Der Weihnachtsbaum, der natürlich immer erst am 24. Dezember morgens geschmückt worden ist, braucht natürlich eine glanzvolle Spitze. In unserer Familie war das so ein komisches längliches Teil, verziert mit Kunstschnee, Glimmer und natürlich auch hauchdünnem Glas – was ganz edles, ein Erbstück irgendeiner Tante aus dem Erzgebirge und wenn der Baum dann endlich in vollem Glanz dastand, krönte mein Vater das Ganze mit der Spitze.
Im Wohnzimmer sah es natürlich völlig chaotisch aus, überall standen offene Kartons herum, Papier lag am Boden, meine kleine Schwester sauste wie ein Irrwisch überall durch und die Nerven meiner Mutter waren schon einigermaßen strapaziert – ein ganz normaler Heiligabend eben, wie in vielen anderen Familien auch.
Jetzt fehlt nur noch die Christbaumspitze
Leider eskalierte das Ganze dann, als mein Vater auf der Leiter balancierte und nach der Christbaumspitze verlangte. Die sollte ihm meine Mutter reichen. In dem ganzen Chaos war es nicht ganz ersichtlich, in welchem der Kartons das gute Stück denn nun lag und so kruschtelte meine Mutter herum, ich wollte helfen, hatte mit Adleraugen die Spitze erspäht. Ich sauste los, um sie aus dem Karton zu holen und meiner Mutter zu geben, kam aber ins Straucheln und ja, man ahnt es, landete mit vollem Karacho direkt auf dem Karton mit dem edlen Teil.
Das zersprang natürlich in tausend Glassplitter und die Familienszene war für einige Schrecksekunden wie eingefroren, bevor das laute Geschrei losging. Meine Schwester – obwohl nicht am eigentlichen Drama beteiligt – brüllte wie am Spieß. Ich war völlig erstarrt und meine Mutter half mir auf, mein Vater verließ seine Leiter und meinte ganz trocken: „Dann gibt es eben keine Spitze.“
Meine Mutter pflichtete ihm bei und sagte: „Das Teil fand ich eh schon immer furchtbar.“ Und so gab es keine Christbaumspitze, der Baum sah aber trotzdem toll aus und ich meine mich zu erinnern, dass meine Mutter nach den Feiertagen tatsächlich eine neue Spitze gekauft hat! Ich habe für meine Weihnachtsbäume übrigens immer auf eine Spitze verzichtet.
Kein Weihnachtsbaum ohne Lichterkette?
Was aber immer dazugehört, ist natürlich die Lichterkette. Als die Kinder klein waren, ist man auf eine elektrische Beleuchtung umgestiegen, das hat sich bewährt und wir sind da dabei geblieben. Eigentlich wird der Weihnachtsbaum bei uns nicht erst am letzten Tag geschmückt, das ist entspannter und so hat man auch länger etwas vom Baum.
Aber es gibt natürlich Jahre, da ist alles anders und genau dann geht natürlich auch was schief. Also, das Baumschmücken verzögerte sich tatsächlich und fand erst am 24. Dezember statt und natürlich kommt als erstes die Lichterkette um den Baum, dann lassen sich die Kugeln und der ganze Schmuck besser verteilen. Also, Lichterkette eingesteckt und schon setzte die Schnappatmung ein: Kein Lichtlein leuchtete, alles blieb dunkel – nur ein kurzes Flackern, dann war Schluss. Ein panischer Blick auf die Uhr zeigte: Das müsste noch reichen mit einer Blitz-Einkaufsaktion in einen Baumarkt – noch hatten die Geschäfte offen. Also los, denn eines ist klar: Weihnachten ohne einen leuchtenden Baum geht gar nicht.
Eine Lichterkette? Da wird nur gelacht
Im Baumarkt ist die Hölle los am 24. Dezember kurz vor Ladenschluss. Aha, also bin ich nicht die Einzige, der dringend was fehlt. Ich stürme in den Laden, kämpfe mich zur Weihnachtsabteilung durch und werde, man glaubt es kaum, ausgelacht! Ja, die Mitarbeiterin lacht lauthals, als sie meinen frommen Wunsch vernimmt: „Eine Lichterkette, jetzt!“ Das könne ich mir abschminken, es gäbe überhaupt nichts mehr, alles weg.
Bedröppelt gehe ich zurück zum Auto und überlege fieberhaft. Dann sause ich gleich weiter zum Elektrofachhandel, vielleicht gibt es dort noch was. Fünf Minuten vor Ladenschluss stürme ich ins Geschäft und sofort zur Kasse, um zu fragen, ob es noch Lichterketten gibt. „Ja, eine haben wir noch, der Herr dort hat auch gerade danach gefragt.“ Ich drehe mich um und sehe, wie ein älterer Mann in Richtung des Regals läuft, wo offensichtlich die letzte Lichterkette liegt.
Eigentlich bin ich ja ein höflicher Mensch, der selten drängelt oder gar jemandem etwas vor der Nase wegschnappt. Aber der Gedanke, Weihnachten mit einem dunklen, trüben Baum zu verbringen, lässt mich alle Bedenken über Bord werfen: Ich renne los, an dem Mann vorbei und schnappe mir die Lichterkette. Mein gemurmeltes „Entschuldigung“ hört er wohl gar nicht, er ist zu perplex angesichts meines Überholmanövers. An der Kasse bezahle ich in Windeseile und schleiche mit einem ziemlich schlechten Gefühl aus dem Laden.
Das ist aber zuhause schnell wieder vorbei, als die Lichterkette am Baum hängt, dieser wunderbar strahlt und funkelt und die Kinder hellauf begeistert sind. Trotzdem plagt mich manchmal noch immer das schlechte Gewissen, wenn ich die Lichterkette alle Jahre wieder aus der Kiste packe und aufhänge – jetzt meistens ein paar Tage vor Heiligabend, damit ich nicht nochmals in solch eine Situation komme.