VS-Villingen – Die Kirchengemeinden leiden unter dem anhaltenden Veranstaltungsverbot aufgrund der Corona-Pandemie besonders. Um gerade in diesen Zeiten ihre Gemeindemitglieder seelsorgerisch zu erreichen, übertragen immer mehr Kirchengemeinden ihre Gottesdienste per Livestream ins Internet. Auch die Evangelisch- Freikirchliche Gemeinde überträgt ihren sonntäglichen Gottesdienst per Livestream aus der Gnadenkirche. Der SÜDKURIER hat zugeschaut, wie so ein Online-Gottesdienst entsteht.
Sonntagmorgen, kurz nach 10 Uhr: Der Kirchenraum der Gnadenkirche am Wiener Platz in VS-Villingen gleicht einem Fernsehstudio. Scheinwerfer leuchten den Kirchenraum aus. Kameras werden ausgerichtet, die Band macht eine Anspielprobe. Mehrere Computer und Monitore sind aufgebaut, an Mischpulten werden die letzten Ton- und Lichteinstellungen programmiert. Mittendrin Pastor Michael Großklaus. Er wird den Gottesdienst halten.

Ihn und die vier Musiker werden die Gottesdienstzuschauer später sehen, wenn sie sich in den Livestream zuschalten oder den Gottesdienst später auf dem Youtube-Kanal der Gnadenkirche ansehen. Was sie nicht sehen werden, sind der technische Aufwand und die gut ein halbes Dutzend Helfer, die hinter der Kamera dafür sorgen, dass das Wort Gottes aus der Gnadenkirche verlässlich in Bild und Ton auf den Bildschirmen der Zuschauer angezeigt wird. „Es ist schon sehr ungewöhnlich, anstatt vor vollen Kirchenstühlen in eine Kamera zu sprechen“, beschreibt Pastor Großklaus, der mittlerweile dennoch Routine hat. Seit dem 15. März, als das Veranstaltungsverbot verhängt wurde, überträgt die Freikirchengemeinde ihren Gottesdienst per Livestream. „Der erste Gottesdienst wurde mit einer Handykamera gefilmt und stand danach nur per Instagram zur Verfügung“, erinnert sich Stefan Kulcsar, der für die Technik zuständig ist. Mit dem Ergebnis, dass die technischen Möglichkeiten stark begrenzt waren.

Aus den rudimentären Anfängen hat sich in den vergangenen Wochen eine höchst professionelle Übertragung entwickelt. Durch Equipmentleihgaben von Fotograf Jörg Robold, der selbst an der Kamera steht, und einigen Investitionen unter anderem in eine hochwertige Videosoftware werden die Gottesdienste jetzt in Profi-Qualität gestreamt. Insgesamt sechs Kameras nehmen das Geschehen auf. Und die Zahl derer, die das Angebot nutzen, wächst von Woche zu Woche. „Wir haben mittlerweile bis zu 1400 Zugriffe auf unsere Gottesdienste. Selbst aus dem Ausland schalten sich Zuschauer auf unseren Kanal auf. Das ist weit mehr als wir normalerweise Besucher in der Kirche haben“, freut sich Pastor Michael Großklaus, der sagt, dass im Schnitt rund 300 Besucher zu den Gottesdiensten in die Gnadenkirche kommen.
Eines fehlt dem Pastor trotz der Freude über die hohe Resonanz dennoch. „Der direkte Kontakt zu den Gottesdienstbesuchern fehlt uns schon sehr.“ Auch ersetzt ein Online-Gottesdienst keine liturgische Feier. „Wir können ja kein Abendmahl machen.“
Mittlerweile ist es zehn Minuten vor 11 Uhr. Die an der Übertragung beteiligten Frauen, Männer und Jugendlichen versammeln sich, in ausreichendem Sicherheitsabstand zueinander, zu einem kurzen Gebet. Dann steigt die Spannung. Der Blick wandert immer wieder zur Uhr. Drei Minuten vor elf nehmen die vier Musiker ihren Platz ein. An diesem Sonntag sind es Thorsten Wilks, Sven Rösler, Frank Neu und Phillip Müller, die die musikalische Gestaltung übernehmen.

Bei der Technik herrscht jetzt höchste Konzentration. Um Punkt 11 Uhr setzt die Band ein. Danach stellt sich Pastor Michael Großklaus auf seine Markierung direkt vor der Kamera und hält seine Predigt. Ist er nervös? „Ja, ein bisschen nervös bin ich schon, aber eher in die Richtung, ob die Technik funktioniert“, sagt er.

Nach 40 Minuten endet der Livestream, der rund 130 Zugriffe verzeichnete. „Wenn man bedenkt, dass meist mehrere Personen vor dem Bildschirm sitzen, ein guter Wert.“ Ihre Gottesdienstübertragungen wollen die Freikirchler auch künftig beibehalten. Auch in der neuen Gnadenkirche, die derzeit im Zentralbereich entsteht, sollen künftig Gottesdienste live übertragen werden.
„Wir haben ja auch viele ältere Mitglieder, denen der Weg zu den Gottesdiensten zu beschwerlich ist. Diese Mitglieder wollen wir nicht außen vor lassen“, so Stefan Kulcsar.