Vorwiegend jüngere Frauen, aber auch mehrere Männer, besuchten die Veranstaltung, die vom Jugend-Quintett der Stadtmusik musikalisch begleitet wurde.
Renate Bökenkamp vom örtlichen Heimatverein gestaltete den Auftakt als vornehme Dame im langen Kleid und mit passendem Hütchen. "Ich lebe um die Jahrhundertwende vor 120 Jahren und bin die gebildete Tochter eines Geschäftsmannes", präsentierte sich die SÜDKURIER-Redakteurin im Ruhestand. Damals durften die Mädchen einen Beruf im pädagogischen, sozialen oder pflegerischen Bereich erlernen, doch wenn sie heirateten, mussten sie ihren Beruf für immer aufgeben.
Frauenwahlrecht wurde hart erkämpft
Bökenkamp gab einen Überblick über die Zeit, in der Frauen total von Männern abhängig waren und berichtete vom mutigen Kampf um die Gleichberechtigung. Die Referentin verdeutlichte den schwierigen Weg der Feministinnen, die von allen Seiten angegriffen und verspottet wurden.

Trotzdem forderten mehr als 50 Frauen-Organisationen 1918 in einem Schreiben an Reichskanzler Max von Baden das Wahlrecht. "Und sie hatten Erfolg, denn vor 100 Jahren durften in Deutschland erstmals Frauen ab 20 Jahren zur Wahlurne gehen", wusste Bökenkamp. Doch erst knapp 50 Jahre später wurde in St. Georgen die erste Stadträtin gewählt. Es war Hedwig Lina Wentzell, die für die SPD antrat. "Das Frauenwahlrecht ist nicht vom Himmel gefallen, es wurde hart erkämpft", betonte die Referentin und leitete über zur Podiumsdiskussion.
Die Hausherrin Ute Scholz stellte die Gäste auf der Bühne vor. Unter der Leitung der SÜDKURIER-Redakteurin Nathalie Göbel kamen die ehemaligen Stadträtinnen Heidi Bergis (Grüne), Anita Kienzler (CDU) und Renate Siebold (SPD), sowie Martina Braun (Landtagsabgeordnete der Grünen), Karl Rombach (Landtagsabgeordneter der CDU) und Gerhard Mengesdorf (Vorsitzender der örtlichen FDP) miteinander ins Gespräch.
Für mehr Frauen in den Gremien – gegen Frauenquote
Nur die Freien Wähler fehlten auf dem Podium. "Niemand darf mitdiskutieren, der in diesem Jahr wieder kandidiert und wir kandidieren alle", informierte der Vorsitzende Marc Winzer unsere Zeitung. "Gibt es bei der Gleichberechtigung noch Nachholbedarf?", wollte die Moderatorin wissen. Einmütig wurde bemängelt, dass derzeit der Frauenanteil in den Gremien nicht nur stagniert, sondern sogar zurück geht. "Früher waren wir sechs Frauen im Gemeinderat, jetzt sind es nur noch vier unter 18 Männern", monierte Anita Kienzler. Auch dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommen, kritisierte sie.
Die Frauenquote lehnten fast alle Diskutanten ab. "Sie ist kein Allheilmittel", zeigte sich Gerhard Mengesdorf sicher. Martina Braun plädierte für paritätische Listen, aber ohne Quote, während Heidi Bergis die Quote als wichtig bezeichnete, bis das Ziel erreicht sei. Gerätselt wurde, warum Frauen, die 50 Prozent der Bevölkerung stellen, vorwiegend Männer wählen. "Unsere Kolleginnen wählen nicht so gerne Frauen, weil sie befürchten, dass dann deren Haushalt vernachlässigt wird", schmunzelte Braun und erntete damit Heiterkeit im Publikum.
Die Politikverdrossenheit brachte Nathalie Göbel ebenfalls zur Sprache. "Es wäre schlimm, wenn es heißen würde: Es ist Wahl und keiner geht hin", sagte Renate Siebold. "Wer nicht wählt, darf nachher auch nicht meckern", so Kienzler. "Wir müssen schon den Jugendlichen beibringen, wie wichtig jede Stimme ist", mahnte Karl Rombach, der nicht verstehen konnte, dass die Wahlbeteiligung manchmal nur 20 Prozent beträgt. Mit dem Appell "Macht von eurem Wahlrecht Gebrauch und mischt euch lautstark ein", beendete Ute Scholz die Veranstaltung.
Mutige Frauen
Auch heute noch gibt es mutige Frauen, wie bei der Podiumsdiskussion betont wurde. Hingewiesen wurde auf Malala Yousafzai und Nadia Murat, die für ihren lebensgefährlichen Einsatz den Friedensnobelpreis erhielten. Auch die schwedische Schülerin Greta Thunberg, die zu Klima-Demos aufruft, wurde nicht vergessen. (kim)