Kirchenmusiker wie Theologen sind sich einig: Die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach ist das wohl monumentalste Werk der Kirchenmusik. Einen in hohem Maße beeindruckenden und bewegenden Nachweis hat ein Konzert erbracht, das fünf hervorragende Solisten, rund 40 Instrumentalisten des Münchner Originalklangorchesters L'arpa festante und um die 100 Choristen im Franziskaner gegeben haben.
Zwei Männer am Taktstock
Die Herkulesarbeit der künstlerischen Leitung haben sich zwei Musiker geteilt, die beruflich vieles gemeinsam haben: Christian Schmitt, bis Ende 2012 Münsterkantor in Villingen und seitdem Domkapellmeister am Rottenburger Dom, hat das Dirigat des ersten Teils der Matthäus-Passion übernommen, Roman Laub, seit 2013 Münsterkantor in Villingen, den zweiten. Dieser Kooperation war auch zu verdanken, dass sich die Capella Nova Villingen, der Kammerchor am Rottenburger Dom und die Rottenburger Domsingknaben für diese Aufführung vereinigt haben.
Außerordentliche Qualität
Schon im großen Eingangschor der Passionsmusik wird eine außerordentliche Qualität des Musizierens hörbar, die über eine Fülle von nicht weniger als 68 Einzelpartien nie nachlassen wird. L'arpa festante, das in zwei komplett besetzten geteilten Kammerorchestern mit je etwa 20 Instrumentalisten die Aufgaben der umfangreichen Partitur zu erfüllen hat, geht rhythmisch prononciert, im Klang mit Intensität, doch ohne Schärfe zur Sache; die Chöre präsentieren sich mit aufmerksamem Engagement, mit intonationssauberer Geschlossenheit und hier mit einem ruhig fließenden, an keiner Stelle schleppenden Legato.

Schmitt leitet das Riesenensemble mit sparsamer Geste und souveräner Gelassenheit, Laub wird sich später von einer auf viel Präzision gerichteten energischeren Seite zeigen. Als der Evangelist in Person des Tenors Tilman Lichdi und der als Jesus agierende Bass Markus Flaig ihre Rollen aufnehmen, wird sofort und kurz darauf klar, was für ein exzellentes Solistenquintett gewonnen worden ist.
Die Idealbesetzung
Tilman Lichdi ist schlicht eine Idealbesetzung. Wie er seine klare, klangschöne und dabei kraftvolle Stimme mit einer vorzüglichen Artikulation und mit hoher Sensibiltät für die Textaussage verbindet, ist von seltener Klasse. Auch Flaig erweist sich als Sänger von Format. Mit seinem ebenfalls sehr klaren Bass strahlt er eine gefestigte Ruhe, eine Gewissheit und Gottergebenheit aus, die in hohem Grad authentisch wirken.
Feinfühlige Wärme
Auch der dritte Sänger im Bunde mit diversen Rollen in der Passionsgeschichte, Stefan Zenkl, vermag zu überzeugen. Seine stilvoll geführte Bassstimme besitzt eine klangliche Freiheit, die etwa in der Arie "Komm, süßes Kreuz" eine feinfühlige Wärme bekommt, die berührt.
Großes Musikerlebnis
Ein wunderbarer Alt wurde mit Ulrike Malotta gewonnen. Ihr "Erbarme dich, mein Gott" hat ergreifende Tiefe dank behutsam geformter Ausdruckskraft. Die Sopranistin Sabine Goetz schließlich hat mit ihrer dezenten Sensibilität ihren Teil zu einem insgesamt großen Musikerlebnis beigetragen.
Projekt Suppé-Requiem
Die Capella Nova hat bereits jetzt ihr nächstes Projekt im Blick. Am Totensonntag, 24. November, wird unter der Leitung von Roman Laub im Franziskaner das 1855 komponierte Requiem in d-Moll, die "Missa pro defunctis" von Franz von Suppé (1819-1895) aufgeführt. Beteiligt sind vier Vokalsolisten, der Villinger Oratorienchor, die Capella Nova und das Sinfonieorchester VS. Suppé, der besonders als Schöpfer der Wiener Operette bekannt ist, hat auch geistliche Musik geschrieben und ist dabei nach eigener Aussage mit besonderem Ernst vorgegangen. (gf)