Die Schulschließungen im März in Baden-Württemberg waren für viele Schulen ein großer Einschnitt. Für viele Schüler, Eltern und Lehrer wurde die darauf folgende Zeit zur Herausforderung. An der Freien Schule in Brigach hatten die Schüler hingegen kaum Probleme, sich an die neue Lernsituation zu gewöhnen. Das zumindest sagt Andreas Knecht, Schulleiter der Schule. Der Grund: Die Schüler seien das selbstständige Lernen gewohnt. Und auch jetzt mache es das Konzept der Schule einfacher, Unterricht zu organisieren.

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Heimunterricht – kein Problem

„Ich glaube schon, dass der Heimunterricht für unsere Kinder eine geringere Herausforderung war als für andere Kinder, die es nicht kennen, selbstständig zu lernen“, sagt Knecht. Nicht nur dies sei bei der Freien Schule Normalität, auch der Umgang mit Lernapps sei Teil des Lernangebots. Deshalb sei die Nutzung dieser von Zuhause aus kein Problem gewesen. Auch das Lernmaterial hätten die Kinder ganz oft schon zuhause gehabt. Wer Nachschub gebraucht habe, hätte in die Schule kommen können und die Lernbegleiter, so nennen sich dort die Lehrer, hätten es dann herausgereicht. Untätig seien die Lernbegleiter aber in der Zeit des Heimunterrichts nicht gewesen. „Wir haben Video-Online-Kurse angeboten, an denen die Schüler freiwillig teilnehmen konnten“, so Knecht. Dass sich Schüler noch abends online zum Lernen getroffen hätten, habe er auch mitbekommen.

Bild 1: Wegen besonderem Konzept: Freie Schule Brigach kämpft in Corona-Krise mit weniger Herausforderungen als andere Schulen
Bild: Freie Schule Brigach

Trennung nach Altersstufen

Doch immer noch etwas anders als sonst, verläuft derzeit der Unterricht an der Schule. Denn während die 32 Schüler sonst eine gemeinsame Lerngruppe bildeten, müssen sie, nach Corona-Verordnung, nun der Altersstufen entsprechend getrennt werden. Komisch sei diese Trennung lediglich für diejenigen Kinder, die sich gerade in einer Art Zwischenphase befinden. „Gerde die Kinder aus der fünften Klasse wechseln sonst gerne zwischen den jüngeren und den älteren Kindern hin und her“, sagt Knecht. Das ginge aber derzeit nicht. Probleme diese Trennung räumlich zu organisieren, gibt es an der Schule aber nicht. Denn für die Verteilung der 32 Kinder sei das Schulhaus in Brigach groß genug.

Bild 2: Wegen besonderem Konzept: Freie Schule Brigach kämpft in Corona-Krise mit weniger Herausforderungen als andere Schulen
Bild: Freie Schule Brigach

Eine Maskenpflicht gibt es an der Schule nicht. Und während in anderen Schulen unzählige Plakaten auf die Hygiene- und Abstandsregeln hinweisen und praktisch überall Desinfektionsmittel zur Verfügung steht, fehlt dies in der Freien Schule völlig. „Wir sind eine so kleine Schule, da reicht es aus, die geltenden Regeln mit den Kindern direkt zu besprechen. Dafür brauchen wir keine Schilder“, so Knecht. Und auch auf Desinfektionsmittel könne verzichtet werden. Denn Waschbecken stünden in jedem Klassenzimmer bereit und die Kinder würden regelmäßig ans Händewaschen erinnert.

Unterricht noch nicht mit Allen

Doch noch nicht alle Schüler kommen wieder regelmäßig in die Schule, so Knecht. Auch wenn die Kinder im Grundschulalter das inzwischen wieder dürfen und für sie auch das Abstandsgebot nicht mehr gilt. „Aber man merkt schon, dass es jetzt wieder mehr wird“, findet Knecht. Um den Überblick darüber zu behalten, wer da ist, hätten die Lernbegleiter einen Plan erstellt. Dadurch sei immer klar geregelt, wer wann kommt und wo er lernen kann. Die sonst fast vollständige Freiheit der Schüler ist daher durch die Corona-Verordnung etwas eingeschränkt. Doch gerade die jüngeren Kinder würden sich derzeit vor allem darüber freuen, ihre Schulfreunde wieder sehen zu können.

