In der Praxis von Zahnarzt Karsten Stern in Villingen werden Patienten im Wartezimmer nicht mehr mit Namen, sondern mit Nummern aufgerufen. Eine Mitarbeiterin ruft dann beispielsweise: "Patient Nummer 1834, bitte in den Behandlungsraum 1". Der Datenschutz lässt grüßen.

Anfangs, räumt der 51-jährige Zahnmediziner auf SÜDKURIER-Anfrage ein, reagierten einige Patienten befremdet, wollten nicht zur Nummer degradiert werden. Inzwischen aber sei dies akzeptierter Alltag in seiner Praxis. Denn es gehe um den Schutz der Privatsphäre der Patienten.

Anfangs Irritationen

Man könnte also von einer Stern-Stunde des Datenschutzes sprechen. Vor gut einem halben Jahr, so schildert der Zahnarzt, hat die Neuerung viele Reaktionen und Irritationen hervorgerufen. "Ja, bin ich bei Ihnen jetzt nur noch eine Nummer?", war die häufigste Frage empörter Patienten, die der Zahnarzt und seine Mitarbeiterinnen zu hören bekamen.

Stern pflegte dann stets zu antworten: "Nein, Sie sind bei uns keine Nummer! Sie werden nur mit einer Nummer aufgerufen." Und das selbstverständlich nur dann, wenn ein Besucher mit mehreren anderen Patienten im Wartezimmer sitzt.

"Ist er allein, sprechen wir ihn natürlich mit Namen an", betont der Zahnarzt. Selbstverständlich werden die Patienten auch im Behandlungszimmer und bei Vier-Augen-Gesprächen angesprochen wie immer.

Datenschutz neu durchdacht

Anlass für diese Neuerung, so erläutert Karsten Stern, war im vergangenen Jahr die Einführung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sein Ziel sei es gewesen, die neuen Anforderungen mit der ärztlichen Schweigepflicht sinnvoll und praktikabel zu verknüpfen. "Wir haben in unserer Praxis alles neu durchdacht, ganz viel diskutiert, eine Teamsitzung gemacht und überlegt, wie man den Patientenschutz konsequent umsetzen kann." Die Patienten-Nummer ist da nur ein Mosaik in einem Bündel von Maßnahmen.

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Zum Beispiel: Patientenakten auf dem Rechner-Bildschirm werden durch die Verbesserung der Software vor neugierigen Blicken geschützt, die PCs am Empfang so positioniert, dass nicht jeder Besucher draufschauen kann, die Herausgabe von Daten an Befugte zusätzlich mit Passwort gesichert, jeder Brief an Patienten mit dem Stempel "persönlich" versehen oder das Wartezimmer mit einer schalldichten Türe ausgestattet, damit nicht jeder Wartende mithören kann, was am Empfang gesprochen und telefoniert wird.

Eingerichtet hat Stern auch ein zusätzliches Besprechungszimmer, wo vertrauliche Gespräche mit Patienten geführt werden können. Beendet wurde die Möglichkeit, dass Patienten für ihre Angehörigen einen Arzttermin machen oder ändern können (Ausnahme sind die eigenen Kinder).

Negative Beispiele

Früher, so räumt der Zahnarzt ein, sei es mit dem Patientenschutz in manchen Details nicht ganz so genau genommen worden. Insofern betrachtet er die neue Datenschutzverordnung als "eine Chance", diesen Verpflichtungen sachgerecht nachkommen zu können.

"Es muss ja nicht jeder von anderen Patienten alles mitbekommen." In verschiedenen Arztpraxen oder Apotheken habe er schon negative Beispiele erlebt, die er in seinem Betrieb nicht haben möchte. Wenn im Praxisalltag eine Person mit Krankheitsbild, Namen und Daten durch Umstehende in Verbindung gebracht werden können, sei dies nicht gut.

Die Nummern-Girls 

Das Menschliche und Zwischenmenschliche beim Arztbesuch, davon ist Stern überzeugt, bleibt keineswegs auf der Strecke. Die Patienten seien ja nur bei ihrem Aufruf im Wartezimmer von der Änderung betroffen. Alles andere bleibe für die Besucher, wie es war. Inzwischen seien die Nummer-Aufrufe im Wartezimmer kaum noch ein Thema. Die Patienten seien über die Hintergründe informiert worden und hätten diese Form akzeptiert.

Nicht wenige hätten die Sache auch mit Humor genommen, etwa in der Weise, dass seine Praxis als "Nummern-Revue" oder die Mitarbeiterinnen als "Nummern-Girls" bezeichnet wurden. So etwas erheitert auch den Zahnarzt. Für Stern ist klar, dass er nach der Datenschutzverordnung zu dieser Nummer keinesfalls verpflichtet ist. Ihm erscheint es ihn seiner Praxis aber als geeigneter Weg, um eines zu erreichen: "Wir wollen die Privatsphäre unserer Patienten noch besser schützen."

Grundregeln des Patientenschutzes

Auf ihren Internetseiten informieren die Kassenärztliche- wie auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung oder die Landeszahnärztekammer ausführlich über die aktuellen Erfordernisse des Datenschutzes. Kai Sonntag, Pressesprecher Kassenzahnärztlichen Vereinigiung Baden-Württemberg, hebt folgende allgemeine Datenschutzhinweise für Arztpraxen hervor.

  • Weitergabe von Daten: Hier gibt es mit der im Mai 2018 in Kraft getretenen EU-Datenschutzgrundverordnung neue sicherheitstechnische Vorschriften für Rechner mit Patienten-Daten, die auch am Internet hängen. Hier müssen besondere Schutzmaßnahmen gegen Ausspähung getroffen werden.
  • Praxisintern: Patienten am Tresen dürfen keine Einblick auf die Bildschirme der Arzthelferinnen haben. Auch Karteikarten müssen vor neugierigen Blicken oder Zugriffen geschützt sein. Patienten-Ordner dürfen nicht nach Praxis-Schluss für Reinigungspersonal oder andere Unbefugte einfach zugänglich gelagert sein. Auch Mitarbeiterdaten müssen vor fremdem Zugriff geschützt sein. Patienten am Tresen oder im Wartezimmer sollen Telefonate der Arzthelferinnnen nicht mithören.
  • Informationspflicht: Die Informationspflicht des Arztes gegenüberüber den Patienten muss sichergestellt sein, etwa mit Aushängen in der Praxis.
  • Internetseite: Die Internetseite einer Praxis muss den geltenden Bestimmungen des Datenschutzes und Presserechts entsprechen.
  • Datenschutz-Beauftragter: Eine Praxis ab zehn Mitarbeiter benötigt einen namentlich benannten Datenschutzbeauftragten mit Rechten und Pflichten.
  • Spezifische Anforderungen: Je nach medizinischer Fachdisziplin und Organisationsgröße einer Einrichtung können die datenschutzrechtlichen Bestimmungen noch weitaus umfänglicher und fachspezifischer ausfallen.
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