Herr Lebherz, ins Halbfinale wollte das deutsche Nationalteam, die Frauen flogen aber schon nach den Gruppenspielen raus. Ihr Urteil?

Es ist grundsätzlich so, dass derzeit die Weltklassespielerinnen nicht in großer Zahl in der deutschen Bundesliga unterwegs sind. In den internationalen Ligen spielt Geld eine deutlich größere Rolle. Während wir, so hat es auch DHB-Präsident Andreas Michelmann formuliert, das strukturell einfach nicht hinbekommen. Wenn eine richtig gute Spielerin im Ausland das Mehrfache verdienen kann, wird sie nicht in Deutschland spielen. Und das zeigt, dass die Strukturen in anderen Nationen ganz andere sind als in Deutschland. Dadurch haben sie natürlich einen riesigen Vorteil. Das bewahrheitet sich auch jetzt in der Coronasituation, wo einige der – in Anführungszeichen – vergleichbar auf gleichem Niveau vor dem EM-Turnier diskutierten Nationen deutlich weiter sind als Deutschland.

Gibt es denn Lösungsvorschläge oder sogar -ansätze?

Falls ja, wären sie mir nicht bekannt. Zumindest sind sie nicht bis zu mir durchgedrungen. Man denkt immer im Großen und vergisst die Basis. Vor allem an der Basis werden Talente entdeckt und auch gefördert. Je weniger sich dieser Aufgabe annehmen, desto weniger Jugendmannschaften gibt es.

Das betrifft auch gerade den SV Allensbach, eine Talentschmiede seit Jahrzehnten. Muss sich da nicht grundsätzlich etwas ändern?

Wir brauchen grundsätzlich flächendeckend einheitliche Strukturen. Das wird an der schlimmen Coronageschichte deutlich. Die 3. Liga wurde vor Jahren professionalisiert. Das sage ich jetzt einmal provokativ: Von einer Professionalität merke ich gar nichts. Einige Vereine dürfen jetzt trainieren, andere wieder nicht. Aus diesem Grund ist der Spielbetrieb, das betrifft übrigens die zweite Mannschaft der Konstanzer Männer in der 3. Liga genauso, ja ausgesetzt worden. Das darf einfach nicht sein. Das hat uns genau in die Bredouille gebracht, wie wir sie jetzt haben.

Was bedeutet das konkret für Ihre Mannschaft?

Wir haben das große Glück, dass wir weiter trainieren durften. Wir haben unser Trainingsprogramm daraufhin umgestellt. Wir haben individuelle Komponenten in den vergangenen Wochen in den Vordergrund gestellt. Wir haben ja einige tolle Talente in diesem Team, und diese entwickeln wir so weiter. Aber wenn wir nur weiterentwickeln, aber nicht spielen können, dann haben wir diese Talente noch maximal ein paar Monate bei uns.

Ein großes Problem für den SV Allensbach?

Für mich ist ganz klar, auch wenn ich in Deutschland einer der Wenigen bin, der dies ausspricht und vielleicht dafür auch ein blutige Nase bekomme: Die Situation, wie sie jetzt ist, wird die Lage der Erst- und Zweitligisten deutlich verbessern. Die Talente, die jetzt in der 3. Liga unterwegs sind, werden sich doch Gedanken über einen Wechsel machen. Und zwar schneller, als einem lieb ist.

Das hieße ja, in dem Zusammenhang ist die 3. Liga eine tote Liga?

So wie es sich jetzt gerade entwickelt, halte ich es nicht für gut. Dazu gehört auch das System der vielen Staffeln. Durch die vielen Staffeln fehlen den Vereinen Heimspiele, die notwendig sind. In unserer Staffel sind nur elf Mannschaften. Wir bräuchten aber, um wirklich attraktiv zu sein, mindestens 14 bis 16 Heimspiele. Das sind alles Dinge, die ich nicht verstehe. Aber ich muss sie akzeptieren.

Und wie geht es jetzt weiter?

Wir starten frühestens wieder Anfang Februar, aber das kann ich mir derzeit nur schwer vorstellen. Seit Montag sind wir in einer Trainingspause.

Fragen Hermann Hummler
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