„Unsere Team-Nummer lautet 250626“, sagt Hans-Jürgen Götz aus Brigachtal. Die Zahl kennt er mittlerweile auswendig. Seit Ende Februar ist er Teil einer weltweiten Unterstützergemeinschaft, die die Rechenkapazität ihrer privaten Computer der Wissenschaft zur Verfügung stellt.

Dezentrales Rechenprojekt: Folding@Home (FAH) nennt sich das Projekt der Stanford-Universität in den USA. Ziel ist es, gefährliche Krankheiten besser zu verstehen und verschiedene Proteine zu berechnen, die möglicherweise Viren davon abhalten können, an die Wirtzellen im menschlichen Körper anzudocken, also um Medikamente oder Impfstoffe zu entwickeln. FAH existiert bereits seit dem Jahr 2000. Mit Hilfe der angeschlossenen Computer werden Krankheiten wie Krebs, Dengue-Fieber, Hepatitis und Ebola erforscht. Aber auch in Sachen Alzheimer, Huntington und Parkinson laufen die Prozessoren heiß. Einen noch nie da gewesenen Aufschwung bekam das Projekt allerdings erst jetzt im Zuge der Corona-Pandemie. Tausende Nutzer aus der ganzen Welt schlossen sich in kurzer Zeit neu an. 2,3 Millionen Prozessoren vereint diese Gemeinschaft mittlerweile unter sich. Diese sind wiederum in über 250.000 Teams organisiert, woraus sich sogar eine Art Wettbewerb entwickelt hat. Es darum, wer die meisten Rechenpakete abarbeitet und somit die meisten Punkte sammelt, obwohl es letztlich nichts zu gewinnen gibt. Trotz Ranglisten steht der Gedanke im Vordergrund, mit eigenen, einfachen Mitteln die Wissenschaft unterstützen zu können.

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Antrieb: Fünf Computer rechnen alleine bei Götz zuhause fast rund um die Uhr für den guten Zweck. Sogar die eingebauten Grafikkarten rechnen mit. Der Stromzähler läuft seither merklich schneller. Sein Hauptrechner, der Computer für den Videoschnitt, verschlingt rund einen Euro an Stromkosten pro Tag. „Das habe ich nachgemessen“, erzählt er. Das summiert sich. „Ich sehe das allerdings als meinen persönlichen Beitrag gegen die Pandemie. Und es ist besser, als auf dem Sofa herumzusitzen.“ Hinzu kommt der Sportsgeist, sein Team in den Statistiken weiter nach oben zu bringen. Götz war schon immer technikbegeistert. Angefangen hatte er als Programmierer, wechselte später in den Vertrieb und arbeitet heute Selbstständig als Fotograf, Videoproduzent und Autor. Für den SÜDKURIER ist er regelmäßig als Reporter im Einsatz.

Einer der Turbo-Rechner im Netzwerk von Götz. Mit diesem Computer hat er die meisten Datenpakete berechnet.
Einer der Turbo-Rechner im Netzwerk von Götz. Mit diesem Computer hat er die meisten Datenpakete berechnet. | Bild: Hans-Jörgen Götz

Mediaprod-Team: Mittlerweile konnte er Familienmitglieder und Freunde für sein Engagement begeistern. Sie alle haben sich dem Team Mediaprod angeschlossen, welches den Namen seines Gewerbes trägt. Fast 20 Unterstützer sind so bereits zusammengekommen, täglich werden es mehr. Und jeden Tag rechnet sich die Gruppe mit der Nummer 250626 in der globalen Rangliste weiter nach oben. Vor einigen Tagen waren noch große Sprünge möglich. Derzeit kratzen die Teammitglieder, die fast alle aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis kommen, an der 4000er Marke. „Nach oben hin wird es immer schwieriger, Plätze gut zu machen“, erklärt Götz. Denn auch große Firmen, namenhafte Online-Communitys und Institutionen mischen mit eigenen Gruppen mit. Der Brigachtaler würde sich freuen, wenn ab Morgen auch einige SÜDKURIER-Leser sein Team unterstützen.

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Supercomputer: Wie gewaltig die Rechenleistung von FAH mittlerweile ist, verdeutlichen aktuelle Zahlen. Die Rechenleistung beträgt jetzt über 1,3 FP32-ExaFlops. Zum Vergleich Vergleich: Der derzeit schnellste Supercomputer der Welt, Summit von IBM, erreicht Werte von 0,4 FP32-ExaFlops. Flops steht dabei für die Anzahl der ausführbaren Gleitkomma-Rechenoperationen pro Sekunde. In Zahlen ausgedrückt liegt die Gesamtleistung von FAH also bei weit über 1.000.000.000.000.000.000 Rechenoperationen pro Sekunde, das ist eine Eins mit 18 Nullen. „Ich finde es faszinierend, welche Möglichkeiten uns heutzutage zur Verfügung stehen und jeder kann dabei mitmachen“, schwärmt Götz.

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Das Programm: Wer gerne mitrechnen möchten, kann sich auf der Internetseite www.foldingathome.org das kostenlose Programm herunterladen und installieren. Derzeit ist es in nur englischer Sprache verfügbar. Sobald die Software eingerichtet und gestartet wurde, fordert FAH über das Internet ein erstes Datenpaket zur Berechnung an, lädt dieses auf die lokale Festplatte herunter und beginnt mit der Berechnung. Es kann passieren, dass dann die Computerlüfter auf einmal deutlich lauter laufen, denn der Prozessor wird nun voll ausgelastet. In den Einstellungen kann man jedoch definieren, wie viel Rechenpower letztlich gespendet wird und zu welchen Zeiten das Programm rechnen darf. Je nach Computer kann ein Durchgang eine Stunde, einen Tag, oder noch länger dauern. Das Ergebnis sendet das Programm automatisch wieder zurück an die FAH-Server. Für jede erfolgreiche Datenlieferung gibt es Punkte, die den Nutzern und ihren Teams gut geschrieben werden. Interessierte können sich eine 3D-Simulation sowie detaillierte Infos zu den aktuell vom eigenen Computer berechneten Daten anzeigen lassen. Auch ein Bildschirmschoner ist mit an Bord. Gegen welche Krankheiten man vornehmlich rechnen möchte, lässt sich im Menü einstellen.

Foldin@Home im Betrieb Video: Hans-Jürgen Götz
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