Schwarzwald-Baar – Wer erinnert sich noch an legendäre Diskonächte im Waldpeter in Schönwald, oder an große Tanzveranstaltungen und Live-Konzerte im Gasthaus Engel in Königsfeld-Neuhausen?
Der SÜDKURIER hat im vergangenen Jahr mehrfach über diese sogenannten Dorf-Diskotheken vergangener Jahre berichtet.
Auch die SÜDKURIER-Leser kamen zu Wort und schilderten ihre Disko-Erlebnisse in den 60er, 70er und 80er Jahren.
Teil der Berichterstattung war auch Michael Fischer, Kulturwissenschaftler vom Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Er recherchierte damals in den Lokalen für ein Buchprojekt, das diese Szene der Unterhaltungs- und Freizeitkultur im Südwesten Deutschlands beleuchtet.
Dafür war der Freiburger Wissenschaftler nicht nur in den oben genannte Diskotheken unterwegs, sondern auch in vielen weiteren angesagten Tanzlokalen in Buggingen, Kirchzarten, Freiamt oder Hausach. Er suchte nach Hinweisen in Archiven, befragte Stadtverwaltungen, Tageszeitungen und suchte Kontakt zu Zeitzeugen – Betreiber, Wirte, DJs und Besucher. Herausgekommen ist jetzt, rund ein Jahr später, ein 256-Seiten starkes Werk zur Diskothekenkultur, welches unter dem Titel „Diskotheken im ländlichen Raum. Populäre Orte des Vergnügens in Südwestdeutschland„ bei zahlreichen Buchhändlern erhältlich ist.
In seinem Buch beschreibt und analysiert Fischer, wie die ländlichen Lokale zwischen den 1970er und 1990er Jahren wahrgenommen wurden. Diskotheken versprachen nicht nur Unterhaltung, sondern boten auch die Möglichkeiten der Begegnung, vom Cliquen-Treffen bis hin zum erotischen Abenteuer. Dabei werden Diskotheken in erster Linie als „populäre Orte“ verstanden. „Es geht zum einen um die Räume, die dort angebotenen Programme und schließlich um Konfliktsituationen, die sich mit dem Betrieb von Tanzlokalen verbanden“, erzählt Fischer. Zu Konflikten kam es beispielsweise, wenn Nachbarn sich über Lärm und lautstark anfahrende Jugendliche beschwerten, oder wenn sich die Polizei mit Drogenkonsum und dem Gaststättenrecht auseinandersetzen musste.
Das Buch ist in vier Bereiche gegliedert. Im ersten Teil geht es datum, was eine Diskothek überhaupt ist, um Begriffe und wie die Diskothekenkultur in Deutschland entstanden ist. Ausgelöst wurde die „Diskowelle“ mit dem Film „Saturday Night Fever“ mit John Travola, der 1977 in die US-amerikanischen Kinos kam. In Deutschland war der Film ab 1978 zu sehen und entfaltete gleich eine enorme Wirkung. Veranstaltungsorte, der Musik- und Tanzstil sowie die neue Form der Jugendkultur erlangten damit große Aufmerksamkeit, auch auf dem Land.
Teil zwei widmet sich den Lokalen im ländlichen Raum, die von Städtern nicht selten als „Bauerndiskos“ verspottet wurden. Im dritten Teil stellt Fischer einige Diskotheken im Schwarzwald und in den angrenzenden Gebieten näher vor. Es finden zum Beispiel der Engel in Neuhausen, der Waldpeter in Schönwald, der Club 46a in Schwenningen sowie das Okay in Donaueschingen Erwähnung. Der Erinnerungskultur, die von Fans bis heute über das Internet und in sozialen Medien gepflegt wird, widmet sich der letzte Teil.