Bei den Stadt-Oberen ist das Thema inzwischen angekommen. Im Interview mit dem SÜDKURIER stellte Oberbürgermeister Jürgen Roth im Dezember 2022 fest: ‚Für die Realschulen brauchen wir mehr Platz.‘

Das gelte, sagte der OB, sowohl für die Karl-Brachat-Realschule in Villingen als auch den Schulverbund am Deutenberg mit ihrer Realschule in Schwenningen. Die Realschulen seien insofern ein Sorgenkind und eine neue Herausforderung für die Stadtpolitik. Woran es hapert: Es gibt bisher keine Lösungsvorschläge.

Wie sieht es in den Schulen aus? Thomas Schultis, seit vier Jahren Rektor der Karl-Brachat-Realschule, bestätigt vor Ort, dass die Schule in den vergangenen Jahren immer voller wurde und mit einer Belegung von fast 700 Buben und Mädchen derzeit räumlich am Anschlag sei.

Viele Eltern vertrauen auf die Realschule

Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen, sagt der Schulleiter, habe die Realschule als Mittelschule einen vertrauten guten Ruf. Sie sei aus Sicht vieler Eltern der klassische Ausbildungsweg für den den Nachwuchs in den zahlreichen mittelständischen Industriebetrieben in der Region. „Für viele dieser Eltern kommt die Gemeinschaftsschule daher nicht in Frage“, berichtet Schultis.

Thomas Schultis, der Schulleiter der Karl-Brachat-Realschule, in seinem Büro.
Thomas Schultis, der Schulleiter der Karl-Brachat-Realschule, in seinem Büro. | Bild: Stadler, Eberhard

Mit dem Wegfall der verbindlichen Schulempfehlung in Baden-Württemberg bekam die Realschule weiteren Zulauf. Rund 20 bis 25 Prozent seiner Schüler haben nach Feststellung des Schulleiters keine Realschulreife und werden an der Brachacht-Realschule mit dem Hauptschulabschluss abgehen.

Rektor will wieder verbindliche Schulempfehlung

Die Eltern schicken sie trotzdem an diese Schule. Einige, weil sie ihre Kinder nicht auf der Hauptschule sehen wollen. Andere, weil es die nächstliegende weiterführende Schule für die Kinder ist. Damit werden an der Realschule auf drei unterschiedlichen schulischen Niveaus unterrichtet, was die Unterrichtssituation, so Schultis, „sehr komplex macht“.

Zu diesem Thema hat der Rektor eine eindeutige persönliche Meinung: „Ich wünsche mir eine Rückkehr zur verbindlichen Grundschulempfehlung. Das würde für uns vieles vereinfachen.“

Wachsende Zahl von Flüchtlingskinder

Einen weiteren Zuwachs verzeichnet die Schule durch Zuwanderer und Flüchtlinge, insbesondere aus der von Russland überfallenen Ukraine. Derzeit hat die Karl-Brachat-Realschule 35 Schülerinnen und Schüler in zwei Vorbereitungsklassen (VKL) aufgenommen. Die meisten davon stammen aus der Ukraine. Hier gibt es eine enge Kooperation der Karl-Brachat-Realschule mit den örtlichen Gymnasien.

Blick auf das Hauptgebäude der Karl-Brachat-Realschule. Insgesamt beherbergt die Schule mit mehreren Nebengebäuden an die 700 Kinder und ...
Blick auf das Hauptgebäude der Karl-Brachat-Realschule. Insgesamt beherbergt die Schule mit mehreren Nebengebäuden an die 700 Kinder und Jugendliche. | Bild: Stadler, Eberhard

Realschule fängt keine Gymnasiasten mehr auf

Diese drei Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Karl-Brachat-Realschule derzeit randvoll ist. Mehr noch: „Wir haben inzwischen eine Warteliste von rund 20 Schülern“, schildert Schultis. Darunter sind auch eine ganze Reihe von Schülern, die an den örtlichen Gymnasien überfordert sind und eine Stufe runter, an eine Realschule, wollen.

