doppelte Freibetrag?

Wenn Sie die Jacke in einem Stück behalten möchten, und davon ist ja auszugehen, funktioniert dieser Trick nicht. Gegenstände über 300 Franken sind auch bei mehreren Personen immer mehrwertsteuerpflichtig.

Ein anderes Beispiel: Wenn Sie zu zweit unterwegs sind, neun Artikel à 100 Franken einkaufen, können Sie den Freibetrag – also 300 Franken – nur einmal geltend machen. Denn mindestens bei einer Person übersteigt der Einkauf ja den Freibetrag – und damit wird der ganze Betrag fällig.

Zudem: „Wenn der Gesamtwert aller mitgeführten Waren die addierten Wertfreigrenzen der Personen, die zusammen reisen, übersteigt, hat die anmeldende Person keinen Anspruch auf die Wertfreigrenze“, heißt es in einer Zollbroschüre.

11. Darf ich alles zollfrei einführen, wenn es innerhalb des Freibetrags von 300 Franken liegt?

Nein, bei vielen Waren – insbesondere Fleischerzeugnissen, Milchprodukten, Alkohol und Zigaretten – gibt es Freimengen. Beim Wein sind es fünf Liter; jeder weitere Liter kostet zwei Franken Zoll. Bei einigen Produkten, etwa Radarwarngeräten oder Dopingmitteln, gilt zudem ein absolutes Einfuhrverbot.

Dieser Artikel erschien erstmals am 7. Oktober 2019. Der Autor ist Redakteur der „Aargauer Zeitung“, wo der Beitrag zuerst veröffentlicht wurde.

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