Eine wochenlange Suchaktion im Schwarzwald findet im März ihr trauriges Ende. Am Ufer der Brigach in Donaueschingen wird eine männliche Leiche gefunden. Ein DNA-Abgleich bringt die Gewissheit: Dirk Brünker lebt nicht mehr.
77 Tage galt der Villinger als vermisst. Am 23. Dezember 2022 verlässt der 61-Jährige das Gasthaus Ott in der Villinger Innenstadt – dann verliert sich seine Spur.

Seine Familie meldet den 61-Jährigen als vermisst. Bei der Polizei greift nun ein festes Schema. Bereits einen Tag später, an Heiligabend 2022, ist sie das erste Mal im Einsatz. Mit Hubschrauber und Wärmebildkamera überfliegen Einsatzkräfte den Bereich von der Villinger Färberstraße Richtung stadtauswärts.
Über zwei Stunden hinweg konzentriert sich die Flugroute auf den Raum Warenburgstraße, das Waldgebiet Laible sowie die Villinger Stadtteile Rietheim und Marbach. Die Anstrengungen bleiben erfolglos.
Hunderte Menschen suchen nach Dirk Brünker
Am zweiten Weihnachtsfeiertag startet die Familie eine eigene Suchaktion. Über 400 Menschen kommen am Romäusring in Villingen zusammen. Sohn Kai Brünker, Fußballprofi beim Zweitligisten 1. FC Magdeburg, hält eine bewegende Ansprache.

Es habe keinerlei Anzeichen gegeben, dass sein Vater mental in einer schwierigen Lage sein könnte, sagt er. Die Zeit dränge, denn Dirk Brünker sei gesundheitlich zur Stabilisierung auf Medikamente angewiesen. „Wir suchen jetzt seit 60 Stunden nach ihm.“
Viele Rettungsdienste beteiligen sich an der Suche. Der DLRG paddelt mit Schlauchbooten bis Geisingen und sucht im Villinger Raum sämtliche Uferbereiche ab – vergeblich.

Auch die Polizei durchkämmt am 26. Dezember erneut das Laiblewaldgebiet. Die Spürhunde sollen an diesem Tag mehrfach einer Spur gefolgt sein. Doch im Bereich der Kläranlage verlieren die Tiere die Fährte des 61-Jährigen.
Versuche, über Videokameras am Gefängnis zu klären, in welche Richtung Dirk Brünker gelaufen sein könnte, scheitern.
Fußballprofis vom FC Magdeburg helfen mit
Auch in der Nacht zum 27. Dezember fliegt der Polizeihubschrauber über Villingen. Wieder beteiligen sich viele Menschen morgens an der Suche. Selbst Profifußballer des FC Magdeburg sind gekommen, um ihrem Kollegen Kai Brünker bei der Suche nach seinem Vater zu helfen.
Auch Dirk Brünker war über Jahrzehnte Fußballer, spielte bis zu seinem Karriereende 1992 beim FC 08 Villingen.

Am 28. Dezember, fünf Tage nach dem Verschwinden von Dirk Brünker, suchen noch immer über 100 Polizisten nach dem 61-Jährigen.
Beamte laufen die Brigach an beiden Ufern zu Fuß ab, ein Suchhubschrauber ist erneut im Einsatz und fliegt das Gebiet bis nach Donaueschingen mit einer Wärmebildkamera ab.
Das Schicksal berührt nicht nur die Menschen im Schwarzwald. Viele helfen privat bei der Suche mit. Einer von ihnen ist Rene Wellinger. Der 31-Jährige opfert seine Weihnachtszeit und fährt tagelang Wiesen und Wälder mit seinem Quad ab.

Von den Behörden bekommt er grünes Licht für seinen Einsatz. Doch auch diese Suche bleibt vergeblich.
Handy von Dirk Brünker kann nicht geortet werden
Ein Ortungsversuch des Mobiltelefons bleibt erfolglos. Das Gerät des Gesuchten ist „entweder ausgeschaltet oder der Akku ist leer“, sagt Polizeipräsidiumssprecher Jörg-Dieter Kluge am 28. Dezember. Auch Herstellerfirma Apple, die die Polizei in Kalifornien kontaktiert, und der Netzbetreiber können nicht helfen.
Am Abend des 23. Dezember war das Mobiltelefon letztmals eingeloggt. Seitdem ist die Leitung tot.

Sechs Tage nach dem Verschwinden von Dirk Brünker kommt das Technische Hilfswerk zum Einsatz. 16 Männer des THW suchten erneut den Laiblewald ab, diesmal in der Nähe der Warenbergschule.

