"Mit der ersten Mahnwache in diesem Jahr über die Sondergerichte der Nationalsozialisten betreten wir Neuland", begrüßte der Vorsitzende des Vereins Pro Stolpersteine Friedrich Engelke die 30 Teilnehmer an der Mahnwache. Mehr als 11 000 Todesurteile seien auf das Konto der Sondergerichte gegangen.
"Für diese Gerichte galt keine normale Prozessordnung", berichtete Engelke. Geurteilt wurde über Verbrechen gegen das Heimtückegesetz, Kriegswirtschaftsverbrechen, Volksschädlingsverordnung und Rundfunkverbrechen. Auch seien keine Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Sondergerichte zulässig gewesen. Die achte Auflage der Mahnwache im Zyklus 2017/18 erinnerte an den 23-jährigen Renatus Flick, einen von fünf Bahnarbeitern des Betriebswerkes Villingen, gegen die am Sondergericht in Freiburg vor 75 Jahren verhandelt worden war.
Im Wechsel erinnerten Wolfgang Heitner, Theo Leute und Friedrich Engelke an Flick, der im November 1940 vom Arbeitsamt zur Bahnmeisterei nach Villingen vermittelt wurde. Als Schrankenwärter soll er seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen sein. Beim Prozess führte das Gericht aus, dass Flick verspätet oder grundlos von Dienst ferngeblieben sei, einen Ruf als Taugenichts und Faulenzer habe und wegen Diebstahls in Fürsorgeerziehung war. Der Angeklagte habe Mundraub begangen, indem er von einem Wagen ein Paket an sich riss und den Inhalt, ein Huhn und zwei Kilogramm Äpfel, in seiner Unterkunft verzehrte. Der Angeklagte habe sich außerdem an für Kriegsgefangene bestimmten Sendungen vergriffen. Nach Paragraf 2 der Volksschädlingsverordnung wurde Flick mit der Höchststrafe für besonders schwere Fälle belegt und als Volksschädling zum Tode verurteilt.

Der Oberstaatsanwalt sprach sich mit Nachdruck gegen eine Begnadigung Flicks aus, weil er Unsicherheit in den Bahnbeförderungsverkehr der Reichsbahn gebracht hatte.
Am 6. April 1943 wurde Renatus Flick im Lichthof des Justizgebäudes von Stuttgart hingerichtet. "Sein letzter Wunsch war, einen Brief an seine Frau zu schreiben, von dessen Inhalt aber nichts bekannt wurde", erinnerte Engelke. Keiner der 17 Richter und sechs Staatsanwälte am Freiburger Sondergericht mussten sich nach dem Krieg für die gefällten gnadenlosen Terrorurteile verantworten.
Die nächsten Termine:
Die nächste Mahnwache findet am Sonntag, 14. Januar, um 19 Uhr in Schwenningen auf dem Muslenplatz statt. Bei dieser 56. Mahnwache seit Gründung des Vereins wird der Opfer des kirchlichen Widerstands gedacht. Am 21. Januar ist die Mahnwache wieder in Villingen auf dem Münsterplatz um 19 Uhr. Die Initiative „Pro Stolpersteine VS“ will Menschen aus der Stadt Villingen-Schwenningen und der Region zusammenbringen, die die Verlegung der Stolpersteine in Villingen-Schwenningen unterstützen.