Jetzt ist er wieder startklar, der Hagelflieger am Flugplatz in Donaueschingen. Bereits seit 15 Jahren steht er dort in jeder Saison zwischen Mai und Ende September bereit, falls sich schwere Unwetter mit dem Potenzial der Hagelbildung am Himmel entwickeln.

Wenn es dann so weit ist, fliegen die Piloten die Maschine unter Sichtflugbedingungen möglichst nahe aber dennoch sicher und direkt unter die Gewitterwolken, um diese mit Silberjodid aus ihren Generatoren an der Tragfläche zu impfen.

Das Hagelabwehrflugzeug am Flugplatz Donaueschingen, die zweimotorige Maschine vom Type Partenavia P68.
Das Hagelabwehrflugzeug am Flugplatz Donaueschingen, die zweimotorige Maschine vom Type Partenavia P68. | Bild: Hans-Juergen Goetz

In der Theorie verhindert das eine Ausbildung von großen Hagelkörnern und soll im Idealfall zum Abregnen der Wolke führen.

Ist die Hagelabwehr seriös?

Ob das wirklich genau so funktioniert, darüber streiten die Experten, allen voran der bekannte Meteorologe Jörg Kachelmann.

Lesen Sie hier das Interview im Jahr 2015:

Jörg Kachelmann kritisiert Hagelflieger scharf: ‚Reine Geldverschwendung‘

Dem entgegnet Peter Hellstern: „Aus unserer Sicht sind das reine Behauptungen, ohne wissenschaftliche Grundlage. Im Gegenteil, selbst Kachelmann bestätigt, dass wir es mit unseren Flügen schaffen, die Wolken kleiner werden zu lassen. Obendrein verweigert er jegliche öffentliche Diskussion in Expertenrunden zu diesem Thema“. Hellstern ist der Vorsitzende des Vereins zur Hagelabwehr in den Landkreisen Schwarzwald-Baar und Tuttlingen.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch die Hagelflieger können immer noch keinen 100-prozentigen wissenschaftlichen Gegenbeweis liefern. Aber: In der Region hat es seit Beginn der Flüge vor 15 Jahren keinen nennenswerten Hagel mehr gegeben. Und durch den Einsatz neuer Analyse-Software, kann der Verein zeigen, dass die Gewitterwolken tatsächlich überall da kleiner werden, wo ihr Hagelabwehrflugzeug rechtzeitig zur Stelle ist.

Softwareentwickler Roman Wehrle speichert alle Daten während des Flugs auch mit einem speziellen Gerät im Flugzeug auf, damit die ...
Softwareentwickler Roman Wehrle speichert alle Daten während des Flugs auch mit einem speziellen Gerät im Flugzeug auf, damit die Piloten und wissenschaftlichen Berater sie danach auf die Sekunde genau auswerten und analysieren können. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Bestätigt werden diese Daten zusätzlich auch durch die Radarauswertungen am KIT in Karlsruhe. Dort ist ein spezielles Niederschlagsradar installiert, welches die Hagelabwehrflüge von der Rheinebene bis Stuttgart erfasst und die aktuellen Wettersituationen auf die Sekunde genau protokolliert. Diese Daten veröffentlicht der Verein sie auch auf seiner Webseite und tauscht sich über ihre Ergebnisse und Erfahrungen jedes Jahr auf internationaler Ebene aus.

Wie gefährlich ist das Silberjodid?

Auch beim Thema Umweltbelastung durch die Ausbringung von Silberjodid gibt es Kritik. Nach Aussagen von Thomas Oppenländer, wissenschaftlicher Berater im Verein, gibt es dafür aber ebenfalls keinen Anlass, die ausgebrachten Mengen von ein paar Litern pro Flug seien einfach zu gering. Belegt wird diese These auch durch neuste wissenschaftliche Studien aus Frankreich, wo man das über viele Jahre gemessen hat.

