Lena Mehren

Jessica Keller vom Verein Meerschweinchenhilfe war geschockt, als sie dieser Tage 35 verwahrloste Meerschweinchen in einer Garage im Stadtgebiet fand. Der Zustand der Tiere und die Umstände, in denen sie lebten, erschütterten die 26-Jährige. "Die Temperaturen in der Garage waren im tiefen Minusbereich. Es gab kein Wasser, Heu oder Futter. Die Tiere waren schutzlos ohne Häuschen auf einer durchnässten Matratze", berichtet die junge Frau aus St. Georgen. Die Tiere waren an der Grenze zum Überleben. Ein Großteil der Tiere sei verletzt gewesen und gekennzeichnet durch Bisswunden am gesamten Körper sowie der Mangelversorgung über mehrere Wochen.

Hinweise auf die katastrophalen Zustände habe sie aus der Nachbarschaft des Halters bekommen. "Eine verzweifelte Frau hat sich an den Verein gewandt und berichtete, welche Zustände sie in der Garage beobachtet hat. Mit ihr gemeinsam haben wir dann das weitere Vorgehen beschlossen", berichtet Keller.

Der Kontakt zum Halter verlief ausschließlich über die Frau. Sie berichtete Jessica Keller auch, wie alles angfing. Der Halter habe sich im Mai 2016 auf einem Kleintiermarkt ein Meerschweinchenpärchen geholt in der Annahme, es seien gleichgeschlechtliche Tiere. Es handelte sich allerdings um ein Männchen und ein Weibchen. Bis zum Spätherbst seien aus den zwei Tieren schließlich 50 Tiere geworden, die sich untereinander vermehrten.

Ein Tierarzt sei dann gekommen, um die Tiere gegen Milben zu behandeln. Als er die zahlreichen Tiere sah, nahm er 30 Stück davon mit. Die restlichen Tiere vermehrten sich weiter, bis Jessica Keller gemeinsam mit Nina Enchelmaier, Vorsitzende des Vereins und Leiterin der Hilfsstelle in Villingen, die Tiere nun aus der Garage befreite. "Zunächst nahmen wir die verletzten Tiere, die Babys und Weibchen mit. Elf männliche Schweinchen mussten wir aus Platzmangel erstmal zurücklassen, konnten sie aber kurze Zeit später ebenfalls retten", berichtet Jessica Keller. Der Tierschutz in der Region unterstützte sie tatkräftig. "Die Station Villingen hat sechs Tiere aufgenommen. In Gomaringen sind auch zwei Tiere. Zwölf sind bei mir in St. Georgen und den Rest haben wir auf weitere Tierschutzvereine aufgeteilt", sagt Keller.

Solch eine große Rettungsaktion hat die junge Bergstädterin, die seit März 2016 die Station St. Georgen betreut, noch nicht erlebt. "Es ist eine große Herausforderung, aber ich bin sehr glücklich, dass wir alle Tiere retten konnten", so Keller. Alle Meerschweinchen werden überleben. Ungewiss ist jedoch die Zukunft zahlreicher Babys. "Alle 16 Weibchen erwarten Nachwuchs. Ob die Babys durch die Mangelversorgung und die Inzucht überlebensfähig sind, wissen wir noch nicht", sorgt sich Keller.

Durch die Inzucht fehlen den Tieren teilweise einzelne Augen und sie können sich nicht richtig fortbewegen. Die Verpflegung und ärztliche Versorgung sorgt für hohe Kosten, die der Verein Meerschweinchenhilfe zahlt. Er finanziert sich durch Spenden und Jessica Keller hofft auf weitere Unterstützung: "Im Moment ist jeder Cent Gold wert", sagt die Familienmutter, die gerne in Kauf nimmt, dass sie derzeit nicht im Esszimmer essen kann, da es voll ist mit Meerschweinchen.

Der Verein

Meerschweinchenhilfe e.V. ist ein Tierschutzverein, der sich für Meerschweinchen einsetzt und vorrangig im Großraum Stuttgart aktiv ist. Die Mitglieder nehmen kranke und in Not geratene Tiere auf. Die Pflegestelle in St. Georgen gibt es seit März 2016 und wird von Jessica Keller betreut. Weitere Informationen sind auf www.meerschweinchenhilfe.de zu finden. (lem)