Ruhender Bahn- oder Luftverkehr in Folge von Streiks sind bereits bekannt. Dass Apotheker ihre Arbeit niederlegen, ist hingegen ungewöhnlich. Und doch soll genau das, wenn es nach der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) geht, bundesweit am 14. Juni geschehen. Damit wollen die Apotheken auf politische Versäumnisse aufmerksam machen, die aus ihrer Sicht ein Apothekensterben in Deutschland vorantreiben.
Große Beteiligung in der Region erwartet
Auch im Schwarzwald-Baar-Kreis soll protestiert werden. Etwa in der Schellenberg Apotheke in Hüfingen rund um Apothekerin Sarah Mast. Der Protest soll der Politik „zeigen, wie es aussehen würde, wenn das Apothekensterben nicht aufgehalten wird“, so Mast.

Denn im Städtedreieck sei die Situation beunruhigend. Laut Mast würde die Versorgung zusammenbrechen, wenn nur eine der fünf verbliebenen Apotheken in Donaueschingen, Hüfingen oder Bräunlingen gänzlich schließen müsste. Daher bestätigen alle auf Anfrage, sich am Protest am 14. Juni beteiligen und ihre Pforten einen Tag geschlossen halten zu wollen.
Und damit sind sie im Kreis nicht allein. In Bad Dürrheim und Umgebung sei die Versorgung ebenso auf Kante genäht, wie Apothekerin Andrea Kanold von der Salinen- und Johannis-Apotheke bestätigt. Fällt eine Einrichtung weg, „dann wird die Notversorgung auch hier eng“. Kanold kann berichten, dass die Bad Dürrheimer und Tuninger Apotheken ebenso gemeinsam protestieren werden.
Notdienste bleiben geöffnet
Zum vollständigen Versorgungsstopp kommt es jedoch nicht. Notdienste werden weiterhin betrieben. Allerdings müssen Menschen aufgrund von massiv zurückgefahrenen Kapazitäten „mit entsprechenden Wartezeiten rechnen“, warnt Simon-Peter Skopek, Vorstandsmitglied des LAV und Apotheker aus Niedereschach. Wo möglich, sollen die Patienten laut Mast vorausplanen. „Menschen mit wiederkehrenden Verschreibungen sollen bestenfalls um diesen Mittwoch herumplanen.“
Auf die nächstgelegenen Notapotheken sollen jeweils Plakate an den Türen der geschlossenen Läden verweisen. Eingesehen werden können sie auch Online über die Notdienstsuche auf aponet.de.

Für den Tag selbst sei im Kreis lediglich die Niederlegung der Arbeit geplant – keine speziellen Aktionen. Viel mehr möchten Mast und ihr Team in Hüfingen vorab im Betrieb die Chance nutzen, um die Bevölkerung über ihre Beweggründe und Forderungen aufzuklären.
Warum bleiben die Apotheken am 14. Juni geschlossen?
Hauptgründe für den steten Rückgang sind für die Hüfingerin zunehmender Personalmangel und gestiegene Betriebskosten. Die politischen Rahmenbedingungen haben sich trotz Inflation und höheren Ausgaben ein Jahrzehnt nicht bewegt. „Seit zehn Jahren bekommen wir den gleichen Abschlag pro verschreibungspflichtigem Medikament“, so Sarah Mast. Damals betrug der Anstieg 35 Cent. Für die Apotheken nicht genug, um im Jahr 2023 den Betrieb zu finanzieren.
Nun ist eine der Forderungen der ABDA ein Anstieg dieses gesetzlichen „Fixums“ von 8,35 Euro auf 12 Euro pro Packung und die Möglichkeit, diese Pauschale jährlich anzupassen. Damit soll hohen Energiepreisen, Inflation und tariflichen Gehaltserhöhungen Rechnung getragen werden.
Krankenkassen lehnen diese Erhöhung ab. Aufgrund der eigenen wirtschaftlich angespannten Situation, sehen sie sich gezwungen, einen solchen Anstieg an die Versicherten weiterzugeben. „Im Rahmen der knappen Finanzreserven in der gesetzlichen Krankenversicherung bliebe den Krankenkassen nur, die Ausgabensteigerungen an die Beitragszahlenden weiterzugeben“, erklärt die AOK Baden-Württemberg auf Anfrage.
Entlastung im Kampf gegen Lieferengpässe
Und das ist nicht der einzige Konfliktpunkt zwischen Apotheken und Krankenkassen. Die derzeitigen Lieferengpässe von Medikamenten seien für das gesamte Apothekenpersonal mit einem enormen Mehraufwand verbunden. „Wir müssen Stunden täglich telefonieren und faxen um zu schauen, welche Medikamente verfügbar sind“, erklärt Mast.
Außerdem kommt es laut Florian Meess von der Hof-Apotheke in Donaueschingen dazu, dass Krankenkassen regelmäßig Zahlungen verweigern, obwohl Apotheken die Patienten versorgen. Etwa weil diese auf einen bestimmten Hersteller bestehen, die Apotheken aufgrund von Engpässen aber spontan ausweichen müssen. „Manche Krankenkassen sind gnadenlos“, bilanziert Apothekerin Kanold aus Bad Dürrheim.

Das alles frustriere und mache den wichtigen Beruf der pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) unattraktiv, weswegen auch die Schellenberg-Apotheke laut Sarah Mast bereits seit über einem Jahr erfolglos nach PTA sucht. Daher fordert die ABDA finanzielle Entschädigungen für den zeitlichen Aufwand und die Mehrkosten in der Bewältigung der Engpässe und mehr Handlungsfreiheit bei der Auswahl von Alternativen, ohne zu riskieren, kein Geld von Krankenkassen zu erhalten.
Die AOK Baden-Württemberg fordert hinsichtlich der Lieferengpässe hingegen mehr Transparenz. Es brauche „eine umfassende Meldepflicht bei drohenden Lieferengpässen über die gesamte Lieferkette“.
Das Geld liegt bei den Großkonzernen
Von den jährlichen Rekordgewinnen der Industrie bleibt laut Meess bei den Apotheken nichts hängen. Teure Medikamente steigern zwar die Umsätze, allerdings seien die Kosten noch stärker gewachsen. „Das Klischee des reichen Apothekers ist schon 30 Jahre nicht mehr aktuell.“

Auch für Mast ist klar, dass an der Spitze der Nahrungskette Gesundheitssystem das Geld vorhanden ist. Nun sei es die Aufgabe der Politik, die Last nicht auf Apotheken, Ärzte und Versicherte auszulagern. „Die wahren Gewinner der Krisen sind die Pharmakonzerne, während wir vor Ort Personal verlieren“, so die Hüfingerin.