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Das ist passiert: Beim traditionellen Aschermittwochsgottesdienst, am 14. Februar, in der Pfarrgemeinde St. Hilarius in Weilersbach trägt Pfarrer Alexander Schleicher wie immer den Gläubigen das Aschekreuz, gewonnen aus verbrannten Buchsbaumzweigen, auf die Stirn auf. Kurze Zeit später beklagen einige Gläubige, darunter auch der Pfarrer selbst, Rötungen (auch von Verätzungen sei die Rede gewesen) an der Haut, dort wo die Ausche aufgetragen worden war. Der Pfarrer zeigt sich nach dem Vorfall konsterniert, er konsultiert Ärzte, Apotheker und Chemiker. Außerdem schaltet er die Polizei und das Justiziariat im Erzbischöflichen Ordinariat Freiburg ein. Eine Erklärung gibt es bislang nicht. Gut eine Woche nach dem Vorfall und zwei Tage, nachdem der Vorfall öffentlich bekannt wurde, gibt der langjährige Pfarrgemeinderatsvorsitzende Joachim Grimm bekannt, dass er von seinem Amt zurücktreten werde. Und es wird eine öffentliche Pfarrgemeinderatssitzung einberufen. Diese fand am Donnerstagabend statt.
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Das sagt das Erzbistum: Auf Nachfrage erklärt Pfarrer Alexander Schleicher am Donnerstagmorgen, dass sich mit dem Fall nun das Erzbistum Freiburg befasse und auch nur dort noch Auskünfte zu erhalten seien. Michael Hertl, Pressesprecher des Erzbistums, ist am Donnerstagmorgen noch dabei, alle Fakten zu sammeln. Am Nachmittag sagt er dann Folgendes: „Nach den Angaben von Pfarrer Schleicher wurde die Verteilung des Aschekreuzes in der gleichen Weise wie im Vorjahr praktiziert, ohne dass damals ähnliche Wirkungen beobachtet worden seien.“ Sowohl Pfarrer Schleicher als auch die Erzdiözese Freiburg bedauerten zutiefst, dass Menschen durch einen liturgischen Ritus in unterschiedlicher Schwere ein schmerzhafter Schaden entstanden sei. „Sobald die Gründe dafür bekannt sind, werden die notwendigen Konsequenzen gezogen.“
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Eine mögliche Erklärung: Josef Kammerer ist Weilersbacher und Hobby-Entomologe. Seine Schwester war eine der Betroffenen. „Sie hatte an der Stirn kleine Bläschen, es sah aus wie eine Art Herpes“, sagt Kammerer. Schmerzen habe sie keine gehabt, wirklich ernst scheint es nicht gewesen zu sein, sagt er. Für Kammerer, den Hobby-Insektenkundler, war der Vorfall Anlass genug, sich in die Ursachenforschung zu begeben. Er hat sich in Fachforen schlau gemacht und nun folgende Vermutung: „Da die Asche aus Buchsbaumzweigen gewonnen wurde, könnten Pflanzenschutzmittel-Rückstände gegen Buchsbaumzünsler die Ursache sein.“ Der Buchsbaumzünsler ist ein Schmetterling, der nicht selten mit Chemikalien bekämpft werde, da er in der Lage ist, sich schnell zu vermehren, und ganze Buchsbaumbestände zerstören kann.
