Der Geschichts- und Heimatverein Villingen hatte wohl mit weniger Besuchern gerechnet, musste zu Veranstaltungsbeginn noch nachstuhlen: Was die gut 130 Zuhörer dann geboten bekamen, war ein deutliches Plädoyer für ein geeintes Europa. Ex-Vereinschef Günter Rath hatte keinen geringeren als den ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel für einen Abend gewinnen können.

Bereits das Thema des Abends „Europa vom Kopf auf die Füße stellen“ verriet den Tenor der Ausführungen. Europa ist wichtig – bedarf aber grundlegender Korrekturen. In den gut 50 Minuten seiner Rede betonte Erwin Teufel immer wieder, dass er von der Idee eines geeinten Europas völlig überzeugt sei. Diese Überzeugung konnte man dem fast 80-jährigen Politiker ohne geringsten Zweifel abnehmen. Mimik und Gestik unterstrichen seine flammenden Worte. Und er verstand es, seine Zuhörer abzuholen – abzuholen in Villingen, das er „liebt“, das er über viele Jahre sein politisches Handeln hat spüren lassen.

„Europa ist in erster Linie eine Friedensgemeinschaft“, so das Credo des Mitglieds des Europäischen Verfassungskonvents. Seit dem Westfälischen Frieden hätten 48 Kriege Europa erschüttert. Von diesen sei auch oft Villingen betroffen gewesen. Erst nach 1945 seien durch die Initiative der USA mit dem Marshall-Plan die Rachegedanken des Ersten Weltkrieges dem Gemeinschaftsdenken gewichen. Diesem Denken schloss sich weiland auch der britische Premierminister Winston Churchill an und forderte: „Wir brauchen die Vereinigten Staaten von Europa.“ An dieser Stelle hielt Erwin Teufel kurz inne, um das Seufzen der Zuhörer angesichts des Brexit verklingen zu lassen. Interessantes Detail hier: Offensichtlich hatte Charles de Gaulle seinerzeit gegen eine Mitgliedschaft Groß-Britanniens in der Europäischen Gemeinschaft votiert.

„Die EU ist ein gewaltiger Erfolg“, so der ehemalige Bürgermeister von Spaichingen, und weiter: „Aber die Bürger haben eine berechtigte Skepsis gegenüber Brüssel.“ Der Zentralismus sei vielen ein Dorn im Auge. Teufel verstand es mit der Erklärung des Subsidiaritätsprinzips, die Wichtigkeit Europas für jeden Einzelnen zu verdeutlichen. So sei der Einzelne zunächst für sich alleine verantwortlich. Danach kämen die Familie, die Gemeinde, der Kreis, das Land, der Bund in die Pflicht, Verantwortung für das zu übernehmen, was die nächst kleinere Einheit nicht zu leisten vermag. „Europa soll sich um die Aufgaben kümmern, die die einzelnen Mitgliedsstaaten nicht leisten können“, so Teufel nicht ohne Wehmut. Hier sieht er den deutlichsten Handlungsbedarf, damit Europa nicht scheitere.
Die Rolle Europas im internationalen Handel sei dabei ebenso wichtig wie bei der Terrorismusbekämpfung, der Lösung der Migrationsfrage oder beim Problem Klimawandel. Beim Thema Digitalisierung empfahl Teufel: „Hier muss sich Deutschland neu erfinden“ und weiter: „Wir haben viel erreicht. Aber es gibt nach wie vor Probleme, die wir aber Frieden und Freiheit nicht unterordnen dürfen.“
In seiner neuen Rolle als Vorsitzender des Geschichts- und Heimatvereins dankte Ex-OB Rupert Kubon mit edlen Tropfen Erwein Teufel für dessen Vortrag aus „Ihrem reichen Erfahrungsschatz“.