Am Marbacher Wehr sondieren Taucher des Technischen Hilfswerk zusätzlich das Warenbachgelände.
Auch diese Aktionen bleiben ohne Erfolg. Polizeibeamten untersuchen zudem den Bereich einer früheren Arbeitsstätte des 61-Jährigen.
Polizei setzt Spezial-Hubschrauber ein
Mit der Suche rund um Villingen und in der Stadt „sind wir jetzt langsam am Ende unserer Möglichkeiten“, sagt Polizeipräsidiumssprecher Jörg-Dieter Kluge am 28. Dezember. Doch es gibt noch andere Spuren.
„Die Polizei geht nun weiter allen Hinweisen nach und bearbeitet den Fall Schritt für Schritt.“ Am 30. Dezember spricht Kluge von bislang „etwas über 50 Hinweisen“, die zu dem Vermisstenfall eingegangen seien.

Im neuen Jahr geht die Suche nach Dirk Brünker weiter. Noch immer geht die Polizei von einem Vermisstenfall ohne Gewalteinwirkungen aus.
Am 2. Januar 2023 verfolgen die Beamten zwei Handlungsstränge: Zum einen führen sie Gespräche mit dem Umfeld des 61-Jährigen. Zum anderen wird noch einmal das Handy hinzugezogen. Führt eine Auswertung letzter Datenverkehrsströme zu Hinweisen?

Am 4. Januar fliegt ein mit Spezialkameras ausgestatteter Hubschrauber über den Marbacher Angelsee. Es ist das vierte Mal, dass ein Hubschrauber in diesem Vermisstenfall zum Einsatz kommt. Zuvor untersuchen Polizisten erfolglos das Sportgelände in Brigachtal.
Auf den Spuren des Handys
Am Vormittag des 5. Januar sondieren Polizisten ein Waldstück in Brigachtal. Mit Spürhunden und Suchsonden durchkämmen die Beamten einen Waldabschnitt, der sich oberhalb der Landstraße von Grüningen nach Klengen befindet.

Hier soll Dirk Brünkers Mobiltelefon zuletzt Netz gehabt haben, heißt es aus Ermittlerkreisen. In diesem Waldstück geht die Suche auch an Dreikönig weiter.
Auf private Initiative sind Vermisstenspürhunde aus Schorndorf im Einsatz. Auch diese Spur bringt keine Ergebnisse.

Keine Spur von Dirk Brünker
Am 10. Januar rücken Polizeihundeführer mit sechs Leichenspürhunden zu zwei Orten aus: Bei Villingen vor Volkertsweiler und bei Donaueschingen im Stadtteil Aufen wird gesucht. Das Polizeipräsidium kommentiert diese Einsätze mit „Überprüfungen von Hinweisen“.
Am Vormittag des 11. Januars durchkämmen Dutzende Polizisten ein Stück im Villinger Neuhäuslewald – das Gelände, das am 10. Januar mit Leichenspurhunden sondiert worden war. „Es gibt Hinweise, wonach sich der Gesuchte zuletzt hier aufgehalten haben könnte“, sagte Polizeisprecher Jörg-Dieter Kluge.
Am 14. Januar sucht der DLRG erneut entlang der Brigach. Doch vom vermissten Dirk Brünker fehlt weiterhin jede Spur.
Gibt es einen Suchaufruf im Fernsehen?
Die Polizei gibt die Hoffnung dennoch nicht auf. „Der Fall bleibt geöffnet‘, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums, Dieter Popp. Ein Suchaufruf im Fernsehen könnte in Betracht gezogen werden.
„Für Aktenzeichen XY ist der Fall eher nicht geeignet“, so Popp, es gebe aber „andere Formate“, die vielleicht in Frage kommen könnten. Und: „Es gibt derzeit wieder neue Hinweise, deren Plausibilität wir natürlich prüfen.“

Im Gebiet zwischen Niederwiesenstraße, entlang des Unteren Dammwegs und im Bereich Mühlenstraße bis zur Firma „Villerit“ durchkämmen die Polizisten Uferbereiche, Firmengelände und Hinterhöfe.
Zudem verteilen die Beamten Flyer mit einer Personenbeschreibung und einem Bild von Dirk Brünker.

Auch der Laiblewald beim Magdalenenberg wird am 9. Februar erneut abgesucht. Von der Aktion bleiben Toilettenpapierfetzen an Zweigen und Gebüschen übrig.
„Die Beamten müssen die Stellen irgendwie markieren, an denen schon gesucht wurde. So wird vermieden, dass Bereiche doppelt abgesucht werden“, erklärt Polizeisprecher Jörg-Dieter Kluge.

