Als Einziges blieb der Name: Rössle. Ein Hotel, ein Einkaufszentrum, eine Unterführung. Geblieben ist davon wenig. In Betrieb ist keiner der Orte. Das Hotel abgerissen, das Shopping Center leer, die Unterführung geschlossen.
Doch eine Stadtführung im Rahmen der Schwenninger Geschichtswoche öffnete die verborgenen Zugänge in die Unterwelt und begleitete durch ein Stück Schwenninger Stadtgeschichte.

Wo heute ein Kreisel den Autoverkehr lenkt, ging man in den 1970er Jahren unter der Straße von Laden zu Laden und atmete den Geist der großstädtischen Idee. Unterirdisch konnte man von Kleidung bis zur Zwischenmahlzeit allerhand erwerben.
Portal in die Vergangenheit
Das Portal in die Vergangenheit liegt neben der Stadtbibliothek. Die Gänge hinter den schweren Türen sind mit Leuchtröhren erhellt – zumindest dort, wo sie scheinen.
Den verlassenen Friseursalon direkt links des Zugangs erreichen die Photonen kaum. Über eine Wendeltreppe fällt Licht auf drei zurückgelassene Stühle. Statt Haaren liegen Spinnenweben neben den Sitzen.

Im Stockwerk darüber lag ein Brautmodengeschäft.
Beheizte Treppen
Die Treppenstufen an den Auf-und Abgängen waren beheizt, erzählt Hornig vom Hochbauamt. Daneben führten Rolltreppen hinauf und hinunter. Teuer sowohl im Betrieb als auch in der Wartung, kommentiert Hornig.

Unterirdisch verbunden

Mitte der siebziger Jahr entstand die Untertunnelung. Die Passage verband den Rössle-Parkplatz mit dem Baro, später Kaufring, die Marktstraße und den Muslenplatz. Doch die Unterführung wurde geschlossen und der Boden von unten abgestützt, um oben den Verkehrskreisel zu stabilisieren, erklärt Stadtführer Hans Martin Weber.

Im Geiste des Stuttgarter Vorbilds nennt Weber die frühere Unterführung eine Mini-Klettpassage. Als Jugendlicher war er selbst durch die Gänge flaniert, erzählt er und zwischen Schaufenstern, dem Zeitungskiosk, Götz und dem Kaufring hin- und hergelaufen.


Verrostetes Fundament?
Die Gänge führen zu einem verrosteten Quader. Der Anblick irritiert. Das Eisen oxidiere wegen der Luftfeuchtigkeit, erklärt Schlüsselmeister Holger Hornig vom städtischen Hochbauamt. Es seien Spundwände, erläutert er und fährt fort, es sei die Schalung des dahinterliegenden Fundaments des heutigen Rössle-Einkaufszentrums.

Autos oben, Fußgänger unten
Die Unterführung sei das Ergebnis der Umgestaltung der Verkehrsführung, führt Holger Hornig aus. In den 1970er Jahren sei es modern gewesen, „dem Auto-Verkehr viel Platz einzuräumen und den Fußgänger unter die Erde zu verbannen“.

Unterführung heute Notausgang
Genutzt werden die Gänge heute noch als Notausgänge des Modehaus Zinser. Das Kleidungsgeschäft siedelte sich im Gebäude seines Vorgängers Götz an. Die übrigen Zugänge seien zugeschüttet worden, erläutert Hornig. Zudem befindet sich der Heizraum der Stadtbibliothek in der Passage.


„Unterführungen werden schlecht angenommen“, schildert Hornig, „sie haben keinen guten Ruf.“ Es werde vandaliert, die Wände beschmiert und uriniert. Daher beschloss man Anfang der 2000er Jahre, die unterirdischen Gänge zu schließen.
Der Name stammt von Hotel
In den Namen der Schwenninger Gasthäuser sind zahlreiche Tiere versammelt: Der Name Rössle stammt von dem Hotel Rössle. Es bestand neben dem Storchen und dem Schwanen, die es beide nicht mehr gibt. Heute erhebt sich anstelle des Rössle-Hotels das Rössle-Einkaufszentrum. Das Hotel besaß einen großen Saal mit Platz für bis zu 1000 Leute.

Ankerpunkt für die Stadt
„Eine Stadtgeographie braucht Wegpunkte“, erläutert Stadtführer Hans Martin Weber. Als solcher sei auch die Rössle-Unterführung geplant, als Ankerpunkt einer geschäftigen Stadt. Geblieben ist davon ein schamhaft versteckter Eingang an der Stadtbibliothek, ein Hinweis auf die früheren großstädtischen Träume der Stadt.