Es war vor 78 Jahren, als am 6. August 1945 die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen wurde. Die zweite Bombe folgte wenige Tage später; am 9. August 1945 fiel sie auf Nagasaki. Das Regionale Friedensbündnis VS gedachte in der Villinger Rietstraße der über hunderttausend Opfer und unterstrich seine Forderung zur vollständigen Vernichtung aller atomaren Waffen.

Als die Glocken vom Münster und der Johanniskirche, die zum Gedenken läuteten, verstummten, begrüßte Christa Lörcher die rund 60 Menschen, die sich vor der ehemaligen Stadtapotheke versammelt hatten. „Es ist nötiger denn je, dass wir uns für den Frieden einsetzen und für das einstehen, was uns wichtig ist“, bedankte sich Lörcher bei den zahlreichen Menschen, die gekommen waren. Sie hätte sich gewünscht, dass mehr Eltern mit ihren Kindern teilnehmen würden. „Was wir tun, ist nicht nur für unsere Generation wichtig, sondern insbesondere für die nachfolgenden Generationen“, so Lörcher. Man könne sich nicht vorstellen, was da beschlossen wurde, und schließlich habe es eine Hand gegeben, die auf den Knopf gedrückt hätte. „Zehntausende Menschen sind sofort in Hiroshima gestorben, viele später nach qualvollen Krankheiten“, erinnerte Lörcher. Dieselben Menschen hätten danach beschlossen, eine zweite Atombombe zu werfen. „Zynischer und menschenverachtender ging es nicht“, klagte Lörcher an.

Über das ganze Ausmaß der Atombombenabwürfe berichtete Renate Zelzer. „Es war das vorgeschobene Motiv für den Einsatz der Bomben, Japan möglichst schnell zur Kapitulation gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika zu bewegen“, so Zelzer. In Wirklichkeit sei es den USA um die Vorherrschaft im pazifischen Raum gegangen, so Zelzers Sicht. „Es war um 8.16 Uhr, als die erste Atombombe in 600 Metern Höhe explodierte. 70.000 bis 80.000 Menschen sind durch die Hitze und die Druckwellen sofort getötet worden“, las Zelzer vor. Die Detonationswelle habe innerhalb einer Sekunde 80 Prozent der Innenstadt zerstört. Der Atompilz über Nagasaki habe sich 18 Kilometer in die Atmosphäre erhoben. Im Innenstadtbereich seien 20.000 Menschen sofort gestorben. In den nachfolgenden Jahren starben 70.000 bis 80.000 an den Folgen der beiden Atombomben. „Selbst nach vielen Jahren gab es noch Menschen, die durch die Strahlenbelastung an Krebs gestorben sind“, berichtete Zelzer.

Berichte von Zeitzeugen

Jakob Hehn las aus einem Zeitzeugenbericht vor, wie Kido Sueichi als Fünfjähriger den Atombombenabwurf in Nagasaki erlebte: „Plötzlich hörte ich das Brummen eines Flugzeugs und wurde von einem Blitz erfasst, mit einem Knall von der starken Explosion getroffen und fiel bewusstlos um.“ Die linke Hälfte seines Gesichtes und das Gesicht sowie die Brust seiner Mutter, mit der er zusammen gewesen war, seien verbrannt gewesen. Verstreute Leichen seien auf den Straßen und im Fluss gelegen, Menschen hätten um Wasser gebettelt. „Ich kann es nur als Hölle beschreiben“, schreibt Sueichi. So etwas dürfe nie wieder passieren.

Der Arzt Helmut Lohrer machte deutlich, dass mit jedem Tag des anhaltenden Krieges in der Ukraine eine reale und wachsende Gefahr bestehe, dass die Welt in naher Zukunft in einen Atomkrieg geraten könne. „Mit jedem Tag des anhaltenden Krieges steigt das Risiko“, gab Lohrer zu bedenken. „Der Einsatz vieler Atomwaffen, wie er in einem Atomkrieg wahrscheinlich ist, würde nicht nur zu vielen Millionen Toten und Verletzen führen, sondern auch Verkehrswege, die Lebensmittelversorgung und das Gesundheitssystem zerstören“, so Lohrer: „Im Falle eines Atomkrieges wird es keine medizinische Hilfe geben, und wir Ärzte werden euch und uns nicht helfen können. Die Internationalen Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges fordern: einen sofortigen Waffenstillstand, den Rückzug alle Invasionstruppen, die Unterlassung sämtlicher Maßnahmen, die zu einer weiteren Eskalation des Krieges führen, und den Verzicht auf den Einsatz von Atomwaffen durch alle atomar bewaffneten Staaten.“

Über Friedensaktivitäten an zwei erfolgreichen Beispielen berichtete dann Isabell Kuchta-Papp: „Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) erhielt 2017 den Friedensnobelpreis für ihre Arbeit, Aufmerksamkeit auf die katastrophalen Konsequenzen von Atomwaffen zu lenken und für ihre bahnbrechenden Bemühungen, ein vertragliches Verbot solcher Waffen zu erreichen.“

Die ICAN setze sich für ein totales Verbot der Herstellung, des Besitzes, der Lagerung und des Einsatzes von Atomwaffen ein. Als zweites Beispiel nannte Kuchta-Papp die Organisation „Mayors for Peace“, die 1982 vom damaligen Bürgermeister von Hiroshima gegründet wurde. Ziel war und ist die Ächtung aller Atomwaffen. „Inzwischen haben sich weltweit über 8000 Städte, darunter auch Villingen-Schwenningen, in 166 Ländern dieser Bewegung angeschlossen“, berichtete Kuchta-Papp.

Mit einer Sonate in F-Dur, gespielt von Beate Holtzhauer an der Violine und Ekkehard Hausen am Cello, endete das einstündige Gedenken.