Der Rat der Historischen Narrozunft Villingen hat jetzt den Weg frei gemacht, damit Vorstandsposten des Vereins künftig geschlechterneutral besetzt werden können. Eine wegweisende Entscheidung, die sich nach Protesten junger Frauen bei der letzten Fastnacht bereits abgezeichnet hat.
Bis auf einen kurzen Zeitraum in den 1920er Jahren war der Rat der Historischen Narrozunft Villingen seit der Vereinsgründung 1882 fest in männlicher Hand, im kommenden Jahr wird diese Tradition enden. „Erstmals haben dann auch Frauen die Möglichkeit, sich in das Führungsgremium des größten Villinger Fasnetvereins wählen zu lassen“, teilt jetzt der Rat der Historischen Narrozunft Villingen in einer Presserklärung mit.
„Deutliche Mehrheit“ für Öffnung
Mit einer „deutlichen Mehrheit“, so heißt es in der Mitteilung der Zunft, sprach sich der Zunftrat in einer eigens anberaumten Sondersitzung für diesen Paradigmenwechsel aus. Was für Villinger Verhältnisse wie eine kleine Revolution klingt, sei aber letztendlich ein logischer, der heutigen Zeit angepasster Beschluss. Das betont der Zunftmeister, Anselm Säger, der voll umfänglich hinter dieser Entscheidung steht.
48 Prozent der Mitglieder sind weiblich
Die Überlegung, das höchste Gremium des Narrenvereins, den Zunftrat, für alle Geschlechter zu öffnen, besteht zunftintern schon seit geraumer Zeit. Ein Blick in die Statistik erleichterte die Diskussion. Von den fast 5000 Mitgliedern des größten Vereins in der gesamten Region hat die Narrozuunft einen männlichen Mitgliederanteil von 52 Prozent und einen weiblichen von 48 Prozent.
Also fast pari pari. Im Zunftrat schlägt sich dieses Kräfteverhältnis aber überhaupt nicht nieder. Frauen haben laut Vereinsstatut keinen Zugang. „Davor kann man die Augen nicht verschließen“, betont Anselm Säger, der darauf verweist: „Aus der Tradition heraus war der Rat eine reine Männerdomäne. Und mit Tradition muss man respektvoll umgehen.“ Das habe bei der sehr offenen, fairen und zielorientierten Diskussion im Vorstandsgremium eine Rolle gespielt.

Dem Zunftmeister war es in der Sondersitzung ganz wichtig, dass jeder Ratsherr zu Wort kam und seine Ansicht ausführlich darlegen konnte. Man habe sich die Entscheidung nicht einfach gemacht, doch letztendlich sei es darum gegangen, den Vorstand zukunftssicher aufzustellen, um vor allem auch junge Mitglieder weiterhin zu erreichen.
So lautet der historische Satz
Zwar gab es durchaus auch kritische Stimmen, doch nach einer Vielzahl an überzeugenden Argumenten sei eine ganz klare Mehrheit für die Öffnung zustande gekommen. Abgestimmt wurde über diesen entscheidenden Satz: „Die Vorstandschaft der Historischen Narrozunft Villingen ist dafür, dass künftig das Geschlecht bei der Auswahl von AspirantInnen (m/w/d) keine Rolle mehr spielen soll.“
Wenn nun Frauen die Möglichkeit eröffnet wird, sich in den Zunftrat wählen zu lassen, bleibt es dennoch, und darauf legen Anselm Säger und seine Vorstandskollegen großen Wert, bei dem bewährten Prinzip, dass das Profil entscheidend für eine Anwartschaft auf ein Zunftamt ist. Und das geschlechtsunabhängig.
Auch Frauen haben Probezeit
Säger äußert sich aber überzeugt, dass es an Frauen, die eine entsprechende Qualifikation für das Ratsgremium mitbringen, nicht mangelt. Auch Frauen durchlaufen dann, wie es bei den Männern Usus ist, erst einmal den Aspirantenweg im Rat, ehe sie von der Mitgliederversammlung gewählt werden. In der Regel geht es um ein Jahr Probezeit im Rat. Die Satzung des Vereins muss aufgrund des Beschlusses nicht geändert werden, da nicht explizit festgeschrieben ist, dass nur Männer dem Rat angehören dürfen.
Die Diskussion über die Öffnung des Zunftrates auch für Frauen war in den vergangenen Jahren immer wieder Thema, wurde von den Ratsherren aber mit Verweis auf die Traditionen abgewiesen. Größere öffentliche Diskussionen hat es kaum gegeben. Das ändere sich allerdings an der Fastnacht 2023. Am letzten Abend der ‚hohen Tage‘ protestierten mehrere junge Frauen und forderten beim Strohverbrennen auf dem Münsterplatz lautstark, Frauen in den Rat aufzunehmen.
Eine der letzten Männerbastionen
Zunftmeister Anselm Säger hatte schon damals angekündigt, dass sich der Verein diesem Thema stellen müsse und sich dem Anliegen wohl kaum verschließen könne. Hinzu kommt, dass die Historische Narrozunft unter den großen Narrenvereinen in Villingen der letzte war, der sich gegen die Aufnahme von Frauen gesperrt hat. Die Glonki-Gilde, die Katzenmusik oder die Hexenzunft haben ihre Vorstandsgremien schon vor Jahren für Frauen geöffnet.