Gerätturnen: – Zehn Minuten vor 17 Uhr. Der Platz vor der Eichendorff-Schule füllt sich langsam. Eltern bringen ihre Kinder zum Turntraining. Die fünfjährige Amy Fuchs ist die Jüngste. Die anderen sind nicht viel älter. Sie freuen sich auf die Bewegung. Erst einmal wird aber geschuftet. Barren, Reck, Pauschenpferd, Bock, die Bodenmatten – alles muss aufgebaut werden. Das geht fix – für die Trainer des TV Rheinfelden ist es schon Routine. Zehn Minuten später geht’s an Ringen, Reck oder Boden ordentlich zur Sache. Und trotz allem Gewusel und kindlichem Bewegungsdrang sind die Trainer der vier oder fünf Gruppen an diesem frühen Abend die Chefs. Alles turnt nach deren Pfeife.
Maurice Meier, Sohn des Turngau-Vorsitzenden Dieter Meier, ist der Abteilungsleiter der Gerätturner des TV Rheinfelden. „Ich bin eher für die Mädchen zuständig, Sandro für die Jungs“, sagt der 28-jährige Rheinfelder, der in Möhlin in der Schweizer Nachbarschaft wohnt und als Physiotherapeut arbeitet. Sandro Dathe, der Mann für die Jungs, ist 27 Jahre alt und als technischer Zeichner tätig. Während Meier sich noch als Handballer sportlich betätigt, konzentriert sich Dathe voll und ganz auf das Gerätturnen.
Meier hat geturnt, bis er 17 war. Dann hat das Handgelenk „gezwickt“ und er hat sich mehr auf den robusteren Handballsport konzentriert – zuerst in Karsau, dann bei der SG Maulburg-Steinen, beim RTV Basel und seit acht Jahren beim TV Möhlin, der in der Schweizer Nationalliga B spielt. Dathe ist so was wie der Vorzeige-Gerätturner des Vereins. Er turnte beim Zweitbundesligisten TV Schiltach und zuletzt in der Riege des Markgräfler-Hochrhein-Turngaus, die sich aber aufgelöst hat.
Sandro Dathe ist nicht der einzige Trainer der Rheinfelder Turner. Neun Trainer kümmern sich um die Mädchen, vier um die Jungen. Über 50 Kinder sind es, die in verschiedenen Gruppen den nötigen Schliff bekommen. Eines der größten Talente ist Noah Wright (Jahrgang 2009). „Wenn er dabei bleibt, kann er mal eine große Nummer werden“, sagt Maurice Meier. Noah ist seit vier Jahren dabei, gehört dem Landeskader des Badischen Turnerbunds an, trainiert auch am Stützpunkt in Heidelberg. Zu den talentierten Geräturnern des Vereins zählen auch der Bad Säckinger Tarek Franke (Jahrgang 2006), der jüngst zwei Wettkämpfe in Saint Louis und in Hagenau im Elsass gewonnen hat, sowie Giselle Callies (2007) aus Rheinfelden.
Seit zwei Monaten haben die Rheinfelder Gerätturner auch eine neue Trainerin. Das ist die 32-jährige Nadja Zacarias Dray. Sie ist in Peru aufgewachsen. Ihre Eltern haben dort eine Turnschule. Sie habe sich selbst angeboten, beim TV Rheinfelden Trainingseinheiten zu übernehmen. „Ein Glücksgriff für uns, ein großer Gewinn für unser Trainer-Team. Die Mädchen machen schon Fortschritte“, freut sich Meier.
Die Mädchen des TV Rheinfelden bestreiten ohnehin schon mehr Wettämpfe als die Jungen. Sie turnen in der Bezirksklasse des Turngaus, die ihre Wettkämpfe – etwa vier oder fünf – gegen sieben andere Teams aus dem Turngau, aus dem Schwarzwald und vom Bodensee in der Zeit zwischen Ende April und Ende Juli austragen. Die Rheinfelder Jungen turnen noch nicht in der Liga, planen aber für nächstes Jahr einen Start. So lange konzentrieren sie sich auf Wettkämpfe wie Gaueinzelmeisterschaften oder Gauliga.
Der Höhepunkt für einige Talente aus dem Verein wird Anfang Juni das Deutsche Turnfest in Berlin sein. In der Bundeshauptstadt gibt es Pokalwettkämpfe im Gerätturnen. Im Rahmen des Turnfests steht auch der Deutschland-Cup auf dem Programm, der nach den Deutschen Jugendmeisterschaften der höchste nationale Wettkampf ist. Vom TV Rheinfelden haben sich Arvid Kossek und Piet Hellmich für diesen Deutschland-Cup qualifiziert. Dies gelang ihnen jüngst mit Podiumsplätzen beim Baden-Cup in Wyhl, wo sie erstmals einen Kür-Sechskampf in ihrer Altersklasse 14/15 bestritten haben.
Die Rheinfelder Turner sind stolz auf ihre Erfolge. Aber es gibt auch Probleme. „Wir sind ständig auf der Suche nach Trainern. Sandro braucht Unterstützung“, macht sich Meier nichts vor. Auch die Hallenkapazitäten seien ausbaufähig. Derzeit trainieren die Rheinfelder in der Eichendorff- und in der Goethe-Schule – und das fast täglich. Manche Talente – das sind derzeit sechs Mädchen und vier Jungen – genießen noch den Luxus eines zusätzlichen Kadertrainings des Turngaus in Istein.
Obwohl die Turner in der öffentlichen Wahrnehmung nicht die erste Geige spielen, kann sich speziell der TV Rheinfelden über Zuspruch nicht beklagen. „Wir haben viele Anfragen und können gar nicht alle Interessenten aufnehmen. Es gibt sogar eine Warteliste und Aufnahmetests“, sagt Meier. Was sind denn die Voraussetzungen, um im Gerätturnen mal ein kleiner Fabian Hambüchen zu werden? Meier: „Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Disziplin. Man muss an sich arbeiten wollen, viel trainieren und die Tipps der Lehrer auch annehmen. Turnen ist eine Schule fürs Leben.“
Bilder vom Training des TV Rheinfelden:www.suedkurier.de/sportfotosDer Verein
Der TV Rheinfelden wurde am 19. März 1898 gegründet und bietet Wettkampf-, Freizeit- und Gesundheitssport. Wettkampfsport wird vor allem in den Abteilungen Leichtathletik, Fechten, Kunst-/Gerätturnen, Judo/Aikido und Schwimmen betrieben, während Freizeit- und Gesundheitssport im Ballsport, Volleyball, Tischtennis, Frauen-, Rücken- und Seniorengymnastik, Aerobic und Step-Aerobic, Yoga und Zumba zu finden ist. Spaß bieten Sandmännchenturnen, Eltern- und Kindgruppe, Buben- und Mädchenturnen sowie Zumba für Kids. Der Gesamtverein hat 1023 Mitglieder, davon 614 Frauen. 389 Mitglieder sind jünger als 18. Das Gerätturnen betreiben rund 60 Mitglieder. (gew)