Als Dennis Gerber den Ablehnungsbescheid seiner Krankenkasse im Briefkasten findet, kann er es nicht glauben. Erneut will die Vivida BKK Schwenningen die Kosten für einen Blindenführhund nicht übernehmen. Und das, obwohl er bereits vor zwölf Jahren seinen ersten Blindenhund gerichtlich erfolgreich erstritten hat. Ein ausgebildeter Blindenführhund kostet rund 30.000 Euro.
Erbliche Netzhauterkrankung
Dennis Gerber ist zu 100 Prozent schwerbehindert. „Vor dem Gesetz gelte ich als blind, obwohl ich noch einen kleinen Sehrest habe“, schildert er. Der 39-Jährige leidet seit seiner Geburt an der Augenerkrankung Retinitis pigmentosa (RP), eine erblich bedingte Netzhauterkrankung. Viele Patienten erblinden im Laufe ihres Lebens vollständig.
Sindy wird abgelehnt
Nachdem Gerbers erster Hund Nubi schwer krebskrank war und eingeschläfert werden musste, hat er sich auf die Suche nach einem Nachfolger gemacht – und diesen auch gefunden. Doch die Krankenkasse sagt: Nein. Die von Gerber in einem Ausbildungszentrum in Österreich ausgewählte Schäferhündin Sindy sei nicht geeignet, weil sie an Hüftdysplasie (HD) erkrankt sei.

„HD Grad B“ steht im Bericht des Tierarztes über Sindy, der dem SÜDKURIER vorliegt. Und weiter: „Aufgrund der vorliegenden Röntgenaufnahmen von Schulter/Ellbogen, LWS-KB und
Hüftgelenken kann die Hündin als Blindenführhund eingesetzt werden.“
Auch HD-B ist zugelassen
Doch die Krankenkasse sieht das anders. Dennis Gerber ist sauer. „Von den Qualitätskriterien der Krankenkassen sind die Klassen HD-A und B zugelassen“, sagt er. Das bestätigt auch das Ausbildungszentrum Independence Dogs.
Verwunderung in der Hundeschule
„Es ist im Bundesanzeiger 117/1993 festgehalten, dass Schäferhunde mit einer Übergangsform der Hüfte mit Grad B als Blindenführhunde zugelassen sind“, schreiben Ingrid Sweeney und Maria Gerstmann von Independence Dogs auf Anfrage. Sindy sei ein sehr talentierter Hund und für einen sportlichen Menschen wie Dennis Gerber sehr gut geeignet.
Neuer Befund wird eingeholt
„Vom tiermedizinischen Röntgenologen wird in Sindys Befund festgehalten, dass der Hund bedenkenlos als Blindenführhund eingesetzt werden kann. Somit ist die Ablehnung der Krankenkasse nicht nachvollziehbar.“
Da man wisse, dass es im Auge des geschulten Betrachters liege, ob die Gelenke bei einer minimalen Übergangsform mit A oder B bewertet werden, eine neuerliche Befundung der Röntgen in Auftrag gegeben.
Dennis Gerber hat einen Anwalt eingeschaltet. „Der Tierarzt hat den Hund für die Ausbildung freigegeben. HD-B heißt nicht, dass der Hund zwangsläufig Probleme bekommt.“
Dennis Gerber ist sicher: „Die Krankenkasse will auf Zeit spielen.“ Aktuell sei Sindy noch für ihn reserviert. „Doch ewig geht das natürlich nicht.“ Er kann nicht nachvollziehen, dass die Krankenkasse nach einer ersten Schlappe vor Gericht nun erneut eine Kostenübernahme verweigert.
Krankenkasse hält dagegen
Bei der Vivida BKK heißt es auf Anfrage: „Weil der beantragte Hund eine Hüftdysplasie hat, haben wir ihn abgelehnt.“ Es handle sich um „einen bestätigten HD-Befund“. Außerdem habe man eine Folgeversorgung in einer Führhundeschule genehmigt, die Dennis Gerber jedoch abgebrochen und nach Österreich gewechselt habe. Man wolle den Kunden lange versorgt wissen und lehne daher einen Hund mit Befund HD-B ab.

Nur eine Schule in Baden-Württemberg
Der 39-Jährige bestreitet nicht, dass er sich auch an einer anderen Hundeschule umgesehen hat. Doch: „Ich hatte von der anderen Schule lediglich einen Kostenvoranschlag, da man für den Antrag bei der Krankenkasse einen benötigt. Da diese Führhundeschule die einzige in Baden-Württemberg ist, hatte ich auch vor, einen Hund von dort zu beziehen.“
Bereits anderweitig versprochen
Doch zum einen habe es dort zwischenmenschlich nicht gepasst. „Zum Beispiel wurde mir eine Hündin vorgestellt, die bereits jemandem versprochen wurde. So etwas finde ich nicht in Ordnung.“ Zudem habe man ihm gesagt, er solle sich auch anderweitig umschauen. „Da ich danach fast ein Jahr gar nichts mehr gehört hatte, hat sich das mit Sindy ergeben.“
Nun prüft der Medizinische Dienst
Der Anwalt habe der Krankenkasse eine Frist gesetzt, um auf den Widerspruch zu reagieren. Die Vivida BKK habe daraufhin die tierärztlichen Unterlagen angefordert, damit der Medizinische Dienst (MDK) sie prüfen könne. Bei diesem, so die Krankenkasse, liege letztlich die Entscheidung.