Pilot Sebastian Keller checkt vor jedem Flug den Zustand und Befüllung der beiden Silberjodid-Generatoren an den beiden Tragflächen des ...
Pilot Sebastian Keller checkt vor jedem Flug den Zustand und Befüllung der beiden Silberjodid-Generatoren an den beiden Tragflächen des Flugzeugs. | Bild: Hans-Juergen Goetz

So ist auch der Zuspruch als auch die Zurückhaltung unter den potentiellen Geldgebern von Privat-Personen über Firmen, Kommunen bis hin zu Versicherungen ganz unterschiedlich. Das Problem: einzelne Beitragszahler lassen sich nicht individuell schützen. Das geht immer nur für eine ganze Region oder gar nicht.

Zwei der drei Piloten, Markus Duwe (links) und Sebastian Keller. Auf dem Bild fehlt noch der dritte Pilot, Holger Miconi. Bei ...
Zwei der drei Piloten, Markus Duwe (links) und Sebastian Keller. Auf dem Bild fehlt noch der dritte Pilot, Holger Miconi. Bei entsprechender Wetterentwicklung sind sie innerhalb kürzester Zeit am Flugplatz und mit ihrer Maschine in der Luft. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Positiv sieht das unter anderem inzwischen auch die Stadt Rottweil. Dort hat der Gemeinderat beschlossen, dass man dem Verein gerne beitreten möchte, wenn das Gebiet um Rottweil auch zuverlässig geschützt werden könnte. „Das können wir aber leider nicht garantieren“, erklärt Hellstern, denn dazu bräuchten sie ein zweites Flugzeug und das ist so bei weitem noch nicht finanzierbar.

So funktioniert die Hagelabwehr

Das könnte Sie auch interessieren

Im Durchschnitt steigen die Piloten etwa 15 mal in der Saison zu einem Hagelabwehrflug vom Flugplatz Donaueschingen aus auf. 2022 waren es aber nur noch zwölf Einsetze. „Das liegt aber einfach nur an der allgemeinen Wetterlage und wenn wir vermehrt Ostwind-Wetterlagen haben, sinkt bei uns das Risiko für schwere Gewitter“, weiß Hellstern zu berichten. So gab es auch Jahre wie 2020, wo sie 20 und mehr Einsätze geflogen sind.

Pilot Markus Duwe ist schon lange dabei. Ihn schreckt eigentlich nichts mehr, dennoch hat er großen Respekt vor den großen ...
Pilot Markus Duwe ist schon lange dabei. Ihn schreckt eigentlich nichts mehr, dennoch hat er großen Respekt vor den großen Gewitterwolken, denen er beim Abwehrflug ganz nahe auf die Pelle rückt. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Die Flüge in solchen Extremwettersituationen sind auch entsprechend anspruchsvoll. „Da kann es einem schon mal etwas mulmig werden, wenn die Maschine in den starken Turbulenzen direkt unter den Wolken hin und her geschüttelt wird. So lange man aber Respekt vor den Elementen hat, weiß man auch damit umzugehen, denn die Sicherheit steht auch bei uns immer an erster Stelle“, erklärt Pilot Sebastian Keller.

Fehlt der Hagel, dann fehlt der Nachwuchs

„Unser Verein ist finanziell solide aufgestellt“, erklärt Peter Hellstern, Vorsitzender des Vereins zur Hagelabwehr in den Landkreisen Schwarzwald-Baar und Tuttlingen. Sorgen bereite dem Vorsitzenden die Mitgliederentwicklung. „Wir haben viele ältere Mitglieder und wenn diese versterben, dann rücken leider nicht im gleichen Maße jüngere Menschen nach. Die haben sich einfach daran gewöhnt, dass es bei uns eh nicht richtig hagelt“, sagt Hellstern.

Softwareentwickler Roman Wehrle (rechts) erklärt dem Piloten Markus Duwe die neuen Funktionen Hagelabwehr-App auf seinem Smartphone.
Softwareentwickler Roman Wehrle (rechts) erklärt dem Piloten Markus Duwe die neuen Funktionen Hagelabwehr-App auf seinem Smartphone. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Lesen Sie außerdem:

Neue Software hilft den Hagelflieger-Piloten im Cockpit

Über die neue App bekommen die Piloten im Cockpit während des Flugs aktuelle Wetterinformationen.
Über die neue App bekommen die Piloten im Cockpit während des Flugs aktuelle Wetterinformationen. | Bild: Hans-Juergen Goetz