Die stecken nun in der Sackgasse. „Wir können sie nicht aufnehmen“, sagt der Schulleiter. Und die örtlichen Gemeinschaftsschulen, die Bickeberg- und Golden-Bühl-Schule, hätten das selbe Problem: kein Platz.

Bedarf für eine weitere Realschulklasse

Fazit von Thomas Schultis: „Wir bräuchten aktuell eine zusätzliche Klasse für Realschüler in Villingen.“ Dies könnte an einer Realschule oder an einer Gemeinschaftsschule realisiert werden. In diesem Jahr betreffe dies die Jahrgangsstufen 7 und 8, im nächsten Schuljahr die 8 und 9.

Ob diese zusätzliche Klasse allerdings Realität wird, sei dahingestellt. Denn es fehlt allenthalben an Lehrern. „Ich verstehe auch das Staatliche Schulamt“, sagt der Rektor. Eine weitere Schulklasse entspreche dem Bedarf von zusätzlich drei Lehrern. Doch woher sollen diese in Zeiten grassierenden Lehrermangels kommen?

Die weitere Entwicklung ist daher ungewiss. Deshalb plädiert Schultis dafür, dass die Stadt für die weiterführenden Schulen in Villingen-Schwenningen alsbald einen Schulentwicklungsplan präsentiert. „Eine perspektivische Planung wäre für uns sehr wichtig“, unterstreicht er.

Tino Berthold, der Gesamtelternbeiratsvorsitzende der örtlichen Schulen, möchte auch die Verantwortlichen der Stadt in die Pflicht nehmen. Er trat jetzt im Gemeinderat als Mahner und Warner auf. Weil es für die weiterführenden Schulen in VS, also die Realschulen, die Gymnasien und Gemeinschaftsschulen, seit Jahren keine Planung für die deren zukünftige Entwicklung gibt. Auf dieses Manko hat er in der letzten Gemeinderatsitzung deutlich hingewiesen. In seinen Ausführungen vor dem Stadtparlament warnte Berthold nachdrücklich, die weitere Schulentwicklung zu verschlafen.

Assfalgs Amt derzeit überlastet

Doch von Seiten des zuständigen Amtsleiters Stefan Assfalg kam die für Berthold enttäuschende Antwort, dass sein Amt wegen Umstrukturierungen derzeit nicht in der Lage sei, eine aufwändige Planung zu erarbeiten. Frühestens Ende 2023, Anfang 2024 könne man damit anfangen.

Tino Berthold, der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats, mahnt von der Stadt und dem Gemeinderat die zügige Aufstellung eines ...
Tino Berthold, der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats, mahnt von der Stadt und dem Gemeinderat die zügige Aufstellung eines Schulentwicklungsplans für die weiterführenden Schulen in Villingen-Schwenningen an. Er sagt: „Der Ball liegt jetzt im Feld des Gemeinderates.“ | Bild: Rodgers, Kevin

Tino Berthold hält dies für zu spät, wie er gegenüber dem SÜDKURIER bekräftigt. Die bisherigen Planungen hätten oft vier, fünf Jahre gedauert. Wenn dann noch neue Schulräume geplant, finanziert, beschlossen und gebaut werden müssen, seien acht Jahre schnell ins Land gegangen. „Wir Eltern haben große Sorgen, dass uns dieses Thema schon früher vor die Füße fällt“, sagt er. Die Stadt und der Gemeinderat, so sein Vorschlag, sollten die Planung daher zügig an ein externes Büro vergeben, um Zeit zu gewinnen.

Eltern: Gemeinderat soll jetzt handeln

Eine solche externe Vergabe wäre nichts Neues: Die Stadt auch bei ihrem Sportentwicklungsplanung in der Vergangenheit ein privates Unternehmen beauftragt. Aus Sicht von Berthold eilt die Zeit: „Jeder Monat, der vergeht, ist ein verlorener.“ Jetzt seien die politisch Verantwortlichem am Zug. Berthold: „Der Spielball liegt jetzt im Feld der Fraktionen des Gemeinderates.“

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