Jörg-Dieter Klatt

Es klingt wie ein lauter Hilferuf, wenn Martin Hayer, Einrichtungsleiter des AWO-Seniorenzentrums Am Stadtpark in Schwenningen über die bürokratischen Hürden angesichts des Arbeits- und Fachkräftemangels im Bereich der Pflege klagt.

Zusammen mit 150 weiteren Unternehmen und Handwerksbetrieben sowie drei großen Sozialverbänden ist das Seniorenzentrum Mitglied in der Unternehmer-Initiative "Bleiberecht durch Arbeit". Diese setzt sich für den "Spurwechsel" im Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein, der abgelehnten Asylbewerbern, die einer Arbeit nachgehen, eine Bleibeperspektive geben soll. Nachdem die Initiative bereits mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei gesprochen hat, konnte nun der FDP-Bundestagsabgeordnete Marcel Klinge gewonnen werden. Mit dabei waren Thomas Oßwald vom gleichnamigen Autohaus in Bad Saulgau und Mitgründer der Initiative, Caritas-Geschäftsführer Michael Stöffelmaier sowie Vertreter des Job-Club VS und mit Kamal Sadik Ageed ein unmittelbar Betroffener aus dem Irak.

Viele Schicksale

Dass es sich hierbei nicht um die Vertretung eines Randinteresses handelt, zeigen die Zahlen, die hinter den beteiligten 150 Unternehmen stehen. 550 000 Beschäftigte mit einem Jahresumsatz von 50 Milliarden Euro. Insgesamt 2000 Geflüchtete werden in den Mitgliedsbetrieben derzeit beschäftigt. Die Initiative möchte in den Arbeitsmarkt integrierten Geflüchteten eine langfristige Bleibeperspektive schaffen. Damit verbunden wäre nämlich auch die Planungssicherheit der Betriebe, die auf die Arbeitskräfte angewiesen sind.

Drohende Abschiebung

Was die Betroffenen am meisten umtreibt ist die drohende Abschiebung in deren Herkunftsländer. Kamal Sadik Ageed aus dem Irak ist Pflegehilfskraft und zukünftiger Auszubildender im Pflegebereich. Mit seinen 33 Jahren wünscht er sich nichts sehnlicher als für sich, seine Frau und die beiden Kinder selbstständig sorgen zu können. Er möchte nicht auf staatliche Hilfe angewiesen sein.

Hohe Hürden

Allein die Hürden, so Martin Hayer, die ihm eine sichere Perspektive geben könnten, seien ungemein hoch. Hier setzt die massive Kritik Hayers ein: "Ich verstehe nicht, dass unser Mitarbeiter vor 25 Monaten das Asylinterview beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Freiburg hatte und bislang keine Antwort über seinen Status bekommen hat." Diese Ungewissheit lähme. "Und diese werden dringend in Deutschland gebraucht", so Hayer. Ihre Leistungsbereitschaft sei seiner Erfahrung nach durchweg als sehr gut zu bezeichnen. Mit eindrücklichen Zahlen unterlegt er seine Forderungen: Derzeit fehlen 30 000 Pflegefachkräfte in Deutschland, eine Zahl, die angesichts der demografischen Entwicklung nach Prognosen bis zum Jahr 2050 auf bis zu 300 000 ansteigen könnte. In vielen anderen Branchen sieht es nicht besser aus. Diese enorme Herausforderung für den Arbeitsmarkt sei ohne eine gezielte Gewinnung ausländischer Arbeitskräfte nicht zu schaffen. Angesichts dessen sei eine Abschiebung integrierter Arbeitnehmer völlig unsinnig.

Bürokratische Gängelung

Wenn Menschen als Migrant nach Deutschland kommen und sich sowohl arbeits- als auch integrationswillig beweisen, beginne ein schier unmenschlicher Hürdenlauf, so die Vertreter der Initiative. "Das wird nicht nur für von den Betroffenen, sondern auch von denen, die sich um sie kümmern, durchaus als bürokratische Gängelung erlebt", berichtete Bernhard Stern vom Job-Club VS. Martin Hayer nennt das Beispiel einer bosnischen Bewerberin, die offiziell mit einem Arbeitsvisum eine Ausbildung zur Altenpflegerin beginnen möchte, einen gültigen Arbeitsvertrag in den Händen hält und seit neun Monaten auf ihre Einreiseerlaubnis wartet.

Wünsche an den Gesetzgeber

Am Tisch waren sich alle in ihrer Forderung an den Gesetzgeber einig: "Wir wünschen uns eine breite Unterstützung durch die Politik, Dienstleistungsqualitäten in den Behörden und förderliche Gesetze." Allerdings fehle offensichtlich der politische Wille, das Problem schnell zu lösen. Auch der Gast aus dem Deutschen Bundestag nahm die geschilderten Fälle mit Kopfschütteln zur Kenntnis und zeigte großen Respekt vor der Initiative: "Ich zolle Ihnen für Ihr Engagement höchsten Respekt und meine Wertschätzung!", so Marcel Klinge, der den "Spurwechsel" ausdrücklich unterstütze. Ob das Fachkräfteeinwanderungsgesetzt von der Großen Koalition allerdings schnell auf den Weg gebracht werden kann, konnte Klinge auch nicht sagen.

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