Die große Leidenschaft der Konstanzer Korollis ist das Basketball. Einmal pro Woche treffen sich die Sportler mit und ohne Handicap in der Unisporthalle, wo sie gemeinsam im Rollstuhl auf Korbjagd gehen. Da die Teilnehmer des Inklusionsprojektes aber gerne die Herausforderung neuer Sportarten suchen, begeben sie sich immer wieder auf fremdes Terrain.

Curling, Fahnenschwingen, Bogenschießen – es gibt kaum einen Sport, den die Konstanzer nicht schon am eigenen Leib ausprobiert haben. Heute stehen und sitzen sie mit großen Augen und offenen Mündern vor einem blauen Trampolin, auf dem Anna-Lena Forster durch die Luft fliegt und einen Salto nach dem anderen schlägt.

Anna-Lena Forster hat ihre ganz eigene Technik, ohne Rollstuhl aufs Tuch zu gehen.
Anna-Lena Forster hat ihre ganz eigene Technik, ohne Rollstuhl aufs Tuch zu gehen. | Bild: Peter Pisa

Die viermalige Paralympicssiegerin im Monoski hat über den Unisport in Freiburg, wo die Stahringerin studiert, zu diesem Sport gefunden. Die 26-Jährige, die ohne rechtes Bein und mit verkürztem Oberschenkel zur Welt kam, hat eine ganz eigene Technik gefunden, wie sie sich mit dem Po vom Tuch abstoßen kann, statt mit den Füßen. Sie ist bei der dritten und letzten Trampolin-Einheit der Korollis der prominente Gast.

Anna-Lena Forster ohne Rollstuhl Video: Feiertag, Ingo

„Wow“, sagen die einen, „unglaublich“ die anderen, als sie sehen, was Forster, die die meisten nur aus dem Fernsehen kennen, zu leisten imstande ist. „Trampolinspringen ist ein bisschen wie Intervalltraining und schon ganz schön anstrengend“, sagt die Wintersportlerin, die in der Konstanzer Unihalle an diesem Abend allerdings auch ein ganz neues Gefühl erlebt.

„Ich wäre nie darauf gekommen, im Rollstuhl aufs Trampolin zu gehen“, sagt Forster, doch genau das haben die Korollis in den vergangenen Wochen gemacht.

Gerald Sauter Video: Feiertag, Ingo

Arvid Kuritz vom Fach Sportwissenschaften der Universität Konstanz hatte die Idee zu diesem außergewöhnlichen Projekt. Der mehrfache deutsche Meister und Jugendeuropameister im Trampolin steht hinter dem Rollstuhl und hilft Roland Benker dabei, sich zu stabilisieren.

Roland Benker Video: Feiertag, Ingo

Der 49-jährige Benker ist seit einem Sturz vor mehr als 30 Jahren querschnittgelähmt. Er ist begeistert vom Trampolin. „Super“, sagt der mehrfache Deutsche Meister im Rolli-Wasserski, „man ist kurz schwerelos.“

Arvid Kuritz springt mit Roland Benker, dessen Beine zur Sicherheit fixiert wurden.
Arvid Kuritz springt mit Roland Benker, dessen Beine zur Sicherheit fixiert wurden. | Bild: Peter Pisa

Für Anna-Lena Forster dagegen ist es ein komisches Gefühl, jemanden hinter oder neben sich stehen zu haben, der einen stabilisiert. „Man muss viel Vertrauen abgeben“, beschreibt es die Leistungssportlerin.

Anna-Lena Forster im Rollstuhl Video: Feiertag, Ingo

Dorle Schüle dagegen ist fasziniert davon, in ihrem Rollstuhl auf Trampolin springen zu können. „Das gibt mir ein Gefühl von Freiheit“, sagt die Konstanzerin, die Multiple Sklerose hat, „sonst ist man in seinem Körper gefangen. Hier fühle ich mich ganz leicht.“

Dorle Schüle Video: Rainer Schüle

Manuela Pruß ist noch ein Besucher an diesem Trainingsabend. Die blinde Fußgängerin engagiert sich im Konstanzer Beirat für Menschen mit Behinderung und betritt auf dem Trampolin gleich zweimal Neuland – sitzend und stehend.

Die blinde Manuela Pruß sitzt im Rollstuhl und wird von Lea Schlenker und Gideon Hirsch gestützt.
Die blinde Manuela Pruß sitzt im Rollstuhl und wird von Lea Schlenker und Gideon Hirsch gestützt. | Bild: Peter Pisa

„Mit dem Rollstuhl war es etwas ungewohnt, mir hat aber beides Spaß gemacht“, sagt Pruß und lacht. „Ich konnte fühlen, wie meine Haare fliegen.“

Die blinde Manuela Pruß springt unterstützt von Gideon Hirsch.
Die blinde Manuela Pruß springt unterstützt von Gideon Hirsch. | Bild: Peter Pisa

Große Freude an den Einheiten mit den Korollis hatte auch Aushilfstrainer Arvid Kuritz, der von Lea Schlenker und Gideon Hirsch unterstützt wurde. „Es hat Riesenspaß gemacht“, sagt er nach der letzten von drei Einheiten. Er war der einzige in der Gruppe, der eine leise Ahnung davon hatte, was auf ihn zukommt.

„Wir haben das einmal vor Jahren bei einem Auftritt ausprobiert: Die Leute sind damals ausgeflippt“, sagt Kuritz. Wahrscheinlich so wie die meisten der Korollis an diesem Abend, als Anna-Lena Forster bei ihnen im Training durch die Luft fliegt.

Anna-Lena Forster in Aktion.
Anna-Lena Forster in Aktion. | Bild: Peter Pisa