Zwei Zugverbindungen rücken in den Fokus
Bringt der Nahverkehr eine neue Spur im Fall Dirk Brünker? Die Kriminalpolizei nimmt die Züge ab dem Villinger Bahnhof in den Suchfokus auf. Insbesondere der Ringzug und die Linie durchs Brigachtal sollen genauer überprüft werden.
Speziell interessiert sich die Polizei für den Ringzug um 21.23 Uhr, der am 23. Dezember 2022 vom Gleis 3 in Villingen abfuhr und mit Zwischenhalten in Marbach, Brigachtal, Grüningen und Aufen um 21.40 Uhr in Donaueschingen ankam.
Um 21.37 Uhr verließ zudem der Schnellzug S1 den Villinger Bahnhof vom Gleis 1 und traf zehn Minuten später in Donaueschingen ein.
„Wir hoffen bis zum Schluss“
Seit über 40 Tagen gibt es keine Spur von Dirk Brünker. Am Vormittag des 14. Februars untersucht die Polizei einen Bereich zwischen dem Aussichtsturm an der Schwenninger Steig und dem Wohngebiet „Wanne“. Doch der Villinger bleibt verschwunden – auch am Tag seines Geburtstages.
Noch immer wartet seine Familie auf eine Nachricht. „Wir sind am Ende“, sagt seine Ehefrau Michaela Brünker über die anhaltende Ausnahmesituation – aber auch: „Wir hoffen bis zum Schluss“.

Über 100 Polizisten bei großangelegter Aktion
Eine für den 23. Februar angesetzte Durchsuchung des Waldstücks bei Grüningen wird kurzfristig abgeblasen.
Am 2. März findet dann die bisher größte Suchaktion statt. Über 100 Polizisten durchkämmen den Weißwald zwischen Beckhofen im Brigachtal und Grüningen vor Donaueschingen – dort, wo sich das Handy von Dirk Brünker am Abend seines Verschwindens in ein Funknetz eingewählt haben soll.

Ob der Vermisste zu diesem Zeitpunkt sein Handy noch bei sich hatte, ist eine von vielen offenen Fragen in dem Fall. Um 17.45 Uhr an diesem Tag muss die Polizei auch dieses Mal vermelden: „Die Suche ist beendet, ergebnislos.“
Traurige Gewissheit im Fall Dirk Brünker
Am 9. März, 77 Tage nachdem Dirk Brünker spurlos verschwindet, entdecken Spaziergänger eine Leiche am Ufer der Brigach in Donaueschingen. Die Kleidung deutet darauf hin, dass es sich um den Vermissten handelt, auch sein Ausweis wird gefunden.

Der DNA-Abgleich am Tag darauf bringt die endgültige Bestätigung. Ein Gewaltverbrechen schließt die Polizei vorläufig aus, sie geht von einem Unfall aus. Einige Tage später wird ein vorläufiger Obduktionsbericht diese Annahmen bestätigen.
Dreimal hatten Suchtrupps die Brigach ab Villingen abgesucht. Auch die Uferbereiche wurden mehrfach durchkämmt. Warum blieb das alles erfolglos? Polizeisprecher Jörg-Dieter Kluge sagt am 10. März zum SÜDKURIER: „Auch Taucher können nicht jeden Zentimeter des Baches in Augenschein nehmen.“
Dass die Leiche nun plötzlich in Donaueschingen aufgetaucht ist, könne auch am Sturm in der Nacht zu Donnerstag liegen – oder am starkem Regen, der das Wasser in der Brigach ansteigen ließ. „Wir werden das letztlich wohl nie genau wissen“, sagt Kluge.
Bewegende Worte von Sohn Kai Brünker
77 Tage lang trieb das Schicksal von Dirk Brünker die Menschen in der Region um. Zahlreiche Menschen halfen bei der Suche mit, viele von ihnen auch privat. Die Ermittler haben den Fall abgeschlossen. Wo und wie Dirk Brünker verunglückt ist, bleibt ungeklärt.
Am Wochenende nach dem traurigen Fund wendet sich Sohn Kai Brünker auf Instagram an die Öffentlichkeit und dankt im Namen der Familie den vielen Helfern: „Ob in der Heimat, in Magdeburg oder deutschlandweit, ihr alle habt Eure Unterstützung angeboten, Wärme gegeben und uns die Hand gereicht.“
„Es fühlt sich an, als würde ein riesengroßer Ballast von uns abfallen“, schreibt der Fußballprofi vom FC Magdeburg, und weiter: „Der Schmerz sitzt sehr tief, doch es wird Ruhe einkehren. Wir sind als Familie endlich wieder vereint.“