Ob in Friedrichshafen, Wuppertal oder Villingen-Schwenningen: Wer das Stichwort Erziehermangel googelt, findet Suchergebnisse aus der ganzen Republik. In Villingen-Schwenningen fehlen an den städtischen Kindertagesstätten aktuell 30 Kräfte. Das erwähnte Stefan Assfalg, Leiter des Amtes für Jugend, Bildung, Integration und Sport (Jubis) am Rande der Aussprache über den Schulentwicklungsplan.

Diese 30 Kräfte fehlen an 15 der insgesamt 20 städtischen Kitas, teilt Oxana Zapf mit, Sprecherin der Stadtverwaltung. Im Bereich der Kitas beschäftige die Stadt derzeit 294 Fachkräfte und 15 Zusatzkräfte ohne pädagogische Ausbildung.

Städtetag schlägt Alarm

„Uns läuft die Zeit davon“, mahnte bereits im Februar der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk/Tagesschau.de. Schon jetzt würden viele Städte händeringend nach Erzieherinnen und Sozialpädagogen suchen. Die Länder müssten eine breit angelegte Ausbildungsoffensive für gut ausgebildetes zusätzliches Personal starten, forderte Dedy.

„Die berufstätigen Eltern sind natürlich an die Decke gegangen.“  Verena Szyszka, Vorsitzende des Elternbeirats
„Die berufstätigen Eltern sind natürlich an die Decke gegangen.“ Verena Szyszka, Vorsitzende des Elternbeirats | Bild: Jennifer Moog (September 2020)

Wie sehr der Erziehermangel auf den Alltag in den Kitas durchschlägt, bekommen unter anderem die Eltern im Kindergarten Johanna Schwer seit geraumer Zeit zu spüren: Seit Monaten ist am Freitag um 13 Uhr Schluss, sagt Verena Szyszka, Vorsitzende des Elternbeirats. „Die berufstätigen Eltern sind natürlich an die Decke gegangen“, sagt sie. „Man bucht diese Zeiten ja schließlich.“ 120 Kinder in acht Gruppen werden in der Johanna-Schwer-Kita betreut.

Resignation bei den Eltern

Bis zu den Sommerferien solle die Freitags-Schließung um 13 Uhr gelten. Und danach? „Die meisten Eltern rechnen nicht damit, dass es sich dann bessert“, sagt die Elternbeiratsvorsitzende. „Ich habe das Gefühl, die meisten haben resigniert.“ Oft müssten Gruppen zusammengelegt werden, damit der Betrieb funktioniere, was mittlerweile glücklicherweise wieder möglich sei. Während der Hochphasen der Pandemie war es strikt untersagt, die Gruppen zu mischen.

Kündigung wegen langer Anfahrt

Die Probleme bestünden mittlerweile schon seit zwei Jahren, sagt Verena Szyszka. Kündigungen, Langzeiterkrankte – und kein Ersatz. „Teils wurden Springer eingesetzt, aber die sind ja irgendwann auch wieder weg.“ Zwei Kräfte hätten auch gekündigt, weil lange Anfahrtswege aufgrund der explodierenden Spritkosten zu teuer seien.

Ab 1. Juli gibt es mehr Geld

Immerhin beim Verdienst ist Besserung in Sicht: Zum 1. Juli bekommen Erzieherinnen und Erzieher 130 Euro pro Monat mehr, außerdem pro Jahr zwei zusätzliche freie Tage.

Stadt braucht zusätzliche Vollzeitstellen

Das wiederum bedeutet mehr Personalbedarf bei der Stadt: Um diese Tage zu kompensieren, würden für alle städtischen Kitas insgesamt 1,72 Vollzeitstellen benötigt, so Oxana Zapf. Um die Stellen zu besetzen, gehe die Stadt verschiedene Wege: So bilde man selbst Fachkräfte in der praxisintegrierten und der klassischen Ausbildung aus. Insgesamt gebe es derzeit 33 pädagogische Azubis in der Abteilung Kindertagesbetreuung.

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Für im Ausland erworbene Qualifikationen würden Anpassungslehrgänge angeboten. Außerdem versuche die Stadt, über Werbung im Radio, auf Messen und in den sozialen Medien, mit klassischen Stellenausschreibungen online und in Zeitungen, dem Personalmangel zu begegnen. Auch die Ortseingangstafeln würden teilweise bestückt. Außerdem biete die Stadt den Beschäftigten Benefits wie Firmenfitness oder Dienstfahrräder an.