Die Zeiten werden rauer, vor allem finanziell. Planungen für die Zukunft geraten zur Herausforderung mit immer größeren Unsicherheitsfaktoren. Das sind die Knackpunkte für Villingen-Schwenningen.
1. Inflation
Im Rathaus verlassen sich Experten unter anderem auf Steuerschätzungen der Finanzministerien. 7,3 Prozent beträgt die Geldentwertung aktuell. Von 10.000 Euro zu Jahresanfang fehlen also zum 31. Dezember 730 Euro an Kaufkraft. Übrigens: 5,3 Prozent betrug die Inflationsrate zu Jahresende 2021. Vor dem Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine, war die Quote Richtung sechs Prozent angestiegen. Was kommt da noch?
Rächt sich am Ende sogar die zunächst günstig erscheinende Methode der VS-Straßenreparatur mit Dünnschicht-Asphalt? Diese Form der Oberflächenkosmetik verschiebt Sanierungen in die Zukunft. Beim Bau haben sich in den vergangenen fünf Jahren Kosten allerdings teils verdoppelt.

Oder: Beim Kasernengelände hinkt die Stadt mit ihrem Gebiet den privaten Investoren auf dem benachbarten Gelände hinterher. Gebaut wird hier zwischen Franzosenkino und Richthofenstraße, auf städtischer Seite geht noch gar nichts. Heißt: Die hier mindestens verlorenen zwei Jahre Bauzeit werden in der Folge der massiv gestiegenen Baupreise letztlich deutlich höhere Schulden hinterlassen.

Ob die Stadt bei ihrem Bau-Programm bleiben will, muss sich noch zeigen: 2022 sollen laut Haushaltsplanung im Bereich des Hochbaus und Tiefbau insgesamt 27,5 Millionen Euro eingesetzt werden, für 2023 sind 45,3 Millionen vorgesehen. Diese Beträge gelten als hinfällig. Es wurden nur marginale Kostensteigerungen eingepreist.

Damit sind wir bei den Finanzierungen: Die Kreditzinsen steigen, für die Wirtschaft sogar rapide. Bei Firmen hat das oft auch mit Risikozuschlägen zu tun. Ein Unternehmen operiert heute in hochgradig unsicher gewordenen Märkten. Dieses vage Umfeld wird vom Kreditgeber im Zinssatz mit eingepreist. Letzten Endes spüren auch dies die Verbraucher, ob beim Kauf eines Fahrrads oder eines Kilogramms Äpfel.

VS hat bis 2025 laut der Verwaltung bis zu 165 Millionen Euro Schulden. Das heißt: Steigen die Zinsen auch nur um ein Prozent an, so bedeutet das jährliche Mehrkosten von 1,65 Millionen Euro. Aktuelle Zahlen kann die Stadtkämmerei nach eigenen Angaben im April 2022 für das Jahr 2021 noch nicht herausgeben, teilt eine Rathaus-Sprecherin mit. Ende Mai 2022, so heißt es weiter, solle eine Übersicht in den Gemeinderat eingereicht werden.

Kommunen gelten für die Banken als sichere Schuldner. Sie erhalten auch deshalb Vorzugszinssätze. Zudem können sie ihre Verbindlichkeiten viel länger finanzieren als ein Privatkunde. Nun steigen die Zinsen noch nicht allzu sehr am kommunalen Kapitalmarkt, die Welle wird aber auch hier kommen.
2. Energiekosten
Seit Jahren knabbert die Stadtverwaltung an dem Thema. Zutage getreten ist es bislang kaum, ersichtlich wurde die Problemdimension lediglich bei den Sportstättengebühren. Als hier der Gemeinderat um den Jahreswechsel zu 2022 eine Erhöhung debattierte, kassierte OB Roth die Entwürfe und Preisstaffeln plötzlich wieder ein. Er wolle „noch eine Runde drehen“, ließ er zu seinem Kurswechsel verlauten. Seither herrscht Schweigen.
Was geschieht unterdessen? Die Energiekosten galoppieren seit Jahresanfang auch für die Stadt auf und davon. Jede Lampe, jeder Liter Duschwasser schlagen mit etwa doppelt so hohen Preisen in den Konten der Stadt auf. Rückwärtig wird die Verwaltung die Vereine nicht belasten wollen. Das heißt, diese laufenden Kosten werden umgelegt, bezahlen dürfen das alle, jeder Bürger wird unbewusst zum Sport- und Vereinsförderer.
3. Preisgünstiges Wohnen
Gerne schwingen Verantwortliche in der Stadtverwaltung dieses Wort. Tatsächlich wird das vor Jahren angestrebte Ziel der Schaffung von günstigem Wohnraum immer mehr zur Farce. Außer den steigenden Finanzierungskosten für Bauunternehmen und den immer höheren Preisen auf dem Bau kommen speziell hier noch die extrem hürdenreichen Förderrichtlinien hinzu.
4. Wohlstandsverlust
Jahrzehntelang galt es als ausgemacht, dass die Zentralbanken mittels Guthabenzinsen die Geldentwertung ausgleichen. Die einst goldene Regel „Zins ist gleich Inflationsausgleich“ ließ die Finanzwirtschaft schleichend unter den Tisch fallen. Die Inflationsverluste sind aber nur die Speerspitze des Problems für die Bürger. Villingen-Schwenningen wird seinen Doppelhaushalt nicht ohne Nachtragskorrekturen halten können. Bürger dürfen sich bereits heute auf steigende Gebühren und Angaben einstellen – so sehr sich alle Verantwortlichen bemühen, dies zu verhindern.
Der OB und sein Effizienzprogramm
Die Verwaltung und ihr Sparkurs: OB Roth kündigte im Oktober 2021 an, dass das Effizienzprogramm in der Verwaltung weiter vorangetrieben werde. „Nur so kann das Ziel, einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt zu realisieren, erreicht werden.“ Vom Hauptamt seien konkrete Einsparungen von insgesamt 38,38 Stellen identifiziert worden.
Bleibt noch ein Blick auf die wichtigste Einnahme-Position der Stadt. Die Steuern. Hier lieferte bis zuletzt vor allem die Wirtschaft ab. Wird sich das im Jahr 2022 auch nur annähend halten lassen? Die Aussichten bei den Gewerbesteuern sind so schwierig wie die Märkte der Unternehmen: Nachschub stockt, ob bei Baumaterial oder Computerchips. Wie sehr sich hier das Ringen der Unternehmen um Umsatz erfolgreich gestalten lässt, ist einer der größten Unsicherheitsfaktoren für die Gewerbesteuereinnahmen von VS.
Für die VS-Bilanz von 2021 signalisiert die Verwaltung über eine Sprecherin, für die geplanten Ansätze hätten sich laut Stadtkämmerei „auch durch die Corona-Krise keine signifikanten Einbrüche ergeben. Deshalb gibt es aktuell keine Probleme auf der Einnahmeseite“ heißt es für das zurückliegende Haushaltsjahr. Die Auswirkungen des Kriegs um die Ukraine für den städtischen Haushalt müssten abgewartet werden.