Trotz fehlender Elternbeiträge keine finanzielle Schieflage

Auch finanziell ist die Schule derzeit noch nicht in einer Schieflage. „Wir haben die letzten Jahre gut gewirtschaftet“, sagt Knecht. Auch wenn sich die Schule teilweise über die Elternbeiträge finanziert, die während der Schulschließung brach lagen, liege der Anteil lediglich bei zehn Prozent. 80 Prozent der finanziellen Mittel kämen vom Land. Trotzdem muss die Schule in Vorleistung gehen und erhält dieses Geld als Abschläge, also bei Rechnungsabschluss am Ende des Jahres. Das soll sich in diesem Jahr ändern. Denn das Land hat beschlossen die Zuschüsse den Schulen in freier Trägerschaft bereits vor dem Rechnungsabschluss auszuzahlen.

Das unterscheidet den Unterricht in der Freien Schule Brigach von dem an anderen Schulen

  • Anlehnung an Montessori: Die Freie Schule Brigach lehnt ihr Konzept an das von Montessori-Einrichtungen an. Die Grundidee ist, dass Kinder den Willen haben, selbstständig neue Dinge zu lernen. Anstelle eines Stundenplans, stehen den Kindern zahlreiche Unterrichtsmaterialien zur Verfügung. Daraus können sie sich selbst das heraussuchen können, das sie gerade interessiert. Frontalunterricht gibt es nicht. Den Kindern wird nicht vorgeschrieben, welche Fächer sie wann lernen müssen und auf welche Weise sie dies tun. „Wenn ein Kind neu zu uns kommt und sich im ersten halben Jahr nur für Mathe interessiert, aber nicht für das ABC, dann ist das in Ordnung so“, sagt Knecht. Doch wenn die Lernbegleiter, so nenne sich dort die Lehrer, merken würden, dass sich ein Kind über sehr lange Zeit nur mit einem Thema beschäftigt, würde das Gespräch gesucht.
  • Schnelle Sprünge durch freies Lernen: „Lernen ist kein linearer Prozess“, sagt Knecht. Auch wenn manche Kinder etwas später lesen und schreiben lernen würden, habe er die Erfahrung gemacht, dass die Kinder oft schnelle Sprünge machen, sobald sie anfangen, sich dafür zu interessieren. Hausaufgaben werden den Kindern keine aufgegeben. Knecht sagt: „Die Kinder sollen nachmittags Zeit für ihre Familie haben.“ Sich freiwillig Aufgaben mit nach Hause zu nehmen, sei allerdings nicht verboten.
  • Morgenkreis als Ritual: Die Schule beginnt um 8 Uhr morgens mit einem Morgenkreis. Darin wird besprochen, was sich die Kinder für diesen Tag vorgenommen haben. Der Unterricht endet um 12.45 Uhr mit einem Abschlusskreis. Bei diesem stellen die Kinder vor, was sie an diesem Tag gelernt haben. „Das kann für die anderen Kinder auch als Inspiration dienen“, so Knecht.
  • Schule ohne Noten: Klassenarbeiten oder gar Noten gibt es an der Freien Schule nicht. „Uns ist es wichtig, dass die Kinder frei von Leistungsdruck lernen können und so auch die Motivation erhalten bleibt, sich Neues anzueignen“, sagt Knecht.
  • Schüler machen trotzdem Abschluss: Einen Abschluss können die Schüler der Haupt- und Werkrealschule dennoch machen. Dafür müssen sie eine Schulfremdenprüfung ablegen. Da sie vorher keine Noten bekommen haben, zählt für das Zeugnis ausschließlich die Leistung aus der Prüfung. Deshalb sind für sie die mündlichen Prüfungen, anders als an anderen Schulen, verpflichtend. Inzwischen haben die Schüler des diesjährigen Abschlussjahrganges diese erfolgreich hinter sich gebracht, so Knecht.