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Das sagt die Ortsvorsteherin: Ortsvorsteherin Silke Lorke kann sich zu dem Vorfall nur bedingt äußern, schließlich betreffe er die kirchliche und nicht die politische Gemeinde. Was sie sagt: „Ich finde es sehr bedauerlich, dass einige Kirchenbesucher durch dieses Aschegemisch verletzt wurden.“ Von den Auswirkungen habe sie durch Erzählungen erfahren. Ein wenig Recherche im Internet hat sie darauf stoßen lassen, dass aus Asche und Wasser eine Lauge entsteht. „Und soweit ich weiß, wurde sonst immer die reine Asche genommen.“ Den Rücktritt von Joachim Grimm bedauert Lorke. „Dass Joachim Grimm als Pfarrgemeinderatsvorsitzender zurücktritt, finde ich unheimlich schade, aber er hat sich diesen Schritt nicht leicht gemacht.“ Als Ortsvorsteherin wolle sie sich aus dem weiteren Geschehen in der Pfarrgemeinde heraushalten, sagt aber: „Ich fände es gut, wenn die Gegebenheiten vor Ort, die typisch für jede einzelne Kirchengemeinschaft sind, auch so bleiben können. Wir mussten in den letzten Jahren viele Pfarrerwechsel hinnehmen. Dies hat auch immer soweit geklappt, aber dafür ist es auch wichtig, dass die Basis nicht immer verändert wird.“
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Das sagt die Polizei: Eine Anzeige bei der Polizei liegt derzeit nicht vor, wie Dieter Popp, Sprecher des Polizeipräsidiums auf Nachfrage bestätigt. „Es gab lediglich eine Anfrage bei der Polizei, ob eine Anzeige möglich wäre“, sagt Popp. Fahrlässige Körperverletzung wäre der Tatbestand, der infrage kommen würde, sagt Popp. „Der wäre aber schon sehr weit hergeholt.“ Denn damit dieser Tatbestand erfüllt ist, müsste der Verursacher damit rechnen können, dass sein Verhalten zu einer Verletzung führt. „Das kann hier eigentlich nicht der Fall gewesen sein“, sagt Popp.
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Der Brauch: Der Brauch des Aschekreuzes an Aschermittwoch sei „ein absolut üblicher Ritus“, sagt Michael Hertl vom Erzbistum Freiburg. Üblicherweise werden dafür Buchsbaumzweige verbrannt und die Asche anschließend ein wenig mit Weihwasser besprenkelt. Die Zweige sind in der Regel die getrockneten Osterzweige aus dem Vorjahr. Mit dem Brauch soll zur Beginn der Fastenzeit die Vergänglichkeit des Menschen symbolisiert werden.
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Donnerstagabend: Das geschah in der öffentlichen Pfarrgemeinderatssitzung: Kaum hatte die Sitzung am Donnerstagabend begonnen, mussten die rund 50 Zuhörer den Gemeindesaal schon wieder verlassen, da der Tagesordnungspunkt zum Thema Aschekreuz nicht öffentlich behandelt wurde. Dies sorgte zunächst für einigen Unmut unter den Zuhörern. Als diese 15 Minuten später wieder in den Raum gebeten wurden, wurde lediglich eine Stellungnahme des Erzbistums verlesen. Die stellvertretende Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, Christine Blessing, machte deutlich, dass seitens des Gremiums keine weiteren Erläuterungen zu dem Vorfall erfolgen werden und auch keine Diskussion zugelassen werde. Diese Information nahmen die Zuhörer, von denen einige noch deutlich sichtbar rote Punkte auf der Stirn trugen, relativ gelassen auf. Sie stimmten im Vorraum des Gemeindesaal spontan einige Lieder an darunter „Muss i denn zum Städtele hinaus.“
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Abgedankt: Auch zu einem weiteren Tagesordnungspunkt, von denen sich die Zuhörer Klarheit erhofften, gab sich das Gremium wortkarg. Joachim Grimm, der am vergangenen Donnerstag sein Amt als Vorsitzender des Pfarrgemeinderats niederlegte, teilte in der Sitzung mit, dass er zu diesem Zeitpunkt lediglich die Pfarrgemeinderäte über die Gründe für sein Ausscheiden informieren werde. Der Öffentlichkeit wolle sich Grimm dann zu einem späteren Zeitpunkt mitteilen. Auf Nachfrage des SÜDKURIER sagte Grimm, dass eine öffentliche Äußerung über sein Ausscheiden am Abend „vom Gremium nicht gewünscht sei.“
Jochen Grimm teilte die Gründe für sein Ausscheiden als Vorsitzender des Pfarrgemeinderats der Seelsorgeeinheit An der Eschach gestern Abend nur hinter verschlossenen Türen dem Gremium mit. Eine offene Äußerung war, so Grimm gegenüber dem SÜDKURIER, seitens des Gremiums nicht gewünscht. Bild: Roland Sprich -
Noch ein Rücktritt: Kurz und knapp teilte auch die Schriftführerin Annette Butschle mit, dass sie ihre Zeit „künftig anderweitig einsetzen werde“ und ihr Amt ebenfalls niederlegte.
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