Es rauscht und knackt. Nicht alle Telekommunikationswege führen nach Rom. „Ich sitze im Bus“, sagt Timo Sorgius, „kann sein, dass die Verbindung abbricht.“ Sie tut es nicht, weshalb dem deutschen Spitzenschwimmer die Frage gestellt werden kann, wie er mit seinem Abschneiden bei der Europameisterschaft in der Ewigen Stadt zufrieden ist.
„Eigentlich ganz gut“, antwortet Sorgius, der aus Konstanz stammt und seit geraumer Zeit in Leipzig lebt und dort von Frank Embacher trainiert wird. Aber wie das so ist: eigentlich ist eigentlich ein negatives Wort. Weil es eine Einschränkung bedeutet, weil es, im konkreten Fall, wohl hätte besser als „ganz gut“ laufen können.
Timo Sorgius, am 5. Juli 19 Jahre alt geworden, war in Rom zunächst in der 4x200-Meter-Freistil-Staffel im Einsatz. Als Schlussschwimmer, das ist die Position, auf der der meiste Druck auf dem Sportler liegt. Aber ein Jahr zuvor, bei der Junioren-EM an gleicher Stelle, hatte Sorgius diesem Druck standgehalten und seine Staffel mit der schnellsten Zeit aller Starter von Rang fünf zu Silber geschwommen.
Diesmal blieb er rund zwei Sekunden unter seiner persönlichen Bestzeit, und weil es zwei seiner drei Teamkameraden nicht besser erging, sprang nur Platz sieben heraus. Die Erkenntnis des Wahl-Leipzigers, der bis hoch auf den Startblock von Nervosität heimgesucht worden war: „Ich will nicht sagen, dass ein Juniorenwettbewerb ein Kinderwettkampf ist, aber der Start bei einer Aktiven-EM ist schon eine andere Hausnummer.“
Eine Leistung, die Mut macht
Es folgte die 4x100-Meter-Freistil-Staffel, und was da passierte, war außergewöhnlich. Mit fliegendem Start schaffte Timo Sorgius 49,02 Sekunden, es war die schnellste Zeit der vier deutschen Schwimmer und bedeutet, den Start herausgerechnet, „etwa eine 49,4, so schnell war ich noch nie“. Aus dem Telefon springt förmlich Zufriedenheit, weil diese Leistung Mut macht für die Zukunft. Die zwei Staffeleinsätze ergeben in der Summe deshalb das „ganz gut“ in Sorgius‘ Selbsteinschätzung.
Eine Medaille bringt Timo Sorgius diesmal nicht mit nach Hause. Aber bei der Deutschen Meisterschaft hatte er dafür gleich sechs geholt. Meister über 200 Meter Freistil, Vizemeister über 100 Meter Freistil und Dritter über 200 Meter Rücken – das ergibt in Summe einen hübschen Medaillensatz in Gold, Silber und Bronze bei den Aktiven. Und weil die Leistungen auch in der Kategorie Junioren gewertet wurden, kamen da zweimal Gold und einmal Silber dazu.
Auch das gibt dem 19-Jährigen natürlich Zuversicht. Zumal es alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist, dass Timo Sorgius derart gut drauf ist. Ihm hat nämlich Corona übel mitgespielt. Vollständig geimpft und geboostert erwischte es ihn gleich zweimal, erst im Spätsommer 2021, erneut dann im darauffolgenden Winter.
Vor allem die Folgen der ersten Infektion machten ihm schwer zu schaffen. „Ich bekam keine Luft, hatte Herzprobleme“, erzählt Sorgius, der danach fünf Monate lang mit Long Covid zu kämpfen hatte. „Ende Oktober, Anfang November tat jeder Meter im Wasser weh“, erinnert er sich. Erst im Winter-Trainingslager in Ägypten konnte er wieder angreifen, ehe ihn Infektion Nummer zwei ereilte.

Diesmal blieb es bei Halsschmerzen, aber zum Verzweifeln war‘s trotzdem, zumal sich im Anschluss noch eine schwere Angina dazu gesellte. „Ab April konnte ich wieder trainieren, ab Anfang Juni ging‘s aufwärts“, erzählt Sorgius, und noch jetzt staunt er, wie schnell er wieder auf Touren kam und bei der DM glänzte. „Das war toll, zumal ich nicht gedacht hatte, dass es so gut läuft.“
In Rom hätte der Athlet vom Bodensee gerne auch die 200 Meter Einzel im Freistil geschwommen. Die Startzeiten kollidierten aber mit jenen der Staffel, die von den Trainern als vorrangig erachtet wurde. „Kann man nichts machen“, sagt Sorgius, der auch nicht mehr in der Lagenstaffel am Mittwoch zum Einsatz kam. Dafür sah er noch Schönheiten Roms – auch nicht schlecht.
Das große Ziel: Paris 2024
In den kommenden zwei Wochen stehen für Timo Sorgius ärztliche Untersuchungen in Berlin an. Und ein Termin bei der Bundeswehr, wo er ab 1. September in Hannover die Grundausbildung absolviert und anschließend als Mitglied der Sportförderkompanie einmal im Jahr vier Wochen lang in die Kaserne einrücken muss. Ach ja, ein Kurzurlaub mit Freundin Elisa ist auch noch möglich, „ein paar Tage wenigstens“.
Die weiteren Ziele? Im August 2022 darf man schon mal knapp zwei Jahre vorausschauen. „Ja, die Olympischen Spiele in Paris sind definitiv ein Ziel“, sagt Timo Sorgius. Stress will er sich aber nicht auferlegen. „Ich nehme in den nächsten Jahren alles mit, was geht. Wenn‘s kommt, dann kommt‘s. Wenn nicht, dann nicht.“ Und wenn er sich etwas wünschen dürfe? „Da weiß ich nix“, sagt der 19-Jährige. Dann machen wir es für ihn und wünschen ihm vor allem Gesundheit. Damit seine Karriere ganz gut weitergeht. Ohne ein eigentlich.