Tradition und Brauchtum sind bei den Mitgliedern der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) ganz hoch angesiedelt – und wenn jemand sich mit wissenschaftlicher Leidenschaft in dieses Thema stürzt wie die Akademische Rätin Karin Bürkert aus Tübingen, dann ist das der zugehörigen VSAN-Kulturstiftung auf jeden Fall ein Forscherpreis wert. Und der ist immerhin mit 3000 Euro dotiert. Der Stiftungsratvorsitzende und Vereinigungschef Roland Wehrle bescheinigte der mit Urkunde und Blumenstrauß Geehrten eine hochinteressante Arbeit, die in der Laudatio von Jochen Schicht aus Villingen bestens zum Ausdruck kam.
Fragen, die bei der Forschung über die Fastnachtsforschung von der Kulturwissenschaftlerin beantwortet wurden, sind: Was wusste man in den 60er-Jahren über die Fastnacht? Und wie wurde neues Wissen erforscht, diskutiert und angewendet? Karin Bürgert beleuchtet in ihrem Buch "Fastnacht erforschen. Zur Herstellung und Vermittlung von Kulturwissen (1961-1969)" das Zusammenwirken von Fastnachtspraxis und Wissenschaft in der Volkskunde. Dabei traten einige interessante Fakten und markante Personen in Erscheinung – wie zum Beispiel Wilhelm Kutter, Rundfunkjournalist und VSAN-Kulturreferent. Bürkert freute sich sichtlich über die Würdigung und betonte: "Die Fastnacht ist noch nicht ausgeforscht. Ich werde in dieser Richtung weiter machen."
Tradition hat auch der Termin zur Stifterversammlung: Am 16. November 2002 wurde die Kulturstiftung der schwäbisch-alemannischen Fastnacht gegründet und immer an diesem Datum trifft man sich – jetzt am Mittwoch bei dem Medizintechnikunternehmen Karl Storz in Tuttlingen. Im Zeitalter der Globalisierung müsse das Brauchtum hoch gehalten werden, so Chefin Sybill Storz, die 120 Vertreter der 68 Mitgliedszünfte in ihrem Ausbildungszentrum begrüßte.
Stiftungsvorstand Max Stöhr berichtete von geordneten Finanzen und war froh, dass alle Häser wieder wohlbehalten im umgebauten Narrenschopf in Bad Dürrheim gelandet sind. Er legte den Anwesenden einen Besuch des Museums ans Herz. "Die rund 200 schönen und wertvollen Häser sind unser eigentliches Kapital", unterstrich der Stiftungsratsvorsitzende Roland Wehrle. Er berichtete von der Übernahme der Narrenschopf-Immobilie von der Stadt Bad Dürrheim. Nach der Aufnahme in die nationale Kulturerbeliste beabsichtige man zusammen mit dem Kölner Karneval den Weg zur Unesco zu gehen, um als Weltkulturerbe Geschichte zu schreiben. "Erste Kontakte sind geknüpft", so Wehrle.
Neben der jungen Forscherin zeichnete der Narrenchef auch Karl Bosch aus, Narrenrichter und viele Jahre Oberhaupt der Stockacher Narrenschar sowie Fürsprecher der Mundart. Bosch hat fünf Jahre in Argentinien gelebt und dort den indianischen Karneval live miterlebt. Als Anerkennung für die Abhandlung "Kirchenteufel – Fastnachtsteufel" überreichte ihm Wehrle einen Essensgutschein und das SÜDKURIER-Buch "Schwarzwald- Perle des Südens". Ferner wurde die Alt-Konstanzer Hanselezunft in die VSAN aufgenommen – mit Unterschrift, Brief und Siegel.
Die Preisträgerin
Karin Bürkert studierte von 2002 bis 2008 Empirische Kulturwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Politikwissenschaft in Tübingen. Von 2009 bis 2013 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie an der Universität Göttingen und promovierte mit der hier veröffentlichten Dissertation über die Herstellung und Vermittlung volkskundlichen Wissens am Beispiel der Fastnachtsforschung. Seit 2014 arbeitet sie als Akademische Rätin am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft in Tübingen.