Als Nicholas Reed, der Schlagzeuger des in Freiburg beheimateten Ensemble Aventure, im Donaueschinger Strawinsky-Saal eine Trommel schlägt, die auch im energiegeladenen Fortissimo nichts von ihrem weichen, fast samtigen Klang verliert, fragt man sich: Was für ein ungewöhnliches Instrument ist das denn, welches der Musiker – übrigens beim Trio IV des Komponisten Dieter Mack – einsetzt?

Die Antwort des aus England stammenden Reed auf die entsprechende Frage fällt knapp aus: "Solche Trommeln werden zwischen uns und Ihnen gebaut" – zwischen Freiburg und Donaueschingen also.

Geht man diesem vagen Hinweis genauer nach, führt die Spur in den Kreis Breisgau-Hochschwarzwald zu einem aus dem 19. Jahrhundert stammenden Schwarzwälder Hof, der noch außerhalb des 270 Einwohner zählenden Oberrieder Ortsteils St. Wilhelm liegt, dort, wo kurz danach die allgemein befahrbare Straße vor der steilen Feldberghalde endet. Hier lebt und arbeitet Fritz Würth, der Trommelbauer. Einst hat er zwar ein Studium der Pädagogik mit dem Diplom abgeschlossen, dann aber sein Leben ganz seiner handwerklichen und musikalischen Leidenschaft verschrieben. Das ist jetzt etwa 30 Jahre her.

Wenn man Fritz Würth, der sich selbst Vice nennt, auf seinem Wolfenhof aufsucht, empfängt nicht ein wortkarger Wälder den Gast, sondern ein Mann, der stundenlang voller Begeisterung und ohne sich dabei zu wiederholen von seinen Trommeln schwärmen kann, die das ganze Haus ausfüllen. Die gelagerten Rohhölzer und Trommelfelle füllen seine Werkstatträume, halbfertige und fertiggestellte Trommeln liegen im Wohnzimmer, auf dem Schreibtisch und dem Bett, und in fast jeder Ecke des Hauses stapeln sich die Membranofone zum Teil bis zur Decke.

Für den jeweiligen Korpus einer Trommel verarbeitet Würth nur Holz, das in den heimatlichen Naturräumen des Schwarzwaldes gewachsen ist. Es handelt sich hauptsächlich um Stämme von Weymouthskiefern, Edelkastanien und Kirschbäumen, aber auch Esche, Bergahorn und Nussbaum eignen sich für seine Zwecke. Würth drechselt den Körper seiner Instrumente aus dem ganzen Stamm. Für eine Rahmentrommel zum Beispiel, deren Korpus relativ flach ist, benötigt Würth Stämme von 50, 60 und auch mehr Zentimetern Durchmesser.

Mit dem Begriff Fell wird allgemein die Schlagfläche einer Trommel bezeichnet, die Physik spricht von Schwingungsmembran. Würth bespannt seine Trommeln mit Naturhäuten, die vor allem von Dam- und Rothirschen, Rindern, Ziegen und Pferden stammen. Sie werden nicht gegerbt; sie sind vielmehr mit Hilfe von ungelöschtem Kalk enthaart, mechanisch gesäubert und bei Rinderhaut zum Beispiel in zwei waagerechte Schichten gespalten worden. Das Fell von Hirschen verwendet Würth verhältnismäßig oft. Rinderhaut zählt zu den hochwertigen, aber auch teuren Materialien. Durch eine hohe mechanische Belastbarkeit zeichnen sich Ziegenfelle aus, während Pferdefelle aufgrund ihrer ungleichmäßigen Dicke bei der Verwendung nicht unproblematisch sind.

Fritz Würth kann dank seiner breiten Kenntnis der Materialien außerordentlich flexibel auf Kundenwünsche eingehen. Das Staatstheater Stuttgart, die Musikhochschulen Freiburg und Lübeck oder das Ensemble Aventure verwenden Instrumente aus seiner Werkstatt ebenso wie Kindergärten und schamanische Kreise. Die Schlagzeuger Marta Klimasara und Johannes Fischer haben 2001 beziehungsweise 2007 den Internationalen Musikwettbewerb der ARD mit Vice Native Drums aus dem Hause Würth gewonnen. Und schließlich hat der Trommelbauer aus dem Schwarzwald einfallsreiche Stimm- und Spannmechanismen und gar eine teilbare Basstrommel entwickelt – Erfindungen, die er vor lauter Konzentration auf seine Arbeit nicht einmal zum Patent angemeldet hat.

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